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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 6
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Ein Glasfenster Guglielmo de Marcillats in amerikanischem Besitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0262

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Ein Glasfenfter Guglielmo de Marcillats in

Von WILHELM R. VALENTINER
Mit einer Abbildung auf einer Tafel


Es war ein glücklicher Einfall des begabten franzöfifchen Glasmalers Bruder Guillaume
de Marcillat (1467—1529), fein Arbeitsgebiet nach) Italien zu verlegen, als ihm
1 wegen eines Vergehens in feiner Fjeimat der Boden zu heiß wurde und fid) ihm
eine Gelegenheit bot, einen Auftrag in Rom anzunehmen. Denn faft in jeder größeren
Stadt Frankreichs gab es damals, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, größere Ulerkftätten
für Kircßenfenfter1, und felbft ein tüchtiger Kü'nftler konnte fiel) aus der Maffe der
Glasmaler nur fd)wer zu Ruhm und Reichtum emporarbeiten. In Italien dagegen, wo
die Architektur während der Gotik und Frührenaiffance der Glasmalerei kaum bedurfte
und diefe Kunft deshalb nur in befcheidenem Maße ausgeübt wurde, konnte es ein
auswärtiger Meifter zu Beginn der Fjochrenaiffance eher zu Anfeßen bringen, wenn
er verftand, die Konjunktur auszunüljen. Denn bei dem zunehmenden Fjang zum Präch-
tigen, namentlich im üppigen Rom, mochte man fid) eine Ausftattung der Kirchen mit
farbigen Glasfenftern wohl gefallen laffen.
Papft Julius II. fud)te im Jahre 1506 zur Ausfd)mückung des Vatikans einen franzö-
fifd)en Glasmaler und feine ödal)l war auf einen gewiffen Claude gefallen, der mit
Guillaume de Marcillat befreundet war. Guillaume befand fid) damals in einem Klofter
in Nevers, in das er geflüchtet war, und fd)loß fid) Claude an, als diefer nach Italien
wanderte. Claude ftarb bald in Rom am Fieber und Guillaume nahm feine Stellung
ein. Der gewandte Franzofe wußte fid) beim Papft fo beliebt zu machen, daß ißm
diefer, nachdem er die Aufträge zur 3ufriedenl)eit ausgeführt zum Prior eines
franzöfifd)en Klofters, St. Qiiebaud bei St. Mil)iel, machte. Doch blieb Guillaume bis
zum Ende feines Lebens in Italien, wo er dank feiner Gönner, zu denen auch Bra-
mante gehörte, dauernd befd)äftigt wurde und eine umfaffende Tätigkeit in und außer-
halb Roms entfaltete. Während in Rom nur noch in S. Maria del Popolo Glasfenfter
von feiner öCIerkftätte erhalten find — die Arbeiten im Vatikan wurden im Sacco di Roma
1527 zerftört —, find die beiden Städte, in denen er am längften tätig war, Cortona
und Arezzo noch reich an feinen Oderken. In Arezzo führte Guillaume nacheinander
Glasmalereien für den Dom, für S. Luca, für S. Silveftro und S. Francesco aus. Da-
neben betätigte er fid) als Freskomaler, und gab dabei nod) deutlicher als in den
Kompofitionen für Glasfenfter zu erkennen, wieviel er in Rom von den großen üüerken
Michelangelos und Raffaels gelernt \)Q.Wo. und wie gut er es verftand, fid) den Ideen
der italienifd)en Fjochrenaiffance anzupaffen. In Arezzo wurde er auch Lehrer Vafaris,
dem er die Begeiferung für den neuen römifchen Stil mitgeteilt zu haben fd)eint'2 3.
Einen Biographen hat Guglielmo de Marcillat in neuefter 3ßit *n Girolamo Mancini
gefunden, der das Lebenswerk auf urkundlicher Grundlage forgfältig zufammenftellte0.
Unter anderem erwähnt er aud) zwei Glasfenfter mit lebensgroßen Figuren, die aus
dem Chor des Domes von Cortona ftammten und in den achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts in den Kunfthandel gelangten. Es dürften wohl die einzigen größeren
Glasmalereien des Meifters fein, die Italien verlaffen haben. Nach den Dokumenten,
die Mancini veröffentlicht, wurden fie im Anfang des Jahres 1516 ausgeführt und mit
60 Golddukaten bewertet. Das eine Glasfenfter mit der Anbetung der Könige gelangte
nad) London in das Victoria- und Albert-Mufeum. Von dem anderen vermutet Mancini,
daß es nach Amerika gewandert fei, doch find feine Nad)forfd)ungen in den Ver-
1 Vgl. R. Micbel, Fjistoire de l’art, Vol. III.
2 Fj. Voss, Die Alalerei der Spätrenaiffance in Rom und Florenz I, S. 259.
3 Girolamo Mancini: Guglielmo de Marcillat. Firenze 1909.

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