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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 19
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Rohde, Alfred: Schmiedeeiserne Gitter des Mittelalters und der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0799

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Scßmiedeeiferne Gitter des Mittelalters

Von ALFRED ROHDE~Hamburg
Mit acht Abbildungen auf vier Tafeln

und der


In der Gefcßicßte des deulfcßen Scßmiedeeifens1 bildet die Renaiffance einen Abfcßluß,
erft mit dem 18. Jahrhundert fetß ein neues Geftaltungsprinzip ein, deffen Urfprung in
Frankreid) liegt. Das arcßitektonifcße Prinzip tritt erft jetß bewußt in Deutfcßland
an [teile des rein dekorativen, das die franzöfifche Scßmiedekunft eigentlich kaum ge-
kannt hat.
In der fpätromanifch-frühgotifcßen Schmiedekunft (Beifpiele in Lüttich und Paris!
war das äußerfte der zugrunde liegenden üecßnik erreicht worden. Eine Steigerung
über das „Parifer Ueufelswerk“ hinaus war nur möglich durch eine neue Uecßnik,
Diefe teeßnifeßen Fortfehritte, die damals gleichfam in der Luft lagen, kamen zur rechten
3eit: das Schmieden in Gefenken — in Paris vielleicht fd)on geübt — und die kalte
Nietung, die die Umgehung mühevoller Schweißung bedeutete; damit konnten die
Dimenfionen waeßfen. Die mit diefen teeßnifeßen Neuerungen eingetretene Umwälzung
auf dem Gebiete des Scßmiedeeifens ift die größte, die diefe in ißrem ßiftorifeßen
Verlauf je erlebt hat, fie begründet die hervorragende Bedeutung, die diefes Material
feit der Gotik gehabt hat.
Befonders in Frankreich fteßt die Scßmiedekunft in engftem 3ufammenßang mit der
Architektur. Ein Schloß, wie das der Sammlung Figdor, Ulien (Äbb. 1), wirkt im
kleinen wie eine gotifeße Faffade und ift fo feßr aufgelöft in feine Architektonik, daß
feine 3 wec^fr Kimmung ganz verfteckt ift. Als Meifterftück, beftimmt dureß die Sta-
tuten, die Karl der VI. gab, ßat diefer Scßloßtypus in Frankreich — konfervativ wie
das Material nun einmal ift — lange fortgelebt, wenn auch die Formgebung der figür-
lichen 3ierra*e und mancher Einzelheiten [ich freilich der wecßfelnden Mode nicht ganz
entziehen konnte.
In Deutfcßland geßt man feßon in der Gotik zur dekorativen Fläcßenaufteilung im
Scßmiedeeifen über. Selbft da, wo die Formgefeßgebung der gotifeßen Baufcßulen
nacßzuwirken feßeint, ift das Fläcßenßafte der Kompoßtion nicht ganz unterdrückt
(Abb. 2, Sakramentsßausgitter im Mufeum für Kunft und Gewerbe, Fjamburg). Aucß
die Diagonalteilung ift unarcßitektonifcß und ße gerade ift ein wefentlicßer Formfaktor
deutfeßer Gitter des 14. und 15. Jaßrßunderts (Abb. 5, Schreingitter der Älarburger
Elifabetßkircße, Abb. 3, Gericßtsgitter von Meifter Francke, 1424, Fjamburg, Kunftßalle).
Faß textilartig wirkt in feiner Außeilung feßon das Gittertor in der Seitenkapelle der
St. Ulricßskircße zu Augsburg von 1474 (Abb. 4). Die dekorativ behandelte Fläche
ift zwifeßen fcßmalen Langftreifen brokatartig gefüllt mit einer Mufterung, wie wir fie
bei Seidengeweben der 3^it ßnden.
In der 3^it um 1500 tritt zu diefen Gruppen gotifeßen Scßmiedeeifens eine neue,
meßr naturaliftifcße Form: der Aftftab, in ißr liegt für die Uecßnik der Übergang zum
Rundftab. Das Portalgitter von Fjall in Uirol (Abb, 6) zeigt Ranken von Aftwerk mit
knotigen Anfäijen, die die Fläcße ebenfalls wieder dekorativ füllen. Die formalen Vor-
bedingungen für den kommenden Rundftab ßnd hier feßon gegeben, wenngleich die
Stäbe dort, wo ße ßcß kreuzen, noeß aneinander vorbeigefüßrt und nicht durcßgeßeckt
werden. Man mag aber damals feßon die Vorzüge des Rundftabes im Gegenfaß zum
kantigen Stab, der immerhin nur einen ärmlichen Formreicßtum geftattete, kennen ge-
1 Der Verfaffer diefes Beitrages ßat foeben Brünings bekanntes Buch unter dem Eitel „Die
Schmiedekunft feit dem Ende der Renaiffance“, das feit langem vergriffen war (Mono-
graphien des Kunßgewerbes Bd. 13) neu bearbeitet. Diefer Band erfeßeint mit 180 Abbildungen in
den näcßßen ülocßen bei Klinkßardt & Biermann, Leipzig.
Der Cicerone. XIV. Jabrg., peft 19 39 777
 
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