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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 13
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0552

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Der Kunftmarkt

Der Kun ft markt
Die Klirkung des franzöfifchen
Kunftausfutyrgefet^es
Nod) immer zögern die verantwortlichen Män-
ner Frankreichs die Schmldenlaft, unter der auch
diefes Land gebückt geht, durch ein hartes An-
ziehen der Steuerfchraube oder Kapitalabgabe zu
bekämpfen. Noch immer wagt man es nicht, die
durch den (Hahlfprucl) „Deutfchßand wird alles
bezahlen“ irregeführte öffentliche Meinung her-
auszufordern. Inzwifchen müffen aber wenig-
ftens die Mittel zur Deckung der laufenden Staats-
ausgaben befchafft werden. Dazu dienen allerlei
indirekte und Sonderfteuern, wie fie die Erfin-
dungsgabe des jeweiligen Finanzminifters vor-
zufchlagen weiß. Gut bedacht find befonders
jene Vorlagen, die neben einem reichen Ertrag
irgendeine wünfdjenswerte Nebenwirkung ver-
fprechen, wie die Junggefellenfteuer, mit der
man nicht nur den Fiskus bevorteilen, fondern
zugleid) die Ehelofigkeit und damit den Ge-
burtenrückgang beftreiten möchte. Einen ähn-
lichen Doppeleffekt erhofft man von der Be-
teuerung der Kunftausfuhr, die nur nod) der
Beftätigung des Senats bedarf, um Gefeh zu
werden. Daß diefes feinen ürfprung nicht in
erfter Linie dem beabfichtigten Sd)uh des fran-
zöfifchen Kunftbeßßes, fondern ßskalen Gründen
verdankt, beweift feine Formulierung, nach der
nicht etwa bloß die Ausfuhr fogenannter natio-
naler Kunftwerke, fondern aller und jeder Kunft-
export einer hohen Beteuerung unterliegen wird.
Noch ift das Gefe^ nicht in Kraft, und fchon
wirft es bedenkliche Schatten voraus. In den
Parifer Kunfthändlerkreifen herrfd)t Beftürzung,
und das ift zu begreifen, wenn man fid) in ihre
Lage hineindenkt, mährend in den Kriegsjahren
der Londoner Markt fid) von feiner erften Be-
ftürzung fchnell erholte, Berlin felbft eine eigent-
liche Blüte erlebte, ftanden in Paris die Gefchäfte
fünf Jahre lang buchftäblid) ftill. Dann fd)ien
eine Reihe von erfolgreichen Verfteigerungen
vielverfprechend eine neue Erhebung einzuleiten.
Die großen Fjoffnungen waren aber auf diefen
Sommer gerichtet, wo man, nachdem Frankreichs
Grenzen wieder geöffnet find, den altherge-
brachten Fremdenzug nach Paris erwartet, vor
allem aus Amerika natürlich. An diefem 3uzug
wird es, allen Informationen nad), nicht fehlen;
Paris wird auch nach dem Krieg für den Ame-
rikaner, der feine obligate Europareife macht,
Ausgangspunkt und Endftation bleiben. Fünf
erfte Schiffsladungen von 6000 amerikanifchen

Paffagieren find, wie eben (Mitte Juni) bekannt
wird, bereits nad) Le Fjävre, j. ß. nach Paris,
unterwegs. Die hoffnungsvollen Ausfid)ten, die
fid) an diefen Fremdenftrom knüpfen, werden
durch das neueGefetj jedoch fo gut wie vernichtet,
ttlird doch ein Ausländer, der in Paris ein teures
Kunftwerk erfteht, unter tlmftänden 100% des
Kaufpreifes dem franzöfifchen Staate abtragen
müffen, wenn er das Gekaufte mit fid) führen,
alfo fein eigen nennen will. Der Stand der
franzöfifchen Valuta fcßeint einem Befijjer von
Dollars, Pfunden oder Gulden eine folctje Ab-
gabe möglich zu machen. Die Preife des Parifer
Kunftmarktes hoben fid) jedoch im voraus fchon
nach der fremden, befonders der amerikanifchen
Valuta reguliert. Die Parifer FJändler haben, auf
den Dollar fpekulierend, teuer eingekauft und
können darum den internationalen Markt nicht
mehr unterbieten. Dadurch wird die Steuer für
fie verhängnisvoll. Uneingeweihte müffen fid)
gewundert haben, wie lebhaft der Anteil der Pa-
rifer FJändler an den großen Londoner Verfteige-
rungen mit ihren fabelhaften Preifen, trotj nach-
teiliger Valuta (1 £ durchschnittlich = 60 Frcs.),
gewefen ift; eine Abfahmöglichkeit in Frankreich)
beftand für folche Preife nicht. Man rechnete
auf den Amerikaner. Dies galt vor allem für
die repräfentativen Bildniffe der teuren englifchen
Meifter des 18. Jahrhunderts, Reynolds, Romney,
Raeburn ufw., wie fie in den lefetjährigen Ver-
fteigerungen bei Chriftie’s befonders häufig auf
den Markt kamen und die, obfchon in Frank-
reich) keineswegs begehrt (man denke an die
öffentlichen Sammlungen!), trojjdem in anfefm-
lidber 3al)l nad) Paris wanderten. Außer in
England felbft ift diefer „Artikel“ nur in Amerika
befonders gefcßä^t. Nicht nur die Parifer Händler,
fondern auch die großen englifcßen und ameri-
kanifchen Firmen wie Agnew, Duveen, Lewis
and Simmons, Knoedler fehen fid) durch das
franzöfifche Ausfuhrgefeß benachteiligt, da fie
manche ihrer koftbarften Objekte, ebenfalls in
Erwartung des Amerikanerftromes, nad) ihren
Parifer Filialen hinübergebracht haben, wo fie je£t,
wenn fie nicht zeitig „gerettet“ worden find,
feftliegen.
ttlas die direkten Folgen des Gefetjes fein
werden, lehrt befonders deutlich das Beifpiel der
Sammlung CLlillems aus Brüffel, deren Verweige-
rung in Paris bereits angezeigt war, die aber
bei der erften Ankündigung der Exportfteuer
fofort zurückgezogen wurde. Liegt es doch auf
der Fjand, daß durch) die Erfcßwerung der Aus-
fuhr die Preife außerordentlich gedrückt werden;
Paris wird alfo feine alte Anziehungskraft als
ömfchdagplalj auch auswärtiger Sammlungen ein-

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