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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 5
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Noack, Friedrich: Modell und Akt in Rom, [2]: Geschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0217

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Modell und Äkt in Rom / Gefd?iCb)tli<±>e Studie
Mit drei Tafeln und einer Textabbildung Von FRIED. NOACK
(Fortfetjung aus Fjßft 4.)
Neben der fanften Scßönßeitsblüte aus Älbano, die iJ^re Sitzungen im Salon der
Baronin v. Reden auf Villa Malta gab und dort wie eine Freundin des ßaufes gehalten
wurde, kamen gleichzeitig andere berühmte Modelle auf, die aus den unheimlichen
Liefen der Gefellfchaft ans Licht traten und hinter Gefängnismauern häuften. Das Räuber-
gewerbe war während der napoleonifchen Kriegsjahre in allen Beilen Italiens üppig aufge-
fchoffen und machte der zurückgekehrten päpftlid)en Regierung in den Bergen und an den
Landftraßen nach der neapolitanifcßen Grenze hin viel zu fd) affen. Sie hob im Jahre 1819
das Brigantenneft Sonnino im Volskergebirge am Rand der Pontinifcßen Sümpfe aus und
brachte viele Räuberfamilien mit ihrem Anhang nach Rom, wo [ie teils in den Kerkern
der Engelsburg, teils in einem Arbeitshaus zwifchen den Ruinen der Diokletiansthermen
eingefperrt wurden. Das gab für die neugierige Fremdenkolonie eine neue aufregende
Sehenswürdigkeit und für die Künftler eine Fundgrube von wildwüchfigen malerifd)en
Eypen. Der erfte, der mit kedcer Fjand in diefen menfcßlichen Urwald hineingriff und
die prächtigsten Motive für romantifche Darftellungen aus dem italienifchen Volksleben
herausholte, war Leopold Robert aus der franzöfifctjen Schweiz. Mit Erlaubnis des
Governatore von Rom richtete er feine CUerkftatt in den Ehermen ein und malte zwei
Monate lang nichts als Studien nach diefen wilden Gefellen und ihren leidenfcßaft-
glühenden Kleibern. Einige Jahre fpäter folgte fein Freund, der Franzofe Scßneß,
feinem Beifpiel und gab fiel) ganz dem Studium der bunten Romantik des urkräftigen
Volkstums hin. wie es in der Klildnis der Berge und den Einöden der Campagna er-
wachfen war. Erleichtert wurde ihnen die Aufgabe, als die römifche Polizei den An-
gehörigen der Räuber freie Bewegung in der Stadt gewährte und damit die Möglich-
keit gab, fleh ganz dem Modellberuf zu widmen. In der franzöfifchen Akademie
wurden fie bald Hausfreunde, und von dort ging die neue Modegattung der Malerei
aus, als deren Begründer und glänzendften Vertreter man Robert anerkennen muß, und
die einige Jahrzehnte hindurch in mannigfachen Variationen den Kunftgefchmack und
den europäifchen Bildermarkt nahezu beherrfcht hat. In die 3eit unmittelbar nach den
Befreiungskriegen ift daher auch die Entftehung oder wenigftens die lebhaftere Ent-
wicklung des Modellmarkts auf der Spanifcßen Ereppe zu fetten, wo fiel) bis nach 1870
die bunte Menge der Koftümmodelle aus den Albaner- und Sabinerbergen ßerum-
zutreiben pflegte und fcßlafend, bettelnd, tanzend oder Ungeziefer fueßend auf den
Künftler wartete, der fie zur Arbeit mit ins Atelier naßm. In allen Reifewerken über
Italien und Rom, wie viele ißrer auch find, des 18. und vom Anfang des 19. Jahr-
hunderts, findet fieß keinerlei Erwähnung des lebendigen farbenreichen Bildes auf den
Stufen der Ereppe, die vom Spanifcßen Plat$ zur Kirche Erinitä dei Monti und zur
Villa Medici hinaufführt, eines Bildes, das in feiner Eigenart fpäter die Augen aller
Fremden, nicht des Künftlervölkcßens allein, angezogen hat und zu den eßarakteriftifeßen
Scßaufpielen im Straßenleben der Ewigen Stadt gehörte. Diefe tägliche Scßauftellung
der Koftümmodelle ift ohne 3weifel erft durch die Nachfrage der in jenem Beil des
Fremdenviertels von Via Margutta bis zur Piazza Barberini häufenden Schar von
Malern und Bildhauern der romantifeßen 3eit ßervorgerufen worden; die Kunft des
Klaffizismus des 18. Jahrhunderts und der napoleonifchen Epoche, die allenthalben nur
die Antike aueß in der äußeren Erfcßeinung ißrer Geftalten wieder aufleben ließ, befaß
kein Verftändnis und kein Intereffe für den Farbenreichtum der Feftkleidung, noch für
die malerifchen Lumpen des Landvolks, nicht für bunte Mieder und Kopftücher der
Frauen, noch für Spitjßüte, Radmäntel und Fellßofen der Männer, nicht für roße Leder-
fandalen, Kürbisflafcßen, Dudelfädce oder Eamburine. Nur in den Landfcßaften und

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