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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 18
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0789

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Sammlungen
Die Neuordnung des Erfurter
Mufeums
Hm 25. Juni vormittags 11 Kbr fand vor ge-
ladenen Gäften die feierliche Eröffnung der neu-
geordneten mittelalterlichen Sammlung im Erd-
gefcboß des Städtifcben Mufeums ftatt. Eine
besondere Überrafdjung bot dabei felbft für die
meiften Eingeweihten die wiedererftandene große
Barock-Halle der alten „Stadt-Klage“: bisher
durch Einbauten undBrettervorfchläge in einzelne
kleinere Räume unterteilt, ift fie nunmehr wieder
freigelegt worden und kommt in ihrer alten
architektonifchen Größe zu voller Geltung. Die
„Große Halle“, die jeljt wieder wie einft den
3entralraum des Hauptgebäudes bildet, wird
durch eine Reihe wuchtiger Pfeiler in 2 Schiffe
geteilt, die von mächtigen Gratgewölben über-
fpannt find. Bei der Reftauration wurden an den
beiden mittleren Pfeilern zwei große, ftark pla-
ftifcb herausgearbeitete Klappen mit alter Be-
malung freigelegt. So bot die Halle zugleich den
würdigften Rahmen für die Einweihungsfeier-
lichkeit felbft, zu der fiel) unter anderen die
Spitjen der Behörden und ein Vertreter des
preußifchen Kultusminifteriums eingefunden hat-
ten. Es fpracben: Mufeumsdirektor Dr. Käsbach,
deffen Initiative und Catkraft das Gelingen des
Klerkes in erfter Linie zu danken ift, Oberbürger-
meifter Dr. Mann und als Vertreter des Kultus-
minifters Regierungsrat Dr. Gail, der betonte,
daß Erfurt nunmehr mit feinem Mufeum an
der Spitje der preußifchen Provinzftädte ftehe,
wenn man von einigen Städten des Rheinlandes
abfähe, die von privater Seite in einzigartiger
Kleife unterftüfet würden. ömrabmt wurden diefe
Reden von Chören aus Badjfchen Kantaten, aus-
geführt vom Chor der Erfurter Bachgemeinde
und Mitgliedern des Cbüringifcben Landeskon-
fervatoriums, die in dem alten Raum wunder-
voll zur Klirkung kamen.
Die Hufftellung der Kunftwerke darf durchweg
als muftergültig bezeichnet werden. In der „Großen
Halle“ felbft find die gefamten Skulpturen und
Gemälde aus dem 15. und 16. Jahrhundert unter-
gebracht, zum größten Ceil an den Kländen,
zum kleineren auf Podeften zwifeben den Pfeilern.
Hier fteben die koftbarften Klerke der Spätgotik
wie die Stein-Madonna aus der Futterftraße vom

Anfang des 15. und der Michael der Stoß-Schule,
die Gruppe des Hpoftels mit der zufammenge-
funkenen Maria und der Schnigaltar aus der
Otbimarskircbe zu Naumburg vom Beginn des
16. Jahrhunderts. An der Fenfterwand nach dem
Hof zu hat unter anderem die intereffante Reihe
der fpäteren Vefperbilder aus Erfurt und Um-
gebung (von 1470—1510) Aufteilung gefunden.
Ausgezeichnet ift auch die farbige Klirkung des
Raumes: Pfeiler und Klände in gehöhtem Stein-
ton hellgelb, die Gewölbe in ganz lichtem, fchwe-
bendem Blau gehalten. Der übrige Keil der mittel-
alterlichen Sammlung ift in kleineren Räumen
untergebracht, die unmittelbar an die große
Halle anfchüeßen. Der Cranach-Raum, ganz in
hellem Grün getönt, beherbergt die herrliche
„Heilige Nacht“, einige Klerkftattbilder fowie
einige Stücke ausgewählter Kleinplaftik der
gleichen 3eit. Von der künftlerifcben und kultu-
rellen Blüte Erfurts im 14. Jahrhundert künden
zwei weitere Räume. Den einen, fcblicbt weiß
geftricbenen, füllen die Refte der Ausftattung
des alten Rathausfaales; Se£>fcbilde, Rundbilder,
Spitjwappen und das feltene Leuchterweibchen,
die zu prachtvoll-dekorativer Klirkung kommen.
In ftarkem Kontraft dazu fteht der letzte Raum,
der Skulpturen und Gemälde des 14. Jahrhunderts
vereinigt, die fid) wundervoll von dem tiefen,
mildleuchtenden Rot der Klände abheben. Hier
fanden unter anderem Hufftellung: von Skulp-
turen die arebaifdb gebundene Magdalena vom
Ausgang des 13. Jahrhunderts, die Figuren vom
Portal der Prediger-Kirche (um 1350), die Bal-
dachin-Madonna aus der Hofpitalkirche, die
große Kreuzigungsgruppe aus Klalfdjleben, die
Pieta aus der Klerkftatt des Severi-Meifters und
einige kleinere Arbeiten von meift hohem
Rang; von Malereien: die Cafeln aus der
Äugujtinerkircbe (um 1350) und Glasmalereien
aus dem Dom, aus der gleichen 3eit ftammend.
Von der „Großen Halle“ gelangt man auf den
Hof, deffen eintöniges Grau durch reizvolle gärt-
nerifebe Anlagen belebt wird. In der Mitte er-
hebt fich der alte Brunnen aus dem Peterskloßer,
feitlid) wurde eine Barockgruppe aus dem Innern
der Stadt aufgeftellt. Das Ganze bildet die Über-
leitung zum Hintergebäude, das die Räume des
Kunftvereins enthält, in denen zur 3eit eine Aus-
heilung von Kunftwerken aus Erfurter Privat-
befi& vorbereitet wird. p.

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