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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 14
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Welti, Jakob Rudolf: Schweizer Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0630

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Schweizer Kunftbrief

Von J. WELT1

ährend die Abfatjmöglicbkeiten der Maler, Bildbauer und Grapbiker in unferem Lande


nod) immer in bedrohlicher Nähe des Nullpunktes fteben, die Architekten über mangelnde

V ▼ Arbeit klagen, Kunftmarkt und Antiquitätenbandei faft ganz ftillfteben und das in der
Schweiz ja nie ftark ins Gewicht fallende Auktionswefen nur feiten fid) regt, bleibt es einzig den
Ausheilungen überladen, den Kontakt der Künftlerfcbaft mit dem Publikum aufrecht zu erhalten. —
Die urnfaffendfte Schau fcbweizerifcben Kunftfcbaffens, zugleich eia Novum auf ihrem Gebiet, war
die vor kurzem beendete erfte nationale Ausftellung für angewandte Kunft in Laufanne,
organifiert vom weftfcbweizerifcben »Oeuvre“ und deffen deutfchfchweizerifchem Genoffen, dem
„tüerkbund“. Sonderausftellungen der beiden Vereinigungen hatten fd)on früher ftattgefunden,
ein 3ufammenfpannen der Kräfte von Deutfcb und tilelfd) zu gemeinfamer Cat auf kunftgewerb-
lichem Boden brad)te Laufanne zum erftenmal. ttler die kulturellen Verfcbiedenbeiten der beiden
Kontrahenten in Betracht zog, die trotj jahrhundertelanger, getreuer Bruderfcbaft weiterbeftehen,
der konnte mit ziemlicher Sicherheit vorausfagen, daß die Laufanner Ausftellung das Produkt
eines Kompromiffes fein werde, und die Catfachen haben diefer Annahme auch recht gegeben.
Bei diefem Kompromiß war der für unfer Empfinden leidtragende Ceil die deutfcbe oder wie man
im tüelfd)Iand lieber hört alemannifcbe Schweiz, was vor allem mit dem Ort der Veranftaltung
als einer welfcben Stadt zufammenbängt. die hier nun das weftfcbweizerifcbe Element in den
Vordergrund trat, hätte natürlich umgekehrt die tüal)l eines deutfcbfpracbigen 3entrums, z. B.
3üricbs, das Übergewicht in der Repräfentation auf die alemannifcbe Seite geneigt; derartige
regionale Einflüffe find in einem mebrfpracbigen Lande kaum zu verwifcben.
So fehlten denn in Laufanne trotj angeftrengter ttlerbetätigkeit des „ttlerkbundes“ zahlreiche
nabmbafte Kunftgewerbler der deutfcben Schweiz, die vielfach von vornherein eine Beteiligung
ablehnten, da ihnen weder die 3ufammenfetjung der nicht von den Künftlern felbft gewählten
Jury, noch die nach dem Muftermeffefyftem mit Pla^geldanforderungen aufrückende Organifation
der Schau bebagte. Crotj feiner unvollftändigen Vertretung beftand aber das deutfcbfcbweizerifcbe
Kunftgewerbe neben dem welfcben, das binficbtlid) der wirklich künftlerifchen Qualität viel zu
wenig ftreng gefiebt war, nicht nur in allen Ehren, fondern zeigte fid) in der Durchführung des ttlerk-
gedankens viel ftrenger, einheitlicher und zielbewußter als das gelegentlich etwas oberflächlich-
fpielerifcbe, die 3weökform nur zu oft ob dem äußerlichen Schein vergeffende welfcbe kunftge-
werbliche Element, ttläbrend auf den Gebieten der angewandten Graphik, der Keramik, der
Stickerei beiderfeitig Bemerkenswertes gezeigt wurde, das eine erfreuliche Entwicklung verfpricht,
klaffte der angedeutete Gegenfajj im allgemeinen befonders ftark bei den 3iuimereinrichtungen.
PJier Form gewordenes fachlich ftrenges Denken, das in feiner Ehrlichkeit oft faft zu nüchtern wirkt,
aber mit allen Mitteln dem 3wedc zu dienen fid) anftrengt, und auf einen praktifchen, eigenen
Stil bedacht ift, dort ein unabgeklärtes, vielfach wabllofes Spielen mit den verfcbiedenften biftorifcben
Stilen, ein Prunken mit Äußerlichkeiten, mit einer Eleganz, die wenig in unfere 3ßit paßt. —
Aus diefer Gegenüberftellung darf aber keineswegs die Auffaffung abgeleitet werden, als ob der
deutfchfcbweizerifcbe tüerkbund und feine Crabanten allen Cüünfcben bereits gerecht würden.
Nod) bleibt vieles übrig zu tun: auch hier eine ftrengere Sichtung der Reihen, ein endgültiges
Ausmerzen aller dilettantierenden Mitläufer und die Konzentration auf eine kunftgewerblicbe Ar-
beit, die nicht nur einzelnen Kreifen, fondern der Allgemeinheit zugute kommt.
Als Ganzes hat die Laufanner Ausftellung enttäufcbt und vor allem das eine deutlich bewiefen,
daß wir in der Schweiz nod) weit entfernt von einem nationalen Kunftgewerbe find, das heißt
von einem Kunftgewerbe, das bei aller wünfd)baren Eigenart der verfcbiedenen Stämme doch
feine Begebungen auf einen einheitlichen tüerkgedanken zu konzentrieren verftebt.
3u Ehren Albert CQeltis, des unvergeffenen 3ürid)er Romantikers, deffen Name und Kunft
bekanntlich vor allem mit München für immer verbunden bleibt, veranftaltete das 3ürid)er
Kunftbaus eine reizvolle Gedäd)tnisausftellung, deren Eröffnung mit dem 10jährigenCodes-
tag (7. Juni) des liebenswerten Meifters zufammenfiel. Der Sohn des Coten und deffen befter
Freund, Ernft Kreidolf, hatten die Mappen des Nad)laffes gefid)tet und bahnten einer großen An-
zahl Studien und Entwürfen den tüeg in die Öffentlichkeit. Diefe Arbeiten offenbarten nicht nur
den ganzen Reichtum an „inneren Geflehten“ des allzufrüh Verdorbenen, fondern gaben auch neue
wertvolle Auffcblüfje über den Maler CCIelti, der in Paftellfkizzen gelegentlich mit einfachften
Mitteln ttlirkungen und Stimmungen erzielte, wie Jle feine altmeifterlid) forgfältig ausgeführten

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