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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 4
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Noack, Friedrich: Modell und Akt in Rom, [1]: Geschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0163

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Modell und Hkt in Rom / QerdjiCt)tlict>e Studie
Mit drei Tafeln und einer Textabbildung Von FRIED. NOACK

• •
Uber ülert oder Unwert des Studienaufenthalts deutfcher Künftler in Rom ift bis
in unfere Uage viel h>in und her geftritten worden, und manche dagegen erhobene
Einwände find gewiß nicht unberechtigt. Jedoch an einem Vorzug Roms vor allen
unferen deutfchen Kunftftätten kann felbft der entfchiedenfte Gegner der künftlerifd)en
Romfahrt nicht rütteln; die Ewige Stadt ift das Paradies der Modelle und des Akt-
ftudiums. Sie war es in den vergangenen Jahrhunderten und ift es auch in der Gegen-
wart geblieben, wie jeder Maler und Bildhauer unbedenklich beftätigen wird, der in
Rom nach lebenden Vorbildern gearbeitet hat. Der alte Gottfried Sdjadow, gewiß ein
Mann, deffen IHort in diefen Dingen Gewicht hat, h°b einige Jahre nach feiner Seim-
kehr aus Rom in einem 1802 verfaßten Auffatj „Über die ülerkftatt des Bildhauers“
ausdrücklich den Vorzug hervor, den der Künftler dort hinfichtlich der Leichtigkeit,
paffende Modelle zu finden, vor Deutfcßland genießt. Die Natur des Landes, befondere
Raffeneigenfchaften, Sitte und Überlieferung wirken zufammen, um dem Modellwefen
günftige Bedingungen zu fcßaffen und, was das tOichtigfte ift, in bezug auf Körper-
fchönheit und Brauchbarkeit zu hohen künftlerifd)en Aufgaben eine Auswahl von Vor-
bildern zu bieten, wie fie wohl von keinem Ort der Kielt fonft erreicht wird. Fjinficht-
lich der reinen Schönheit wird auch dem Laien der große Vorrang des italienifcßcn
Modells vor dem der nördlichen Länder einleuchtend, wenn er nackte Geftalten aus
den Kunftwerken der italienifdrjen Auflebungszeit mit denen vergleicht, die gleichzeitig
von deutfchen oder niederländifd)en Künftlern gefd)affen wurden. Ein Idealbild des
fd)önen Menfchen zu gewinnen und fid) einzuprägen war dem Künftler Italiens auf
mannigfache (Ueife leichter als dem nordifchen, und die genußfrohe Leichtlebigkeit des
päpftlichen Roms zur 3eit der Rliederentdeckung der Antike bot ihm reichlich Gelegen-
heit, fchöne Frauen unmittelbar als Modelle zu benujjen. An Kurtifanen niederen und
höheren Ranges hat es in der Stadt der Päpfte und Kardinäle damals nicht gefehlt,
und Künftlern von feft begründetem Ruf wurde es nicht fchwer, an die heften Vor-
bilder zu gelangen. Eine alte Überlieferung meldet, daß Raffael in der Sappho auf
feinem Gemälde des Parnaß die fchöne Imperia, die Geliebte des Bankfürften Agoftino
Chigi und einiger anderer vornehmer Römer, verewigt habe; da der Idealkopf des
gerade hinter Sappho ftehenden Dichters eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem im
Familienfchloß zu Ariccia aufbewahrten Bildnis Chigis zeigt und die Leier in ihrer
Sand im Einklang mit der poetifch-mufikalifchen Begabung fteht, die von den 3eit-
genoffen an Imperia gerühmt wird, fo darf man es wohl als ficher annehmen, daß hier
die berühmte Kurtifane Modell gefeffen hat, die von ihrem getreueften Verehrer Chigi
bei Lebzeiten mit fürftlid)em Glanz umgeben und nach ihrem frühen Fjinfcheiden mit
einem koftbaren Grabdenkmal geehrt worden ift. Das wäre aber nicht die einzige
Frauengeftalt, die der göttliche Urbinate nach dem Vorbild der Imperia gemalt hat
Die im Vordergrund der Cransßguration kniende auffallende weibliche Figur, die ge-
fliffentlid) in ihrer Körperpracht dahin geftellt zu fein fcheint, um im Gegenfatj zu den
übrigen Geftalten eine Note von blühender Frauenfchönheit in das ernfte Gemälde zu
bringen, gleicht der Sappho des Parnaffes fo ftark, daß man wohl annehmen darf, der
Meifter habe hier nach einem älteren Bildnis der verftorbenen Freundin Chigis gearbeitet,
mit der er durch [eine großen Aufträge für diefen ohne 3weifel in perfönliche Be-
rührung gekommen ift. Die Vermutung liegt nahe, daß Imperia auch den weiblichen
Geftalten der Farnefina-Fresken als Vorbild zugrunde liegt. [Daß die Künftler Roms
in jener 3eit durchgängig ihre Verhältniffe mit fdt)önen Dirnen hatten, die ihnen als
Modelle und zur Liebesfreude dienten, das hat uns Benvenuto Cellini in feiner Selbft-

Der Cicerone, XIV. faljrg., ^eft 4

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