Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

DOI issue:
Heft 11/12
DOI article:
Kunstpolitik
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0391

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die geit und der Markt

Kun ftpoliti k
Uagung des Deut[d)en (üerkbundes
in München und Gewerbefchau 1922
Der Werkbund hielt feine diesjährige Cagung
vom 11. bis zum 13. Mai in München ab. Der
außerordentlich ftarke Befuch diefer 3ufammen-
kunft aber wefentiichen deutfchen Künftier, Groß-
unternehmer und Gewerbier gait vornehmiich
der Stellungnahme zur Gewerbefchau 1922, die
nunmehr endgültig vom Mai bis zum Oktober
nächftes Jahr in München ftattfinden foll.
Diefes Hauptthema durchlief alle Erörterungen
auf den Sitzungen und Verfammlungen und be-
ftimmte felbft die allgemeineren Referate der
Hauptredner. Gleich in der einleitenden Vor-
ftands- und Ausfd)ußfi^ung am 11. Mai in den
Räumen der Gaftftätte des Ausftellungsparkes
befaßte fich der Vorfi^ende des Bundes, Hans
Poelzig (Berlin), faft ausfd)ließlid) damit und
wies auf die große Bedeutung diefes Unterneh-
mens hin, beantragte eine Übergabe des Vor-
ß^es an einen im Veranftaltungsort anfäffigen
Künftier und begründete dies damit, daß die zu
bewältigende Arbeit es notwendig mache. Auf
feinen Vorfchlag wurde fodann einftimmig der
Vorfit^ dem Direktor der MünchnerKunftgewerbe-
fchule, Riemerfchmid, übergeben. Den übrigen
Geil der Beratungen füllten Erörterungen über
die Luxusfteuer auf Wertarbeit aus.
Eine öffentliche Verfammlung am Donnerstag,
den 12. Mai, im Mufeum gab den Auftakt zur
großen Debatte. Nach den üblichen Begrüßungen
fprach Mufeumsdirektor Dr. Walther Riezler
(Stettin) über „3eitgeift und Kunft der Stunde".
Diefer Vortrag befchrieb mit feltener Klarheit
nach eingehender Definierung der Begriffe Qua-
lität, geitgemäßheit, 3eitftil die ungeheure Auf-
gabe des Bundes. Der Standpunkt des Redners,
daß nichts auf dem großen Gebiete des künft-
lerifchen Wirkens künftlich heran- und zufam-
mengezüchtet werden kann, fondern daß die
kulturelle Miffion einer Kunft in fich felbft be-
fchloffen liegt und fich je nach der Verankertheit
im Volksganzen zu einem einheitlichen Stil zu-
fammenwölbt, kann nur unterftrichen werden.
Aus derUatfache, daß keine Harmonie gefchaffen
werden kann, fondern von felber wachfen muß,
ergibt fid) nach Riezler die Aufgabe des Werk-
bundes, der weder ein diktatorifcher Verkünder
des 3eitfti!es noch ein Nachftreber wirklichkeits-
fremder Elemente in der Kunft fein foll, fondern

ein Verlebendiger alles Wirklichkeitsfördernden
im Ganzen.
Die Rede fand ftarken Beifall. Die Ausfprachen
zerblätterten in Belanglofigkeiten.
Am Nachmittag gab eine ftark befuchte Sitzung
des Ausfchuffes für die Deutfche Gewerbefchau
ebenfalls im Mufeum den verfammelten Werk-
bundsmitgliedern Auffchluß über den Stand der
Gewerbefchau. Nach der Begrüßung durch Prof.
Scharvogel (München) erftattete Oberregie-
rungsrat Goet$ Bericht über die bis jet^t durch-
geführten Vorarbeiten und über den Etat des
Unternehmens, der nach demUberblick dieSumme
von 18650000 Mark ergebe. Bedeutende 3a-
fchüffe und Garantiefummen feien noch zu er-
warten.
Das ganze deutfche Arbeitsgebiet foll fich vor
aller Welt erftmalig nach der ungeheuren Kata-
ftrophe des Weltkrieges dokumentieren, ohne
Rückficht auf die je§t gefchaffenen politifchen
Grenzen. Eingehend verbreitete fich der Redner
über die Ausgeftaltung der Schau und die An-
ordnung des Auszuftellenden. Die Eigenart der
Materie ergebe von felbft eine von Fall zu Fall
zu entfeheidende Behandlung.
Eine fcharfe Debatte riefen die Ausftellungs-
beftimmungen hervor. Prof. Scharvogel emp-
fahl vor allem die Heranziehung volkstümlicher
Handwerkskunft und charakterifierte die kom-
mende Gewerbefchau dahingehend, daß es fich
nicht um ein ins-Licht-ftellen induftriellerBomben-
effekte, fondern um eine kulturelle Dokumen-
tation des Soliden und Echten handle.
Die rege Ausfprache ergab wertvolle An-
regungen auswärtiger Ceilnehmer. Der Wunfch
nach Sonderausftellungen wurde mehrfad) laut.
Eine Vermehrung der 3ulaffungsftellen wurde
gefordert und die Verkaufsfrage fand lebhafte
Erörterung. Die 3uficherung der möglichften
Berückfichtigung aller geäußerten Wünfcße be-
fchloß die 3ufammenkunft.
Am Freitag vormittag beendete eine Mit-
gliederverfammlung die Uagung. Direktor Rie-
merfchmid führte den Vorß^. Architekt Otto
Baur erftattete den Gefd)äftsberid)t.
Die Werkbundidee dringt mehr und mehr durd).
Neue Arbeitsgemeinfchaften bzw. Landesgruppen
u. a. in Sd)lefien, Baden, Bremen und Öfterreich
haben fid) gebildet.
Scharfer Einfprud) wurde gegen die Reichs-
poftreklame erhoben und die bisherigen, erfolg-
lofen Protefte gegen die Luxusfteuer durch eine
neue Entfd)ließung bekräftigt. Dr. Heuß' Re-

361
 
Annotationen