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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 11
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Stange, Alfred: Zur Wiederherstellung der Fuggerkapelle bei St. Anna in Augsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0479

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Hunderts zeigt. Diefe Anordnung ift alfo altverbürgt, ein befonderes Glück ift es aber,
daß auch die bekrönende Altargruppe, die bislang in St. Ulrich fteßende Fronleichnams-
gruppe, und die Putten der Brüftungspfeiler uns erhalten find und an ihren urfprüng-
licl)en Platj zurückgebracht werden konnten. Die Putten fand Halm mit Ausnahme einer
Figur an verfcl)iedenen Orten Schwabens. An den Scheidbögen, dem Triumphbogen
und Gewölbe erftrahlt wieder der blau-rot-goldene Farbenakkord der Fuggerfchen
Lilien und Rofen, vom Gewölbefd)lußftein leuchtet das verfilberte Bruftbild der Madonna
herab, und die Inkruftation des Fußbodens wird nicht mehr durch den an falfcher
Stelle vor den Epitaphien [teilenden Altar zerriffen.
Der Eindruck, den die wieder hergeßellte Kapelle dem Betrachter vermittelt, ift er-
ftaunlid). Von der nüchternen Kälte, der grau in grau Stimmung ift nichts mehr vor-
handen. Der leichte, klare Rhythmus der ardpitektonifchen Glieder und die einheitlich
abgeftimmte, plaftifche Ausftattung fügen fiel) zu einem Konzert von außerordentlicher
Vornehmheit und Mächtigkeit zufammen. Erft heute vermag diefer Raum von der
monumentalen, felbftbewußten Baugefinnung feiner Auftraggeber 3eugnis abzulegen;
er fpridjt aber auch von dem feinen, zurückhaltenden Gefchmack feiner Neufchöpfer:
COir können uns ob diefer Tat freuen und dürfen denen danken, die an ihrem 3uftande-
kommen mitgeholfen haben, möchten aber auch wünfd)en, daß diefem Vorbilde folgend
noch manchem anderen GQerk fein altes Ausfehen zurückgegeben wird. Eine gewiffe
Selbftlofigkeit wird meift nötig fein. Daß fie fid) lohnt, ift hier bewiefen worden.
Gleichzeitig mit der ÜJiederherftellung der Fuggerkapelle hat Halm feine erftmals 1920
(im Jahrbuch der Preuß. Kunftfammlungen Bd.41) erfcßienene Arbeit über Adolf Daucßer
und die Fuggerkapelle bei St. Anna in Augsburg in erweiterter Form (als 6. Band
der Studien zur Fugger-Gefchicßte bei Duncker & fjumblot, München 1921; Mk. 120.—)
herausgegeben, in der er feine Forfd)ungen über den urfprünglichen 3uftand der Kapelle
und den Schöpfer ihrer plaftifchen Ausftattung zufammengefaßt hat. Das Buch muß den
erfolgreichften zugezählt werden, die diedeutfd)eKunftforfchung der lebten Jahre aufweift.
In dem Kapitel über die Baugefchichte der Fuggerkapelle erledigt Halm nachdrücklich
die feit CUeinbrenner durch die Literatur fid) hinfchleppende Anficht, daß der Bau-
meifter des Fondaco dei Tedefcßi in Venedig, der Fjieronymo Tedefcho, der Erbauer
der Fuggerkapelle gewefen fei. tim fo mehr legt er Nachdruck auf den von R. Vifd)er
erftmals herangezogenen Riß aus der Frühzeit des 16. Jahrhunderts im Augsburger
Maximiliansmufeums, da uns in ihm höchftwahrfcheinlich ein erfter Entwurf erhalten ift,
der wohl nod) nichts von der Ausftattung, aber doch Tchon den Rofettenfchmuck und
die abfd)ließende Brüftung mit dem Altartifd) gibt — alfo den Schmuck, den der Bau-
meifter mitzubeftimmen hatte. Das Monogramm, das nach FJalms dnterfudjung gleich-
zeitig ift, läßt an Sebaftian Lofcher denken, und Halm fcßeint auch dazu zu neigen,
ohne fiel) jedoch eindeutig auszufpredjen. Heute muffen wir uns mit der Feftftellung
zufrieden geben, daß der Baumeifter vermutlich ein Süddeulfcher, ja ein Augsburger
war, der durch eigene Kenntnis, durch Anregungen der zeitgenöffifchen Augsburger
Kunft und dem ttlunfd) feines Bauherrn zu diefem ftrengen Renaiffancebau veranlaßt
wurde, der aber doch feine Nationalität in gewiffen Freiheiten und dem prachtvollen,
lebendigen Sterngewölbe nicht verleugnete. Sicherlich) wird man „ihn den beften feiner
3eit zuzählen müffen.“
Den größeren Teil von Halms Arbeit nimmt die ünterfucßung über den Meifter der
Ausftattung der Kapelle ein. Vom Annaberger Altar Adolf Daucßers ausgehend, ver-
fugt Halm den gefamten plaftifchen Schmuck der Kapelle diefem Meifter zuzufchreiben.
An Stelle der vielen genannten Namen, die die verfd)iedenen Stücke gearbeitet haben
follen, vermag Fjalm durch eingehende Stilanalyfe und unter Heranziehung aller moti-
ßzierenden Faktoren überzeugend den Namen Adolf Daud)ers zu fetjen. Allen Ulerken
eignet die gleiche virtuofe Beljerrfchung des Materials, die mit Hammer, Balleifen und
Bohrer fo leicht wie mit dem Schnitjmeffer arbeitet; in der Formbehandlung ift eine

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