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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 12
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Hausenstein, Wilhelm: Richard Seewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0523

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Cezannes — auch aus dem eigentlich Maleri[d)en — zu orientieren [ud)t. Allein der
junge Maler, der das Objekt tel quei gewollt hat» fo wie es ift, kam nicht darum herum,
einen üribut zu zahlen. Die relative Armut des Malerifchen, bewußte Askefe zwar,
aber bis zu einem unprüfbaren Punkt zurück auch eine Not, die zur Cugend erzogen
wurde, ift noch nicht fo feßr durch Vollendung anderer Art aufgewogen, daß man die
Empfindung entwöhnen könnte, dennoch einen Mangel wahrzunehmen. Eine Malerei
von Michael Uloßlgemut, auch ohne Licht, auch ohne Luft und ohne Atmofpßäre, voll-
kommene, gewaltige Realifation der Dinge, fießt anders aus.
Eine Malerei von Hloßlgemut ift auch Malerei eines Malers, der mit der kürzeften
Verbindung auf die Dinge gerichtet ift. Er ift auch ein cßriftlicher Maler. Die Auf-
gabe liegt darum vor dem Jungen noch Iängft nicht gelöft. Er weiß es.
Es ift notwendig, ein Ulort vom Cßriftentum zu fagen, weil es unmöglich ift, See-
walds Kunft zu erkennen, oßne von feiner cßriftlichen Gläubigkeit zu fprechen, die über
aller neureligiöfen Mode fteßt. Das Chriftentum hat in diefem Maler den Sinn für das
Objektive befeftigt (— das Objektive als die (Heit und Eigentümlichkeit der Objekte).
Jenfeits der zunäcßft rein pfgcßologifcßen Umftellung aus dem Labilen und Relativiftifcßen
ins Stabile und Abfolute ift dabei noch ein befonderer Ulert der Dinge aufgegangen:
die den Affekt ergreifende Idee, daß die Dinge nicht nur Dinge, fondern Kreaturen
Gottes find, aus denen der Schöpfer fpricßt — und die zu malen genügt, um ißm
zu. huldigen. Es ift begreiflich, daß diefer Standpunkt, daß Chriftentum mit dem
Malerifcßen nichts beginnen kann. Die Kategorie würde gänzlich finnlos, wo die pofi-
tivften Dinge auf der Ordnung des Cages fteßen. Ließt, Luft, Sonne, Schatten, Atmo-
fpßäre, Malerifcßes — war dies im Grunde nicht Surrogat für einen verlorenen Gott,
ja für einen verlorenen Pantheismus und logifcß für ein verlorenes Paradies, für eine
verlorene Hielt? Es ift aber begreiflich, daß ein Maler, der diefen Standpunkt ein-
nimmt, immerhin die Pßafe erlebe, in der Unvollkommenheiten einer malerifcßen Be-
wältigung der Dinge mit Unvollkommenheiten einer fcßlecßthin gegenftändlicßen Kunft
balanziert werden müffen. Den malerifcßen Genius fand Seewald vollendet vor, als er
in die Kunft eintrat. Daß er nach diefer Seite ßin mit der Tradition einigermaßen
verknüpft blieb, ift feßr natürlich- Es wäre ungeheuerlich, wenn es anders gewefen
wäre. Die näcßfte Form zu finden war oßne eine Auseinanderfeijung mit dem
malerifchen Genie von drei oder vier Jahrhunderten unmöglich — vollends wenn die
letzten Fjeroen Cezanne und van Gogh hießen und felbft feßon zu einem neuen gegen-
ftändlicßen Geift der Kunft überleiteten. Übrigens war klar, daß das Neue oßne den
Süden nicht möglich fein konnte. Das Klaffifcße und Lateinifcße war nicht veräußer-
lich, wiewoßl feit Ulinckelmann hundertfünfzig Jahre vergangen waren. Notwendig
war, von 3^1 zu 3eit den Süden zu feßen. Aber es war nicht notwendig, den
Boden der Fjerkunft zu verleugnen.
Das Problem der 3ukunft diefes Malers wird waßrfcßeinlich zum großen, größten
Ceil ein Problem der Eecßnik fein. Diefe HIendung mag überrafeßen. Doch ift es
fcßwerlich anders. Die geiftigen Vorausfeßungen find in dem Dreißiger ausgebildet.
Voll von Bewegung ift die Fjand, und wo fie zeichnet, ftrömt ißre Gebärde mitunter
faft ins Barocke über; wo fie aquarelliert oder auf Glas malt, erfeßöpft fie auf ißre
HIeife jede Möglichkeit eines gerechten und beträchtlichen Anfprucßs. Das Problema-
tifeße beginnt bei der Ölmalerei. Es ift woßl unmöglich, das Mittel der Ölmalerei in
der Fjand beßalten, oßne die differenzierten und über die Maßen gefeßmeidigen Evolu-
tionen, die von diefem fpröden Mittel fpezififcß dargeboten werden, wirklich zu voll-
ziehen. Ölmalerei enthält das Axiom des Malerifcßen. Hlird etwas anderes gewollt
als das Malerifcße, ein Meßr, fo wird das Mittel gewecßfelt werden müffen. Öl-
malerei ift Renaiffance. Ölmalerei ift Scßönßeit der Pafte. Ölmalerei ift eine ßeidnifeße
Freude im Atelier. 3wifcßen dem Illuftrativen und einem gleicßfam mittellofen Malen
der Scßöpfung liegt der Bereich der Cempera und des Fresko, woßl auch der Glas-

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