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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 18
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0735

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Ausheilungen

mit alter Kunft am meiften (Uiderftand entgegen.
Sie find zu ausfchnittmäßig, pnd zu hell im Eon
und zerreißen fo die Gefamtwirkung dadurch,
daß pe ihre ruhigen, tonigen Nachbarn über-
fcbreien. Hm beften gelang es bezeichnender-
weife noch Renoirs „Frau am Fenfter“, pd) zwi-
fchen einem prickelnden frühen Hltdorfer und
einer alten Mabufe-Kopie einzureiben. Slevogts
„Montezuma“ fteljt ebenfalls gut zwifcben einem
lebhaft unruhigen Gilles Moftaert und einem
Droocb-Sloot. Cezannes Landfcbaft ifttrolj ihrer
Feftigkeit zu hell, um neben Rembrandt und
dem prächtigen van Goyen der Kunftballe nicht
als Fremdkörper empfunden zu werden.
Dadurch, daß die Bilder nicht in ihrem ge-
wohnten, im wefentlicben aus hißorifchen Er-
wägungen erwacbfenen 3ufammenbange er-
fcbeinen, ift ihnen ein hoher Grad von 3eitlopg-
keit gepcbert. Der im allgemeinen hiftorifd)-
entwicklungsgefchichtlich eingeftellte Betrachter
wird gezwungen, das Kunftwerk einmal rein als
folcbes, als der geiftigen Sphäre angehörig, als
etwas, das jenfeits der dem hiftorifchen Hblauf
unterworfenen materiellen Sphäre liegt, anzu-
fcbauen. Er wird dazu geführt, ganz unbefangen
künftlerifcbe Qualität, fei es des 16. oder des
19. Jahrhunderts, zu emppnden und gegenein-
ander abzuwägen. (Denn dießängung mit feinem
Emppnden für die Gefamtwirkung, für gegen-
feitige Verwandtfcbaft oder fruchtbaren Gegen-
fatj vorgenommen ift, erweift pcb einmal wieder,
daß Qualität pcb ftets mit Qualität verträgt. Die
Erennungslinien, die die Kunftgefcbicbte tradi-
tionsgemäß um 1800 zu ziehen gewohnt ift, wird
als das, was fie allein ift, eine bequeme, aber
unberechtigte biftorifcbe j)äfskonftruktion bloß-
geftellt. Es wird gezeigt, daß Stilunterfcbiede
etwas bis zu einem gewiffen Grade Äußer-
liches find, das bei genügender zeitlicher Diftanz
wie Schlacken abfällt, daß die Qualität eine viel
innigere Verwandtfcbaft bedeutet als der 3eitftil,
daß pe alseinHriadnefaden durch diejabrbunderte
uns von Ulerk zu öüerk leitet, verbindet was den
in biftorifcber öüeltanfcbauung Befangenem als
grundfäblicb getrennt erfcbeint. Manches Licht
fällt auf die ttlerte, die Cradition den Hlten,
felbft folcben zweiten Ranges verfcbafft. Manche
öüertung neuerer Kunft wird bei der Nebenein-
anderftellung mit ihnen erfcbüttert, manche be-
feftigt. v. Hlten.
Fjamburg
Der Huguft, fonft ein fo ftiller und uninter-
effanter Husftellungsmonat, brachte in der Galerie
Commeter etwa zehn Bilder von Hlexey von
Jawlenfky, die in der finnlicben Glut der Farbe

für die Hrt des Künftlers bis um 1914 bezeich-
nend find. Große ftarre Flecken fchließen pcb
zur Einheit eines Kopfes zufammen, geheimnis-
voll leuchten die Äugen. Im „Prophet“ mit
grünem Bart- und Kopfhaar, dünnem Farben-
auftrag und der kühnen Hufteilung der Fläche
in der Diagonale kündet pcb bereits jene Ver-
geiftigung an, die der Künftler jetjt anftrebt.
In der Galerie Lüders ift Franz Radziwill,
der fcbon in der diesjährigen „Freien Sezeffion“
aufgefallen war, mit zehn Bildern vertreten. Sie
vermitteln eine Vorftellung feiner Entwicklung.
Hus einem Gewoge gelblicher und erdbeer-
farbener Cöne tauchen Köpfe und bände auf
(ünter Euch). Das Ganze ftark auf Husdruck
geftellt, ohne fcbon Form geworden zu fein. Hll-
mäblicb werden die Geftalten fcbärfer umriffen
und löfen pcb in ihrem Eigenfein aus der Um-
welt. Im Doppelbildnis „ttlir“ bricht eine Naivität
durch, die doch an Rouffeau erinnert. Die Dofto-
jewfki-Htmofpbäre hat im „Ruffifcber Prophet
und Frau“ ihre ftärkfte und verbaltenfte Aus-
prägung erreicht. In allen Bildern diefes jungen
Bremers, auch in den Landfcbaften, in denen
bunte Bauernbäufer wie aus dem Spielzeugkaften
ineinander gefcbacbtelt find, eine ausgefprocben
flavifcbe Note und ein Streben über die ttlirk-
iicbkeit hinaus zur Vifion vorzudringen, das auf-
horchen läßt.
Im graphifcben Kabinett Maria Kunde hat
Roblfs einige dreißig Fjolzfcbnitte, Bekanntes
und Neues, ausgeftellt. Völlig malerifcb emp-
fundene Blätter, oft der Lithographie verwandter
als dem zu Stil und Vereinfachung drängenden
Fjolzfcbnitt, aber von großem Reiz. Daneben
fällt ein junger, in bamburg lebender Ruffe,
Hdia Madiain Junker, mitEufcbzeichnungen
auf. Einige feiner religiöfen Blätter erinnern in
der Hrt, wie fiel) Cufcbe über das Gerüft der
Federzeichnung ausbreitet, an Nolde; in den
Prophetenköpfen kommt er zu vertieften und
gefcbloffenen [Birkungen. Eine kubiftifebe Ma-
donna weift auf eine bereits überwundene
Pbafe hin. Rofa Scbapire.
Nürnberg
In der Kunftballe am Marientor eröffnete der
Hlbrecbt Dürer-Verein eine Husftellung bef-
fifeber Kunft, befebickt von der Freien Ver-
einigung Darmftädter Künftler. Sie bietet
unter Berückficbtigung der in den 3eilverbält-
niffen begründeten Schwierigkeiten eine um-
faffende Schau über die mannigfachen Richtungen
und Sonderarten der in Fjeffen anfäffigen oder
von dort ftammenden Maler und Graphiker und
darf darum Hnfpruch auf allgemeine Beachtung

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