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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 6
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0271

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Kunft und Künftler in Südamerika

Äus Buenos Äires wird dem „Cicerone“ von
feinem ßändigen Berichterftatter folgendes ge-
fd) rieben:
Klenn Ärgentinien für die Kielt auch eine große
wirtfcßaftliche Bedeutung hat, fo ift der Bedarf,
den diefes Land an Kunft entwickelt, nur ge-
ring. Erklärlid), wenn man daran denkt, daß
von den ad)t Millionen Einwohnern diefes Landes
mindeftens fecßs im Camp, d. h- fern von den
Städten wohnen. Die noch übrigen zwei Mil-
lionen verteilen ßd) auf Buenos Äires und einige
Provinzftädte. Aber in den letztgenannten kennt
man nirgends die Pflege der modernen Kunft;
höcbftens auf Buenos Aires könnte der Begriff
in fehr befchränktem Maße zutreffen, denn in
der Cat ift Buenos Äires die Stadt Südamerikas,
die alle anderen, aud} die Fjauptftadt Brafiliens,
Rio de Janeiro, weit überflügelt hat- Buenos
Äires ift für ganz Südamerika tonangebend und
Mittelpunkt weitverzweigter Gefchäfte und nicht
zulegt auch 3entrum der künftlerifchen und kunft -
gewerblichen Produktion und des Importes und
Exportes auf diefem Gebiet, denn einmal ein
füdamerikanifcher Ärchitekt ein Stück dekorative
Kunft braucht, dann kommt er zum Einkauf nach
Buenos Äires.
Äber der reiche Ärgentinier felbft fteht dod)
der Kunft fehr teilnahmslos gegenüber, und wenn
er fich fdjon um diefelbe bemüht, dann fielet er
ße unter dem Gefichtswinkel der Parifer Mode.
Denn er felbft ift gewohnt, wenigftens einige
Monate im Jahr an der Seine zu verleben, um
dort einzukaufen. Die Hochburg akademifcher
Bildung für den ftudierenden Ärgentinier ift
ebenfalls Paris. Frankreich ift deshalb in allen
Fragen des Gefcbmackes für den Ärgentinier ton-
angebend, der fogar lieber franzöfifch als fpa-
nifch fpricht. Jedenfalls ift für die deutfcbe Kunft
Ärgentinien ein fehr fchwieriger Boden und wenn
trotzdem gelegentlich Klerke deutfcher Künftler
nach Südamerika kommen, fo hat das heute
feinen befonderen Grund in der Valutafrage. Viele
der reichen Deutfchen in Ärgentinien haben fich
zum Ceil fehr ftark mit Mark eingedeckt, und
da die Entwicklung der Valuta in der lebten 3eit
diefe Kreife fehr enttäufcht hat, fo hat man be-
greiflicherweife des öfteren verfucht, die Mark-
guthaben wieder abzuftoßen oder in andere Klerte

umzufetzen. So ift man denn auch auf die Kunft
gekommen, aber meiftens auf jene Ärt moderner
Produktion, die das deutfche Änfehen im Äus-
lande eher gefährdet als hebt. Es wäre in diefer
Beziehung mancherlei zu berichten, aber ein Fall
erfcheintvor allem typifd), um die Situation grell
genug zu beleuchten. Ein Kleinhändler in
Buenos Äires ließ fich, um fein Markguthaben
zu liquidieren, in Deutfchland nicht weniger als
60 Ölgemälde kaufen und nach Ärgentinien ver-
frachten. Von diefen hat er einen Ceil an feine
Freunde abgeftoßen und da diefe vermutlich auf
die Dauer auch keine reine Freude daran haben
dürften, befteht die Gefahr, daß ein Ceil diefer
Bilder im Laufe der nächften Jahre immer wieder
auf dem hießgenKunßmarkt erfcheint. Ein folcher
Fall fteht nicht vereinzelt da. Im Gegenteil,
faft jeder Deutfche, der nach langen Jahren wieder
einmal nach der Fjeimat fährt, bringt ßch einige
Kiften mit Ölgemälden mit, aber es ßnd durch-
weg zweitrangige Sachen, die für wirklich erft-
klaffige Klare den Markt auf Jahre hinaus ver-
ftopfen.
Auch die Künftler aller Nationen, die im Ver-
lauf der leßten Jahre nach Ärgentinien ausge-
wandert ßnd, um dort für ihre Kunft einen gol-
denen Boden zu ßnden, haben nichts als Ent-
täufchungen erlebt. Deshalb erfcheint es mir
Pßicbt, deutfche Künftler vor einer Fahrt nach
Südamerika dringend zu warnen. Unzählige
Deutfche, Holländer, Franzofen, Öfterreicher und
Polen, Maler wie Bildhauer, find in den legten
drei Jahren nach Ärgentinien gekommen und
haben die fehr koftfpielige Reife immer nur mit
fchlimmen Erfahrungen bezahlen müffen. Ich
kenne von diefen vielen nur einen einzigen Fall,
wo es einem Porträtmaler gelungen ift, Geld zu
verdienen, aber auch der fteht bereits am Ende
feiner Hoffnungen und hat fich entfdjloffen, nach
Nordamerika zu überfiedeln.
Neben diefen von auswärts eingewanderten
Künftlern, gibt es in Ärgentinien natürlich auch
eine kleine eingeborene Künftlergruppe, die auf
den jährlich stattfindenden Äusftellungen ihre
Produktion mit mehr oder weniger ftarkem Er-
folg an den Mann zu bringen verfucht. Daß
der reiche Ärgentinier bemüht ift, feine lands-
männifchen Künftler zu unterftügen, ift leicht zu

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