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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 11
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0503

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Sammlungen
Neue ruffifdje Mufeumsfüljrer
In kurzem 3ei^at,ftand bat die Eremitage in
Petersburg zwei Führer veröffentlicht, die in ge-
drängter, aber erfchöpfender tUeife mit Gefdpchte
und Inhalt einzelner Abteilungen diefes Mufeums
bekannt machen, und die angeficbts bisher
mangelnder ausführlicherer Kataloge befonders
freudig zu begrüßen pnd.
Gegen Ende des vorigen Jahres erfchien der
von A. N. Coube zufammengeftellte „Führer
durch die Mittelalter- und Renaiffance-
abteilung“, und jetzt gefeilt fich ihm ein ähn-
licher „Führer durch die Porzellanabtei-
lung “ bei, welcher S. N.ürojnitjky, den jetzigen
Direktor der Eremitage, zum Verfaffer hat.
Die erftgenannte Abteilung umfaßte bis 1918
vier völlig gefonderte Sammlungen, und zwar
die aus dem ehemaligen Arfenal zu Cfarfkoje
Sfelo flammende öüaffenfammlung, die altchrift-
lichen und byzantinifchen fowie ferner die orien-
talifchen Altertümer und endlich das Kunftge-
werbe des Mittelalters und der Renaiffance.
Nunmehr füllen ausfchließlich ülerke letzterer Kunft
die ganze Abteilung aus, während die übrigen
Kollektionen zu felbftändigen Einzelabteilungen
umgeformt worden find. Im Fjerbft 1917 wurden
faft alle diefe Kunftwerke nach Moskau evakuiert,
und erft im November 1920 kehrten pe nach
Petersburg zurück. Jetzt ift die ganze „Mittel-
alter- und Renaiffanceabteilung“ aus den
früheren engen Räumen entfernt und im pebenten
Referveßügel des ehemaligen lüinterpalais auf-
geftellt.
Den Grundftock diefer Abteilung bildet die 1884
in Paris erworbene, ganz erftklaffige Sammlung
A. P. Baplewfky, welche ein vielfeitigesBild weft-
europäifcher angewandter Kunft bis zum Ende
der Renaiffance darbietet. Später kamen dazu
noch vermiedene Ankäufe und Schenkungen und
letzthin wurde diefem Ceil der Eremitage noch
eine ganze Anzahl Privatfammlungen von größe-
rer oder geringerer Bedeutung einverleibt.
In feinem Führer befdjreibt Coube der Reihen-
folge nach den Inhalt der Schränke und Vitrinen,
und fo deplieren vor dem Lefer die Säle mit
italienifchen Majoliken, franzöpfchen Emails und
Fayencen, fpanifch-mauresken Majoliken mit
deren Glanzßück der Fortunyvafe, Elfenbein-
fchniljereien und altem Glas, fowie endlich die

überreiche Sammlung von tüerken verfchieden-
artiger Kirchenkunft. An diefe Abteilungen
fchließen pch in der zweiten Fjälfte des Buches
zahlreiche Notizen in halbpopulärer Form über
die berührten Kunfttechniken, ihren Orfprung und
ihre gefchichtliche Entwicklung, fowie Erklärun-
gen über Bedeutung und3wedc beftimmter Ulerke
des alten Kunftgewerbes an.
Nach dem gleichen Programm ipauch der Führer
von S. Crojnitjky verfaßt, jedoch mit dem Unter-
fchied, daß er nicht den dem ganzen Bepand
der Porzellanfammlung der Eremitage behandelt,
fondern nur ihren zur Bepchtigung ausgepellten
Ceil, der faft ausfchließlich aus Erzeugniffen des
18. Jahrhunderts befteht. Auch in diefem Fjef*
find kurze hiftorifche Abriffe über die bedeutend-
sten Porzellanmanufakturen Europas und Apens
gegeben, worauf die Befchreibung der einzelnen
Objekte folgt. Unter letzteren pgurieren Pracht-
ftücke von künftlerifcher und gefchichtlicher Be-
deutung wie das berühmte fogenannte Frofch-
fervice, das Katharina II. 1770 bei tüegwood
bepellte, das Cafelfervice mit den Infignien des
Andreasordens, welches Auguft III. der Kaiferin
Elifabeth Petrowna zu ihrer Chronbeßeigung
fdßenkte, der große Cafelauffatz von Elias Meyer,
den Friedrich II. 1772 durch den Prinzen IJeinrich
Katharina II. überreichte und vieles andere von
gleichem ttlert.
Die Porzellanfammlung der Eremitage iß ganz
jungen Datums. Gegen 1883 wurde aus den
Silber- und Porzellanbeßänden der kaiferlichen
Paläfte alles künßlerifch lntereffante zu einem
Mufeum vereinigt, das in einigen 3immern der
oberen Etage des (Ilinterpalais Platz fand und
zu deffen Bepchtigung ftets eine fpezielle Er-
laubnis eingeholt werden mußte. 1910 wurde
diefe Sammlung der Eremitage überwiefen, wo
fie endlich in einer der Galerien dem Publikum
zugänglich gemacht wurde. Meißen, Berlin, CUien
und Sevres waren da fehr gut vertreten, aber
die kleineren Fabriken fehlten faft gänzlich. Erp
neuerdings gelang es, diefe Lücken durch An-
käufe teilweife auszufüllen, und befonders die
leihweife Übergabe einiger äußerß wertvoller
Privatkollektionen waren für die Abrundung der
Eremitagefammlung von größtem Nutzen. Jefet
läßt pe in bezug auf Vielfeitigkeit und nament-
lich auf Qualität ihres Inhalts nur wenig zu
wünfchen übrig, und allein der Platzmangel ge-
ftattet es nicht, die ganze Porzellanfammlung
in ihrer reichen Fülle zur Äufftellung zu bringen.

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