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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 5
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Noack, Friedrich: Modell und Akt in Rom, [2]: Geschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0223

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artigen feelifd)-jinnlid)en Beziehungen, die zwifdßen einem Maler und [einem Modell
walten können, und über die ftarken künftlerifchen Anregungen, die aus ihrem vertrauten
Verkehr entfpringen, wie gerade er. Seine von antiker FJoheit erfüllten Frauengeftalten
auf Einzelbildern wie in größeren Kompofitionen, feine Iphigenien, Medeen, feine
Francefca und Laura find in ihrer Vollendung nur durch den Einfluß der beiden Frauen
auf den geiftig-finnlichen Organismus des Künftlers möglich geworden, [ie find Ein-
gebungen, die er in der F)auptfad)e, wenn nicht ganz, den Modellen verdankt. Die
ältere, die ihn durch ihre Untreue fo fd)wer enttäufd)t l)at. war Änna Rifi aus Erafte-
vere, die Frau eines Schufters, die kein Neuling im Modellberuf war, als fie bei einer
zufälligen Begegnung Feuerbachs Intereffe erweckte. Sie ftand damals in der Mitte
der 20er Jahre und war von imponierender F)oi)eit der Erfcheinung mit prachtvollem
dunklen I^aar und einem fchwermütigen Ausdruck der 3üge. Feuerbach hat fie einmal
mit einer Statue des Phidias verglichen. Als er in tiefem Groll mit Nanna gebrochen
hatte, führte ihm nach faft zwei Jahren das Glück, die Lucia, in den Gleg. „Das ver-
lorene Modell ift aufs glücklichfte erfe£>t,u fd)rieb er freudig am 22. Mai 1867. Lucia
Brunacci, damals kaum 17jährig, aber fchon Ehefrau des Gleinwirtes Cefare Preti und
Mutter von 3willingen, war der Nanna im äußeren feßr ähnlich, doch befaß fie größere
Gleichheit der 3nge. Sie hat von da an zu allen feinen Frauengeftalten gefeffen, hat
bis zu feinem Abfchied von Rom treu zu ihm gehalten und nachher noch [ich gewiffen-
haft feiner römifchen Angelegenheiten angenommen.
1873 hat Feuerbach die Ewige Stadt verlaßen, die fid) nach der Vereinigung mit
dem Königreich Italien zur modernen Großftadt zu entwickeln begann. Auch im
Modellwefen hat [ich feitdem manches verändert, es hat an Eigenart und Naivetät
verloren. Das feinerzeit beliebte und im Übermaß gepflegte römifcße Eypen- und
Genrebild kam aus der Mode, und im 3ufammenhang damit begannen die bunten
malerifchen Erachten mehr und mehr zu verfchwinden, von denen man wohl mit Red)t
fagen kann, daß fie fchon Jahrzehnte hindurch eigentlich nur der Künftler wegen noch
getragen und gepflegt worden pnd. Die Spanifche Ereppe hörte auf, Modellmarkt für
Koftüm und Fundort der Campagnolen, Pifferari, Ciociaren, der Saltarellotänzer und
tamburinfchlagenden Mädchen aus den Bergen zu fein; die Polizei des königlichen
Roms fah in dem Ereiben auf der Ereppe einen der FJauptftadt unwürdigen ünfug
und vertrieb Bettler und Modelle von dort. Die aus hunderten von Bildern bekannten
Geftalten in buntfdjeckiger Eracht und malerifchen Lumpen waren nur noch vereinzelt
in den Aialergaffen Via Margutta und Purificazione, fowie auf der Piazza Barbarini
anzutreffen. Der Modellbetrieb wurde nüchterner und gefd)äftsmäßiger, die Preife
ftiegen, der Wettbewerb der gewöhnlichen Modelle, männlicher wie weiblicher, fd)woll
an, während die von auserlefener Schönheit eher feltener wurden, vornehme Erfchei-
nungen wie Vittoria Caldoni und Fortunata Segatori kamen nicht wieder vor. Glas
den Aktfaal angeht, fo wurde die Studiengelegenheit günftiger. Als Nachfolger der
Akademie S. Luca richtete das königliche Kunftinftitut regelmäßige Übungen nach dem
Nackten ohne die Einfchränkungen der päpftlicpen 3eit ein, hier wie in der franzöfi-
fchen Akademie konnten auch fremde Künftler teilnehmen; der Internationale Künftler-
verein und feit 1890 auch der Deutfdße, gründeten für ihre Mitglieder eigene Aktfäle,
in denen an den Glinterabenden fleißig gearbeitet wurde. Den Deutfcßen und vor
allem den Stipendiaten der Akademien Deutfcßlands war damit völlig unentgeltlich eine
wertvolle Studiengelegenheit geboten, da die Koften von der Vereinskaffe getragen
wurden, deren Einnahmen nur zum geringften Eeil aus Mitgliedsbeiträgen von Künft-
lern beftanden. In diefer ßinficht haben die lebten Jahrzehnte die römifchen Siudien-
verhältniffe für unfere Landsleute nicht unerheblich verbeffert, denn die gründliche
Kenntnis des menfd)lichen Körpers in der denkbar höchften Vollkommenheit bleibt
immer eine der wefentlichßen Vorausfetjungen für die fchöpferifche Eätigkeit des
Künftlers, und Rom bietet heute wie ehedem eine unübertroffene reiche Auswahl von

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