Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

DOI Heft:
Heft 18
DOI Artikel:
Mayer, August Liebmann: "Josef und die Frau des Potiphar" von Murillo
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0729

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

„Jofef und die Frau des Potipßar“ von Murillo
Mit 1 Abbildung Von AUGUST L. MAYER

Während des Krieges tauchte in Sevilla ein Bild mittleren Formates auf mit der
Darftellung der Ver[ucl)ung Jofefs durd) die Frau des Potipßar. Daß das Ge-
mälde von den Befitjern für ein bislang unbekanntes Meifterwerk Murillos er-
klärt wurde, konnte aus doppeltem Grunde nicht verwundern. Denn erftens ift un-
gefähr jedes zweite Bild, das man in Sevilla bei Händlern oder „aficionados“ fießt,
nacß der feften Anficßt des Eigentümers ein „Murillo autograpßo“ und zweitens hatten
diesmal die glücklichen Beßrer ausnaßmsweife wirklich recht; denn das Bild, das feit
kurzem in die Sammlung F. Scßlayer gelangt ift, muß in der Cat ein Meifterwerk
Murillos genannt werden.
Das Gemälde, von dem die Abbildung nur einen feßr ungenügenden Begriff gibt,
ift woßl ficßer in den fünfziger Jahren entftanden, woßl bald nach der „Bekehrung
Pauli“ im Prado (die ich, wie mich ein neuerliches Studium der Bilder überzeugte, in
meinem Band „Murillo“ der „Klaffiker der Kunft“ viel zu fpät datiert habe) und un-
gefähr in der 3eit, da der Meifter die „Mariengeburt“ im Louvre malte, alfo um 1655.
Was zunäcßft woßl jedem auffallen wird, ift die meifterlicße Behandlung des Hell-
dunkels, und ebenfo wie bei der „Mariengeburt“ wird man auch hier in gewiffer Weife
an Rembrandt erinnert, nur daß alles ins Romanifcße, Formfcßöne und Ausgeglichene
umgewandelt ift. Neben der „Venus“ des Velazquez ift diefe Frau des Potipßar der
einzige weibliche Akt, den die fpanifeße Malerei des 17. Jahrhunderts aufzuweifen hat.
Dies verleißt dem Bild eine ganz befondere Bedeutung. Ift feßon der Rückenakt der
berühmten „Venus mit dem Spiegel“ auch für fpanifeße Begriffe feßr dezent, fo ßat
Murillo durcß die Drapierung der Bettdecke in taktvollfter GCIeife fein Möglichstes getan,
um nießt gegen die geheiligten Verordnungen der Inquifition zu verftoßen. (Woßl ßat
aueß Antonio del Caftillo in feiner Serie von Bildern aus der Gefcßicßte Jofefs [Madrid,
Prado] die Verfüßrungsfzene gefcßildert, aber hier ift vom Körper der Frau fo gut wie
nießts zu feßen, und es feßlt der ganzen Darftellung die finnlicße Wärme.) In dem
Memoirenwerk eines Sevillaner Cßroniften, das ich) bisher noch) nießt einfeßen konnte,
wird angeblich berichtet, daß Murillo zwei weitere Bilder ähnlichen erotifeßen Inhaltes
in fpäteren Jahren vernichtet habe. Das junge Weib, das feßon eine gewiffe Anlage
zur Fülle zeigt, ift mit den vollentwickelten Formen und dem etwas kurzen Bein der
richtige Cyp der Sevillanerin. Prachtvoll hebt fieß das Fleifcß in feiner ganzen finn-
licßen Wärme von dem dunklen Hintergrund und dem Weiß des Bettlakens ab. Der
meifterlicße Erzähler Murillo bewährt fieß auch) in der Wiedergabe diefer Szene. Es
feßeint mir nießt ganz ausgefcßloffen, daß der andalufifcße Künftler von jener berühmten
Skizze Cintorettos angeregt wurde, die jetß im Prado hängt. Jedenfalls ift ein Ver-

685
 
Annotationen