Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Brosch, L.: Venedigs XIII. Internationale Kunstausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0531

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Venedigs XIII. Internationale Kunftausftellung
Von L. BROSCH

Wenn wir mit Deut[d)land beginnen, müffen wir feftftellen, daß diesmal ßauptfäcßlid)
Berlin zu Klorte kommt. München, das in den Vorkriegsjahren oft und ftark durch die
alte Sezeffion vertreten war, wurde heuer bewußt übergangen. In Berlin wäre jetzt, fo
denkt man hier, auch die deutfche Kunft nach politiph-wirtfchaftlichem Mufter zentralifiert. Daß
das nicht der Fall ift, zeigt diefe zwar ßod)intereffante, doch etwas einfeitig orientierte Kunp-
fammlung Deutfdpands. Sie fteßt gleich den anderen Nationen ßauptfäcßlid) im 3eichen der
Sonderausftellungen. Solche peht man von Max Liebermann, Corinth, Slevogt, Ernft
Barlacß, Kokofdjka. Fjeiß umftritten und völlig neu für Italien ift natürlich der letztgenannte.
Einige fehen in feiner Kunft bloß den äußerften Ciefftand äphetifcher Degeneration, fo daß jeder
vernünftige Menfd) erft im franzöpfchen Pavillon wieder zur Befinnung kommt. Crotz allem wird
Kokofdjka aud) verbanden. Er fud)t nicht die CUiedergabe des herkömmlich-Verbrauchten, fon-
dern das Merkwürdig-Cragifche im Menfchen, das uns ja tagtäglich auf der Straße begegnet. In
Kokofd)ka fteckt viel mehr Natur als meift angenommen wird. Hm deutlichen zeigen dies feine
Lithographien, die den Befdjauer oft förmlich beunruhigen mit ihrer grauenhaften Lebendigkeit.
Liebermann ergreift durch feine ungeheuere Hrbeitskraft, Corinth durch das erftaunliche Cempera-
ment, das auch in diefem Milieu unerhört anregt und international als eine der wichtigften Cat-
fachen empfunden wird, ähnlich wie man Slevogts Bedeutung nicht verkennt, der trotz fcheinbarer
Flüchtigkeit feft auf beiden Beinen fteht. Von ihm fieht man u. a. das berühmte Bildnis des
Sängers D’Hndrade, das immer eine der fchönften, je gemalten Bühnenimpreffionen bleiben
wird und nicht zu vergeffen auch feine tollkühnen Lithographien. In anderer Richtung bewegt
fleh Barlach. Keiner vor oder nach ihm hat die verkommene ruffifche Bettlerin und Säuferin, wie
auch gewiffe biblifche Szenen, fo überzeugend dargeftellt. Seltfam die merkwürdige haarige
Cechnik der 3ei<hnung. Von Barlach peht man aa<h die bekannte Büfte der Cilla Durieux. Gut
vertreten pnd ferner heckel, Pechftein, Purrmann, Großmann und die Kollwifj- Neben den Bild-
hauern Hlbiker, fjaller, Gg. Kolbe, ttlrba befindet fich auch Lehmbruck f mit feinen pguralen,
edlen Rhythmen, und endlich der Münchner Edwin Scharff mit einigen ftarken, charaktervollen
Büften, die pd) auch hier im Lande Donatellos fehen laffen können. Schade, daß nicht auch eine
Probe feiner lebensgroßen Hktpguren zu fehen ift, die in ihrer typifch-freien Hrt eigentlich den
Ruf diefes Bildhauers begründeten. Der Vollftändigkeit halber feien noch die im Kriege ge-
fallenen Münchner öUeisgerber und Franz Marc erwähnt, obgleich pe fo dürftig vertreten ßnd,
daß man pe ebenfogut miffen könnte, und fchließlid) Carl Cafpar mit zwei Lithographien in Er-
mangelung feiner religiöfen Bilder, die auch hier intereffiert hätten, da in Italien die kirchliche
Kunft erft recht noch in ärgfter akademifcher Richtung befangen ift.
Die Ungarn haben ihre alte Energie bewahrt: National gepnnt ift auch ihre Kunft. Benczür
bringt ein Porträt des Grafen Ferd. 3id)y; Körösföi den Entwurf eines Rackoczi - Freskos;
3ädor das alte königliche Palais in Pozfony; die Bildhauerin Elife Esseö zeigt eine traurig be-
wegte Gruppe: „Gott fd)ütze Ungarn“. Hußerdem zahlreiche vielverheißende jüngere Kräfte wie
Vafzary, Czencz, Rudnay. Unter diefer vielfach bunten Gefellfchaft fehen wir auch den alten
Munkäcfy voll anziehender Malpoepe; hier wäre noch der gute Fjollofy feligen Münchner An-
gedenkens zu nennen.
Öperreich ift nur fcbwach durch vier Künßler vertreten, und zwar: Karl Moll, tüiegele, Hn-
derfen und Hnton Kolig. — 3U den Öperreichern zählen wir aber noch Egger-Lienz, welcher in
der Vollkraft feines Schaffens mit nicht weniger als 33 Bildern erfchienen ift, die alle überaus
herb, park und pegreid) wirken.
3u den „Siegerpaaten“ übergehend, müpen wir tatfächlid) Frankreich an erper Stelle nennen,
obgleich auch diefes Land mit zuviel Sonderauspellungen aufwartet. Solche haben Maurice Denis,
Guerin, Pierre Bonnard, Ouvre, Naudin und Bernard. Den pärkßen Eindruck machen jedenfalls
die 54 Bilder von Denis, den die Italiener als einen modernen Giotto feiern, was allerdings auf
diefen in Kompoßtion und Farbe allzu rafpnierten Äßhetiker nicht zutrifft. Doch einige religiöfe
Bilder pnd ganz vortrefflich und mit viel Liebe und Innigkeit ausgeführt, fo befonders die Jungfrau
im Blumengarten und der hl- Sebaßian. Bernard und Guerin find wie alle Franzofen gute Hkt-
zeichner und gefchmadkvolle Koloripen. Unvergleichlich feltfam berührt jedenfalls die Catfache,
509
 
Annotationen