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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 3
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Curjel, Hans: Die Plastikausstellung der Badischen Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0138

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begreiflich. Sie beß&en aber überdies einen bedeutenden pädagogifchen mert. Älles
Störende, das beim Originalwerk oft in ungünftigem, fd)led)t beleuchtetem Standort oder
etwa aud> in der mangelhaften Erhaltung der polychromen Faffung begründet liegt, fällt
weg, der Blick des Betrachters wird auf natürlichem meg konzentriert, während vor den
plaftifdjen Originalen nur zu oft die Ruhe der gefammelten Betrachtung fehlt, abgefehen
davon, daß gerade heute bei der Betrachtung plaftifdjer merke oft eine gewiffe F)ilf-
lofigkeit in der t£Iat)l des Standortes beobachtet werden kann. Übrigens bietet die
Karlsruher Äusftellung auch eine Änzahl erlefener Originale von ßolzbildwerken, fo daß
ftändig die Brücke von der Reproduktion zum Originalwerk gefcßlagen werden kann.
3eitlid) beginnt die Äusftellung mit der Darftellung der Hauptwerke der deutfdjen
Plaftik des 13. Jahrhunderts. Bamberg und Naumburg ftehen im Mittelpunkt, die Barn-
berger Plaftik meift in Vergrößerungen nach den trefflichen Aufnahmen des Marburger
kunftgefchichtlichen Inftitutes, Naumburg auf Grund der Vergrößerungen des Deutfcßen
Kunftverlages (früher preuß. Meßbildanftalt) und des Verlages Stoedtner. Details bieten
überrafdjende Einblicke in die vermiedenen Spielarten der Individualitäten der Haupt-
meifter. Die Entwicklung von der dramatifdtjen mucht der frühen Bamberger merke
zur klafßfchen Statuarik der Naumburger tritt finnfällig in Erfcheinung.
Der Monumentalplaftik des Freiburger Münfters ift eine befondere Abteilung ge-
widmet, befonders wertvoll, weil die Plaftik des Freiburger Münfters bislang mit Aus-
nahme des Vorhallenzyklus ftiefmütterlich behandelt worden ift. Es enthüllen fich
angeßd)ts der hervorragend ausgeführten Abgüffe merke von unerhörter Eindrucks-
kraft und felbftändiger formaler Prägung wie die riefenhaften Strebepfeilerapoftel (Äbb.
S. 119), die fißenden Grafen (Äbb. S. 119) oder etwa ein Kopf wie der des Sigismund
(Äbb. S. 117). Cüährend diefe merke der ödende des 13. Jahrhunderts angehören,
führt das in der Rekonftruktion des Freiburger Münfterbaumeifters Kempf aufgeftellte
heilige Grab in die erften Jahrzehnte des 14. hinein. Seine plaftifchen Figuren findEckfteine
der oberdeutfd)en Entwicklung, die in der Karlsruher Äusftellung an ihren weiteren Haupt-
werken, dem Skulpturenfchmuck des Konftanzer heiligen Grabes und den Rottweiler Statuen
mit Hilfe von detaillierenden Vergrößerungen veranfchaulicßt wird. Als wichtige Bindeglieder
erfdjeinen zwei weibliche Heiligenfiguren aus Hocßdorf bei Rottweil im Original; fie find
wie eine Reihe weiterer den Beftänden des Freiburger Diözefan-Mufeums entliehen, das
auf diefe öüeife zum erftenmal weiteren Kreifen bekannt wird. Än erfter Stelle fteht
unter ihnen das wundervolle Vefperbild aus Radolfzell (um 1340), das den Stil diefer
3eit in abfoluter Reinheit vertritt. An einer Reihe von weiteren Pietädarftellungen wird
die Geiftes- und die Stilentwicklung bis in die erften Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts
klar; über eine in der Polydhromie ausgezeichnet erhaltene oberrheinifdhe Pieta um
1380 führt fie zu einer merkwürdigen Verwandten der bekannten mittelrheinifchen
Pieta im Frankfurter Liebighaus (Äbb. S. 119). Eine ebenfalls in der Faffung vor-
trefflich) konfervierte kleine Madonnenfigur, die Multfcher unmittelbar nahefteht, ein
Meifterwerk allererften Ranges, repräfentiert den Stil um die Mitte des 15. Jahrhunderts.
Befonders ausführlich ift fodann die oberrheinifche Plaftik des ausgehenden 15. Jahr-
hunderts dargeftellt1, vorab die dem Simon Lainberger zugefchriebene Gruppe, die fict>
an die Dangolsheimer Madonna anfd)ließt. Als Krönung diefer oberrheinifchen Kunft
erfetjeint im Original eine Äntoniusbüfte, ein Reliquiar, offenkundig von der Hand des
Ifenheimer Meifters (Äbb. S.118). Dem gleichen Meifter fteht auch eine Petrusfigur aus dem
Freiburger Diözefan-Mufeum unmittelbar nahe. Die gleichzeitige fd)wäbifd)e Plaftik ift
vertreten durch einen Äpoftelkopf, der dem Blaubeurer Meifter wohl mit Recht zu-
gefchrieben wird. Eine Gruppe für fich — unter den Vergrößerungen — ift der Dar-
ftellung des Meifters des Breifacher Hochaltares gewidmet. Hier kann füglich gefagt
werden, daß erft die Vergrößerungen, vor allem die Details, das ungeheure merk,
1 Für die ganze oberrheinifche Plaftik liegen den Vergrößerungen vor allem treffliche Huf-
nahmen von Cü. Kratt, Bad. Denkmälerarchiv, zugrunde.

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