Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

DOI Heft:
Heft 18
DOI Artikel:
Roger-Marx, Claude: Ein Maler-Trio: Jean Marchand - Dunoyer de Segonzac - Luc-Albert Moreau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0769
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein Maler-Trio

Von CLAUDE ROGER MARX
Mit 6 Abbildungen auf 3 Tafeln

Jean Marchand — Dunoyer de Segonzac — LuoÄlbert Moreau

e Drei find zwifcßen 1882 und 1884 geboren, durd) aufrichtige Freundfd)aft mit-


einander verbunden; obwohl verfcßieden nach Kultur, Urfprung und Temperament

A [teilten fie Seite an Seite bei den Unabhängigen, im Fjerbftfalon und in denfelben
Galerien (Marfeille, Barbazanges, Druet, Bernheim) aus. Sie haben gemeinfam die gleichen
Krifen durchgemacht und fowohl Marchand, Segonzac wie Moreau haben einen Vorzug
Moralifche fjaltung, Gradßeit und Stolz. Die franzöfifche Kunft macht — was ein-
mal feftgeftellt werden muß — feit zehn Jahren eine Periode voll innerer Unruhe durd)
Äuf dem Parifer Kunftmarkt (was id) ausdrücklich betone) machen [ich verdächtige
Spekulanten breit, die mit Fjilfe einer fd)windelhaften Reklame [ich in falfchem Ruhm
aufblähen und jeden Maßftab entftellen. Sowohl in Frankreich wie im Äuslande hat fid)
mehr als einer von ihnen gefangen nehmen laßen. Die Revifion hat fid) inzwifchen durd) fid)
felbft vollzogen, und in einem Stadium größerer Ruße feßen wir faft täglich bis zum
Überdruß eine Maske fallen und manchen entlarvten Maler fein wahres Geficßt fucßen.
Einerlei, ob Segonzac, Marchand und Moreau beftimmt find, eine führende Rolle
zu fpielen, Catfache ift, daß alle Drei, weit entfernt ißre Perfönlicßkeit zu verleugnen,
feit ißrem Auftreten niemals Lügen geftraft worden find. Die Merke, die diefe Maler,
die fid) mit gutem Gewiffen dem öffentlichen Urteil unterwarfen, etwa 1910 gefcßaffen,
können, was ein unfehlbares Kriterium ift, würdig neben ißren lebten Arbeiten be-
fteßen. Ißre Entwicklung vollzog fid), getragen von einem foliden Temperament, in
engem gegenfeitigen Kontakt und in ftetem Ringen nacß Vertiefung. Ißre Arbeit hatte
— vielleicht meßr bei den anderen als bei Segonzac — Syftem und jenen Dogmatis-
mus, den ißre minderbegabten Genoffen fo oft, feßr zu ißrem Schaden, verleugnen zu
können glauben. Sie waren zu ftark auf die Überlieferung eingeftellt (dies Mort in
feinem beften Sinne verbanden), als daß fie mit ißr hätten brechen wollen. Scßon er-
kennt man heute langfam, in wieweit Jean Marchand einen Corot fortfetjt und wo fiel)
L.-A. Moreau mit den Venezianern und Delacroix berührt und die kaum wegzuleug-
nende Verwandtfcßaft, die zwifeßen Dunoyer de Segonzac und Courbet offenbar wird
Alle Drei von wahrhaft franzöfifeßem Geifte befeelte Künftler, der nad) Ordnung und
Klarßeit ftrebt, empfinden es als Notwendigkeit, mit der Natur in Takt zu bleiben, deren
Ärmlichkeit foviel kleinere Theoretiker geräufcßvoll proklamierten. Alle Drei waren
3eicßner, bevor fie Maler wurden und find heute ebenfo ftark in der 3eid)nung wie
in der Farbe.
Marchand ift woßl zu ftolz, um die Sympathie zu erzwingen, er will, daß man zu
ißm komme, er enthüllt nicht fein Fjerz, felbft auf die Gefaßr hin, daß man ißm den
Vorwurf der Selbftüberßebung mache. In feinen Augen verringert jede Veräußerlichung
den inneren Mert der Dinge, deshalb find feine Merke feiten heiter geftimmt, ißre
Schönheit bedingen Scham, Adel und eine gewiffe Refignation. Schweigend und ein-
fam geht er auf einem ßeßeren und klaren Mege voran. Selbft wenn er mit hartem
Pinfel die Facetten der Gläfer und Karaffen malt, die Kanten des Blattwerkes umreißt
oder den geometrifeßen Aufriß gewiffer Perfpektiven zeießnerifeh feftßält, immer offen-
bart fid) derfelbe Mille: Bewußter Aufbau der Kompoßtion, Betonen der leichten Kon-
trafte und Bewältigung der gewößnlicßften und einfaeßften Themen. Mag an fiel) die
Spannung auch außergewöhnlich fein, ißre Abficßten find eeßt. ßeute, wo ficß Marchand
im Vollbeßö feiner Kräfte und naße le^ter Reife empfindet, bepfet er die Einheitlich-
keit der Infpiration, die ganz aus dem Vollen feßöpft. Man foll ißm nid)t eine ge-
wiffe fjärte vorwerfen, die das befte Kennzeichen feiner Kunft ift, felbft in den lieb-
licßften Gegenden bei Yvelines, Ceret und Vence bewahrt er ficß jenen Ernft, den

Der Cicerone, XIV. Jaljrg., Qeft 18

37

747
 
Annotationen