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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 4
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Curjel, Hans: Die Züricher Ausstellung spätmittelalterlicher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0184

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etwas [päteren merkwürdigen Kreuzesallegorie aus Freiburg i. üe. war [eine künft-
lerifcße Entwicklung klar überblickbar. Aud) er gehört nicßt zu den „Führern“ der
Kunftgefcßicßte, aber als typifcßer Übergangsmeifter wird der oft fellfam fprungßafte
und pßantaftifcße Maler immer von befonderer Bedeutung bleiben. Seltene und abfeits
liegende Qlerke [einer F)and zeigten ißn von der temperamentvollen, zum Beil faft un-
heimlichen Seite. Etwa die beiden Fragmente von 1503, Cßriftopßorus und die Barbara
von ißrem Vater ergriffen (Abb.), die von dem Geift der Dürerfcßen Apokalypfe berührt
zu [ein fcßeinen, der große Antoniusaltar von 1506 aus dem Freiburger Franziskaner-
klofter (Abb.), de[[en weißließe Böne und wilde Kompo[ition zeigen, wie fieß die Ver-
arbeitung der „ars nova“ des 16. Jaßrßunderts bei dem auf der Grundlage der alten
Kunft auf bauenden Provinzialen abfpielt, oder die feltfame [päte Kreuzesallegorie in
ißrer im Grund noeß mittelalterlicßen Struktur, die jedoeß von der Ekftafe der neuen
3eit erfüllt ift (Abb.).
Auf Frieß folgt die Generation der Graf, Manuel, Leu, Funk. Das Fundament
ißrer Kunft ift unmittelbar und mittelbar Bai düng Grien, der desßalb feßon gelegentlicß
„praeceptor ßelvetiae“ genannt worden ift. Es war bedauerlicß, daß von Baidung
gerade die für die feßweizerifeße Entwicklung wießtigen Qlerke aus dem zweiten Jaßr-
zeßnt des 16. Jaßrßunderts völlig feßlten und an ißrer Stelle weniger bedeutende, zum
Beil [ogar etwas fragwürdige öüerke gezeigt wurden. Aucß Graf feßlte. Qm [o beffer
war Manuel vertreten, deffen Berner Altarflügel und Porträts zum Beften der Aus-
heilung zäßlten. Von F>ans Funk waren zwei ausgezeießnete Porträts aus dem dritten
Jaßrzeßnt des 16. Jaßrßunderts zu [eßen (Nr. 69 u. 70). tüertvoll — aber leider eben-
falls lückenßaft — erfeßien die Repräfentation des Fjans Leu, weil dureß [ie das kunft-
ßiftorifeße Problem „Leu“ klar zutage trat. Ein Beil der Leu genannten Bilder, vorab
die Kreuzigung (Abb.) (Nr. 99) und die kleinen Fjeiligen (Nr. 102), feßeint zum Donau-
[til in einer noeß zu unter[ueßenden Bezießung zu [teßen; von diefen feßeidet fieß
eine andere F). L. bezeießnete Gruppe, deren Entfteßungsdaten in die gleicße Seit
wie die der erften Gruppe fallen. Das (in der Ausftellung feßlende) Bild Cepßalus
und Prokris des Bafler Mufeums ift der Eckftein diefer zweiten Gruppe; der Bafler
Fjieronymus (Nr. 103) und Orpßeus (Nr. 104) veranfeßauließten den Stil diefes Meifters,
der im Kolorit und in der Kompofition als der wießtigfte auf den Manierismus weifende
Übergangsmeifter erfeßeint, in dem fieß letzte Spätgotik und früßeftes Barock berüßren.
(XIas fonft von feßweizerifeßen Olerken diefer Epocße beigebraeßt war, wie etwa die
Bafeln des Fjans Boden, befißt nur für die interne feßweizerifeße Malerei einige Be-
deutung.
Fjolbein, der wie ein Eisblock in der von ßeißem und vulkanifeßem Cßarakter ge-
tragenen Scßweizer Malerei fteßt, wenigftens in Proben zu zeigen, war eine Eßren-
pflicßt der Ausftellung. Aber mit Ausnaßme des kleinen Rundbildes des Luc FJorebout,
find es problemreicße Olerke gewefen, über die die kunftßiftorifcßen Akten vorläufig
noeß nießt gefcßloffen find. Fjans Afper, der 3üricßer Maler, endlicß war dureß eine
Reiße bis gegen die Mitte des 16. Jaßrßunderts reicßende Porträts vertreten.
Plaftifcße tüerke, die zum Beil feßr gefeßiekt als woßltuende Unterbrechungen zwi-
feßen die langen Bilderreißen eingefügt waren, gaben einen allerdings nur feßr an-
näßerungsweifen Begriff von der Entwicklung der feßweizerifeßen Plaftik der Epocße.
Künftlerifcß (üertvolles feßeint jedoeß damals nur wenig in der Scßweiz entftanden zu
fein. Das Fjauptgewicßt Hegt auf der Malerei; typifcß, daß die bedeutendften Qlerke
der alemannifeßen Plaftik des früßen^ 16. Jaßrßunderts der allerdings außerhalb der poli-
tifeßen Grenzen der Scßweiz entftandene Breifacßer Fjocßaltar und fein Verwandter, der
Altar in Niederotweil (im badifeßen Kaiferftußl), ftark mit rein malerifdßen Elementen
dureßfetjt find.

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