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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 17
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Basler, Adolphe: Pariser Kunstsommer
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0742

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erwachte die Reaktion gegen die äußerfte Afymetrie des Rokoko eines Meiffonnier
und Oppenordt. tüenn wir die Regelmäßigkeit ä la greque in den Gelaufen auf-
treten feßen, die Vertikale und horizontale die Nücßternßeit der Proßle kennzeicßnet,
die ficß 30 Jaßre fpäter in den für Marie Antoinette angefertigten Möbeln wiederfindet,
fo ift diefe Stilwendung auf die Marquife von Pompadour zurückzufüßren, die des aus-
fcßweifenden Laub- und Mufcßelwerks müde geworden war. Die Nacßfolger und Nacß-
aßmer Leleus, Bennemans und Martin Carliers ßaben ficß bis zu derart pßantaftifcßen
Extravaganzen verwiegen, daß eine Rückkeßr zur Logik, zur Klarßeit und einer gefunden
Einfacßßeit notwendig und von der Vorfeßung gewollt fcßien. Die Pompadour kam alfo
zu ißrer 3eit. mir braucßen daraus nicßt zu fcßließen, daß den Cuilerien und der
Compiegne eine künftlerifcße Favoritin feßlte, gewiß aber ßat Madame de Montijo ißre
Mifßon, die die Künftler jener 3ert von ißr ßätten erwarten können, nicßt erfüllt.
Auf die von Blancße, Koecßlin und Lßote organißerte Ausftellung „hundert Jaßre
Malerei“ folgte eine zweite bei Paul Rofenberg, die wieder zu einem neuen Criumpß
Corots wurde. Sein 1875 entftandenes „Bassin de Pecße de Dunkerque“ wurde der
Gegenftand größter Bewunderung unzäßliger Künftler und Liebßaber, diefes tüunder
ewiger Jugend, das zugleicß die lüerte der Alten und den Reiz des jungen, den
Imprefßonismus vorßeraßnenden Neueres vereint. Die Auswaßl der ßier zufammen-
geftellten größten Meifterwerke war erftaunlicß. Neben 14 Corots waren erftklafßge
Bilder von Cezanne, Delacroix, Manet, Renoir, Sisley, Üouloufe-Lautrec und Fjenri
Rouffeau zu feßen.
Diefes Beifpiel Paul Rofenbergs verfucßte die Galerie Bernßeim Jeune in einer Aus-
ftellung nacßzuaßmen, die ißre Auswaßl bis zu Matiffe und Derain zog und außerdem
einige hauptwerke Daumiers bracßte.
Die Galerie La Licorne zeigte eine Andre Lßote Ausftellung. Diefer äußerft intelli-
gente Kunftfcßriftfteller ift unglücklicßerweife ein ebenfo mittelmäßiger Maler. Er be-
müßt ßcß, gute Bilder zu fabrizieren, alle geiftreicßen neuen Gefetje anzuneßmen, feine
kubiftifcßen und nicßtkubiftifcßen Freunde auszulegen und zu verteidigen, er felbft
aber bleibt nur ein gefcßickter Aquarellift. Es ift fcßade, foviel vergeudete Kraft zu
feßen. Lßote ßat fcßon verfucßt, üüerke der Louvre-Meifter in Kuben aufzulöfen, in
die Gefolgfcßaß Picaffos eßrerbietig zu treten. Aber trofe feiner Begeifterung für
Picaffo und den Kubismus wird er von den Kubißen nicßt meßr beacßtet als von
Derain. Diefen ßat er als „den größten lebenden franzößfcßen Maler“ verkündet und
ißm die Vaterfcßaft diefes Neoakademismus zugefcßrieben, der aus den fo wenig
autßentifcßen und in der hauptfacße von ißm felbft gefüßrten Intrepretationen Davids
ßervorgegangen ift. Übermäßige Intelligenz ßat Lßote irre gefüßrt.
Mit größerem Vergnügen ßabe icß die Ausftellung von Gimmi betracßtet, der trotj
übertriebener Stiltendenzen Offenßeit und Frifcße nicßt vollftändig verloren ßat. Seine
Kunft beßerrfcßt geiftige Klarßeit und vorneßme Art, fein malerifcßes Ualent zeigt pcß
in einer fcßönen, oft köftlicßen Materie und in einem ausgefprocßenen Gefüßl für
elegante, rßytßmifcß-geordnete Proportionen. Einzig ftärkere unmittelbare Berüßrung
mit der Natur feßlt Gimmi, fein ftiliftifcßes Bemüßen läßt ißn mancßmal die gleicßen
Abwege geßen wie Picaffo.
Der Gimmi-Ausftellung folgten in der Galerie (Ueill Arbeiten von Kayfer, der ßeute
als einer der beften modernen franzößfcßen Grapßiker angefeßen wird, ttlirklicß be-
ftätigt ißn fein radiertes ttlerk als einen Meifter von feßr ßoßer Kultur. Mit Aus-
naßme einiger Bilder im Salon d’Automne ßat er bisßer feßr feiten Gemälde ge-
zeigt. Obgleicß im Spielraum der modernen Bewegung gemalt, zeicßnen pcß diefe
Arbeiten Kay fers durcß feltfamen Ariftokratismus aus, der befonders in dem von
Leben überßießenden herbftfalon ungewößnlicß anmutete. In der Galerie RIeill wirken
diefe Bilder feßr viel ungezwungener, pe ließen das Studium alter Meifter und
die Leidenfcßaß eines befcßeidenen, aber gewiffenßaßen Scßöpfers klar erkennen.
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