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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 22
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Der Graphiksammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0921

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5 a n d z e i d) n u n g e n von Otto Lange
Mit vier Abbildungen auf zwei Tafeln und einer Textabbildung Von WILL GROHMANN
Künftler von einseitiger 3ielftrebigkeit jammern fid) rafd) und nachdrücklich dem
Bewußtfein ihrer 3eitgenoffen ein. Sie profitieren von der beftreitbaren Ojefe,
daß die jeweilige Kunft das 3iel, das eine 3iel beftirnmt. Jede Angleichung er-
fcßeint als Refultat, als Eroberung. UIo der Künftler feine Sadje auf pd) felbft ftellt,
ift CUeg und 3iel vielgeftaltig, weniger eindeutig, für die vielen darum weniger glaub-
haft. Überzeugt pnd ße nieift erft am Ende des (üeges, wenn die Überßd)t die Klar-
heit einer Vogelperfpektive gibt.
Der Dresdner Otto Lange verdankt diefer 'Catfad)e feine Unbekanntheit. Äb und
zu taucht er in 3eitfcl)rißen mit einem Holzfd)nitt oder einem Klifchee auf, ßart-
laub reproduziert in feinem Buch ».Kunft und Religion“ den berühmt gewordenen
Chriftuskopf, ein Mufeumsleiter, ein Verlag intereffieren fid) für ihn, er hat Aufträge
befonders kirchlicher Art, macht in Dresden den einzigen El)renfd)rein für Gefallene,
der den Sinn diefer Cragödie nicht verleugnet, er ift eine 3eitlang Lehrer an einer
Kunftgewerbefd)ule, er kann eigentlich alles, fogar modellieren und bauen -— aber ge-
rade diefe Vielfeitigkeit ift fchuld daran, daß fid) mit feinem Namen noch keine ent-
fcpiedene Vorftellung verbindet.
Graphikfarnmler kennen ihn im Gefolge der Brücke. Er ift nid)t viel jünger als ihre
Gründer, aber in den entfd)eidenden Jahren arbeitete Lange noch auf dem Bau und
blieb um ein paar Pferdelängen zurück. 3^ei Jahrzehnte faft war er Handwerker; er
verlor dabei 3eit, gewann dafür eine heute feltene Beherrfchung aller ted)nifd)en Mög-
lichkeiten. Epigone der Brückeleute wurde er nicht trotj verwandter Formulierung;
der Formel blieb er ferner als mancher der heute Arrivierten. Die Formel aber wurde
gerade in den lebten Jahren gern gefehen und hoch notiert. Starkfarbige Holzfd)nitte
diefer 3eit, handwerkliche Kunftftücke, find heute noch fehr gefud)t. Als die Dresdner
Sezeffion gegründet wurde (1919), junge üalente aus allen Gegenden fich zufammen-
fchloffen, der Ruffe Lafar Segall unter ihnen, wurde Otto Lange freier, wandte fich
als Graphiker bezeichnenderweife mehr als früher der Lithographie, Kaltnadelradierung
und Handzeichnung zu, und einige von feinen letten hier wiedergegebenen Skizzen
zeigen ihn in feiner heutigen Geftalt. In den Federzeichnungen, die wie die Bleiftift-
ftudien gelegentlich auf Reifen entftanden, ift ohne weiteres erkennbar, wie kein
Energieaufwand verloren geht. Diefe Blätter haben zwar mit „Brücke“ und gewalt-
tätiger Formerneuerung nichts zu tun, das Naturorganifd)e wird kaum befehdet. Hier
wird fcheinbar forglos aufgefchrieben und unbekümmert drauflosgezeichnet, nad) Herzens-
luft mußziert. Es ift beileibe nichts zurückgenommen, kein Irrtum etwa aufgegeben,
aber nach jahrelanger qui vive-Haltung darf der 3eid)ner endlich etwas läfßger fein,

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