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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 5
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Térey, Gábor: Lionardo da Vincis Plettenberg-Esterházy-Karton
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0228

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Lionardo da Vincis Plettenberg-Efterßäzy-Karton
Mit einer Tafel Von GABRIEL v. TEREY

Eine Reiße nod) vorhandener Skizzen und Studien beweift deutlich, daß [ich Lio-
nardo mit der Idee der Darftellung der Sankt Anna Selbdritt lange getragen.
Nach dem Stand der heutigen Lionardo-Forfcßung fcheint es ziemlich ßeßer zu fein, daß
der in der Royal Academy in London aufbewaßrte Karton die Faffung des erften Ent-
wurfes zeigt Diefer Karton dürfte identifcß fein mit jenem, für Ludwig XII. in Mai-
land vor 1500 verfertigten, den Padre Sebaftiano Refta in einem an Giampietro Beilori
gerichteten Brief (f. Bottari III, 326) erwähnt. Refta führt aber nod) zwei weitere
Kartons mit derfelben Darftellung an, und zwar einen in feinem Beßhe befindlichen,
und einen dritten, welchen Lionardo im Frühjahr 1501 in Florenz im Änfchluß an
den zweiten Karton gemacht hotte, und den er 1515 an Franz I. nach Frankreich fandte.
Diefer Karton fand dermaßen den Beifall des Königs, daß er Lionardo einlud, darnach
fein Gemälde in Frankreich auszuführen, was aud) gefchah, wenn auch nicht bis zur
allerlej^ten Vollendung, die der Dod vereitelte. Nach dem Code des Meifters (1519) wurden
Gemälde und Karton durch Francesco Melzi, der Lionardo nad) Frankreich begleitet hatte,
nad) Mailand zurückgebracht. Dort erwarb Kardinal Richelieu 1629 das von einem Schüler
Lionardos fertig gemalte Gemälde und führte es wieder nad) Frankreich. Über dasSd)ick[al
des Kartons fehlt jeglid)er Anhaltspunkt, er wird zuletzt 1618 erwähnt. Aber der vom
Padre Refta erwähnte zweite Entwurf blieb erhalten und befindet fick) jetjt in Budapeft.
Alfred Marks (Cransactions of tl)e Royal Society of Literature, London 1882; Athenaeum,
London 1892; Magazine of Art, London 1893) fiel)t diefen Karton als Lionardos Schöp-
fung an und bezeichnet ihn als Entwurf für das Louvrebild, ß. Cook, welcher den
Karton nicht gefehen hat, denkt eher an Marco d’Oggione.
Padre Refta berichtet, daß der Karton in den Beßh von Lionardos Schüler Marco
d’Oggione gelangte, der ihn lange in Vercelli bewahrte, dann fei er vom Maestro di
Campo Arese erworben worden. Durch Schenkung gelangte er zum Maler Bonola
und dann an Padre Refta (ff 1714). Klann der Karton über die Alpen gebracht wurde,
ift nicht bekannt. Jedenfalls befand er [ich in den 1830er Jahren im Befitje der uralten
weftfälifchen Familie der Grafen von Plettenberg-Mietingen in Münfter und gelangte 1833
durch verwandtfd)aftlid)e Beziehungen in den Beßh des Grafen von Eßerßäzy nach Schloß
Nordkirchen in öüeftfalen, fodann zum Grafen Nikolaus Efterhäzy nach öüien, fpäter
nad) Qngarn, wo er im Palais des Grafen Paul Efterhäzy (f) in Budapeft bis jej^t als koft-
barer Schah gehütet wurde, der in der Kunftliteratur als Plettenberg-Efterhäzy-Karton be-
kannt ift. (Er gelangt am 25. März im Mufeum Ernft in Budapeft zur Verfteigerung.)
Padre Refta ließ für den Karton einen eigenen Scßrein verfertigen, auf deffen Innen-
ßügcln eine von ißm 1697 verfaßte lange lateinifd)e Infcßriß zu lefen ift mit den ßaupt-
fäd)lid)ßen Lebensdaten Lionardos. In diefem Schreine beßndet ßch auch heute der
Karton. Auf dem rechten Flügel des Schreins iß aud) eine, dem Raffael zugewiefene
3eid)nung (29X22,5 cm) zu der „fjeiligen Familie mit dem Lamm“ (Madrid, Prado-
Mufeuui) angebracht, als Beweis dafür, wie [ehr der Urbinate ßd) an Lionardos Karton,
den er in Florenz gefel)en haben muß, anleßntc.
Der Karton der Sankt Anna Selbdritt ift mit feßwarzer Kreide mit weißen, auf-
gehöhten Licßtern ausgefüßrt; er ift auf eine feine Leinwand aufgezogen und mißt in
der Fjöße 155,5, in der Breite 111,5 cm. Gleich dem Londoner Karton ift er unvoll-
endet und in einigen üeilen, wie dies infolge feines Alters nicht anders möglich iß,
überarbeitet. Die Geftalten ßnd in derfelben Größe gehalten wie auf dem Louvrebilde.
Durch genaue Vergleicßung, befonders des Kopfes der ßl. Anna, der Gewandung, des
Lammes ufw. läßt ßcß eine Reiße von wefentlicßen Abweichungen feftftellen. Die Kom-
poßtion ftimmt aber vollkommen mit der des Parifer Bildes überein.

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