Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

DOI Heft:
Heft 22
DOI Artikel:
Göbel, Heinrich: Würzburg und Fulda, [1]: ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Wirkteppichmanufakturen im 18. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0866

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BBS mWSTSÄMMI

dl Ü r Z b U r g und Fulda / Ein Beitrag zur Gefd)id)te
der deutfctjen tüirkteppidjmanufakturen im 18. Jahrhundert1
Mit 4 Abbildungen Von H. GÖBEL

Das Erftarken des fürftlicßen Äbfolutismus, das Streben, dem alles überftraßlenden
Fjofe Ludwigs XIV. wenigftens in etwas nacßzueifern, verlockten woßl die mei[ten
deutfcßen FJöfe zu einer Prunkentfaltung, die über den Rahmen der Leiftungs-
fäßigkeit der kleinen deutfcßen Machthaber weit ßinausgeßt. Die franzöfifcße Staats-
gewalt ift getragen von dem allein beßerrfcßenden Gedanken, daß nur dem König die
Verkörperung der nationalen Macht, die Repräfentation des Gefamtvolkes, mcßt nur in
politischen Dingen, [ondern auch) in allen Fragen künftlerifcßer und wißen fcßaftlicßer
(Hertung zufteßt. GCIie feßr es felbftverftändlicß erfcßeint, daß es Pflicht des Monarchen
ift, Kunft und Kunftgewerbe weitgeßendft zu fördern, lehrt uns das Eagebucß des FJerrn
von Cßantelou, das eine eingehende Schilderung der Eätigkeit und des Lebens des
Cavaliere Bernini während feines Parifer Aufenthaltes im Jahre 1665 gibt. Der ge-
feierte Künftler befucßt am 6. September die Staatsmanufaktur der Gobelins. Im Laufe
der ünterßaltung ftellt fiel) Bernini auf den gleichen Standpunkt wie fein Gönner, der
allmächtige Staatsminifter Colbert: „Ein Fürft von ßob)em Rang müffe folcße Betriebe
unterhalten, fclbft wenn er keine perfönlicße Liebhaberei dafür hätte, weil nichts feinen
Namen fo weit in die Kielt hinaustrage wie derartige Fabrikate.“ Das Beftreben, den
Namen des Fürften, des einzigen Repräfentanten feines Volkes, mit den Erzeugnißen
von Kunft und Kunftgewerbe auf das Innigfte zu verknüpfen, bringt der gefamten künft-
lerifcßen Entwicklung eine ungeahnte Förderung, die in ißren erften Anfängen fid) ver-
hältnismäßig unabhängig von Fragen finanzieller Art ausleben durfte. Entfprecßend
bricht fieß der Gedankengang in Deutfcßland Baßn. Es gibt kaum einen Fjof, der nicht
franzöfifeße Künftler und Kunftßandwerker heranzieht, um die wie Pilze aus dem Boden
fließenden landesherrlichen Bauten zu verfeßönern. Es gilt dies fowoßl von Architektur
und Malerei, wie namentlich aucß von faft allen 3weigcn des Kunftgewerbes. Außer-
ordentlich begünftigt wird die Berufung franzöfifeßer Künftler durch die Aufhebung des
Ediktes von Nantes. Ein gewaltiger Strom von Emigranten ergießt fiel) nach der
Scßweiz, dem Rheinland, Brandenburg und Franken. Aucß das proteftantifeße Ausland,
wie z. B. Dänemark, fueßt die ßeimifeße Induftrie durch) die fremden Glaubensgenoßen
zu beleben. 3U dem Prunkbedürfnis der Fürften, das den Boden vorbereitet und er-
hält, kommen als maßgebende Faktoren die damaligen fozialen Anfcßauungen. Der
Dreißigjährige Krieg ßat den meiften deutfeßen Staaten feßwere, noch) nießt vernarbte
(Hunden gefcßlagen, viele ßeimifeße Induftrien find zum Stillftand gekommen; unendlich
viel Geld und Gut wandert in das glücklichere Ausland, um dort begehrte Artikel ein-
1 Vgl. 5- Göbel, Jacob und Moriß de Carmes, Frankenthaler (Ilirker im Dienfte des Herzogs
Cbriftopb von tüürttemberg; Monatshefte für Kunftwißenfcßaft. Huguft-September 1919.

818
 
Annotationen