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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 8
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Gerstenberg, Kurt: Neuerwerbungen des Städtischen Museums in Halle a. S.
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0279

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UM nUf^TSAMMlIJER

tmd Kuo^ercigiiijyeii

Neuerwerbungen des Städtischen Mufeums
in F)alle a. S. J ; Von ATWA GA/?SrANßE/?G
T^s ift noch nicht ein Jahr verßoffen, [eit das Mufeum der Stadt Fjalle wieder [eine Pforten
§-( öffnete und ßd) dort ein neues Leben zu regen begann. Kläffend der Kriegsjahre war
H J naturgemäß ein Stiiiftand eingetreten, der in Qalle dadurch) veriängert wurde, daß der
Direktor Saueriandt nach Hamburg an das Kunftgewerbemufeum ging. So biieb das Mufeum ver-
waift, bis pd) in Burkhard Meier ein neuer gießvater fand, der [ich [einer in iiebevoiier Pßege an-
nahm. Ein Mu[eum bieibt [o iange etwas Lotes, wie man alles [tiii und behutfam an [einem
Platte läßt, wo es einmal aufge[tei!t i[t. Es wird er[t dann zu einem lebendigen Individuum, wenn
es [ich) als wandlungsfähig erwei[t. Auch eine Aufftellung, die den Beifall der Beften und Sach-
verftändigften bat. darf niemals als ein leister endgültiger guftand angefeben werden. Die Mufeen
find es, die recbt eigentlid) die Spiegel unferer Kultur [ind, nicht die Kunft unferer 3eit, die viel-
mehr die Prophezeiung der kommenden Kultur ift. Einmal [ind die Mufeen Gradmeffer des all-
gemeinen Fortfcbrittes optifcber Kultur, dann aber im befonderen Ausdruck der Gefcbmackskultur
ihres jeweiligen Leiters. Es ift intereffant feftzuftellen, wie gewiffe Strömungen zur gleichen Stunde
an verfcbiedenen Stellen in Erfcbeinung treten. Ulas in großem Maßftabe in Bremen gefcbeben
[oll, nämlid) Klerke alter und neuer Kunft zufammenzubängen, aus der Idee heraus, daß es nur
eine lebendige Kunft gibt und zugleich als rechte Feuerprobe für das Neue, das war in einem
wichtigen Beifpiel auch in Fjalle bereits durchgeführt worden. Man denke [ich einen Raum in
den unruhigen Arcbitekturformen und mit einer grell-bunten Malerei, [chlechte Nachahmung
deutfcber Baukunft um 1500. Fjier konnten die Dinge nicht zur ruhigen Klirkung kommen, immer
fcbrie das Gebäufe laut über [ie. Das wurde durch Dr. Meier geändert. Das kleinliche Formen-
werk an den Pfeilern wurde abgemeißelt, der Raum weiß getüncht, [eine Balkendecke, getragen
von braunroten Säulen, in Braunrot und Ocker zu kräftiger Gefamtwirkung zufammengeftimmt.
Auf einmal gewinnen die Scbnit;altäre, der Kreuzigungsaltar aus Cölleda, um 1520, und der Drei-
heiligenaltar aus Kämmeri^, um 1510, ein neues Leben. Ihre Farben blinken [anft, ihr Gold
fcbimmert zart und zwifcben ihnen erfcbeint auf einer (Hand, nein, leuchtet und pbospborefziert
Noldes Abendmahl. Und [o, ifoliert auf einer weiß getünchten Uland, löft es erft [eine gebeimfte
Klirkung aus, wie [ie in einer kalkweißen bolfteinifcben Dorfkirche nicht glücklicher [ein könnte (Abb. 2).
Die Vitrinen der mittelalterlichen Räume wurden neu geordnet und im gufammenwirken vom
Aufbau der Gegenftände und Lönung der Befpannung angenehme Schaubilder erreicht, die doch
auch ermöglichen, das einzelne Kunftwerk dem Blick aus dem ßufammenbang zu nehmen und für
[ich zu betrachten. Die kleine Schmerzensmutter aus Geufa, mitten hmeingefeht in eine Gruppe
von mittelalterlichem Kunftgewerbe, darunter die neuerworbenen Stangengläfer, [teigert folcbe An-
ordnung wirkungsvoll (Abb. 1). 3u den wichtigen Aufhellungen gehört die Maria mit dem Kinde, die den
merken Conrads von Einbeck in und an der Mori^kirche [ehr nahe ftebt (Abb.4). Sie wurde von Meier
aus einem unbeachteten Fjaufen nicht eben wertvoller Plaftiken hervorgezogen. Bei einer noch
konventionellen Fjaltung der Mutter zeigt das kräftiq gebildete Kind, das lebhaft und ungebärdig
den Kopf herumwirft, den neuen Klang des beginnenden Naturalismus. Ein Vergleich der Einzel-
formen mit dem Kinde aus der Konfolenreibe mit der Anbetung der drei Könige ergibt die Über-

Der Cicerone, XIH. Jat)rg., peft 8

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