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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 23
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0976

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Ausheilungen

pßer Kunßfchau". Der Erfolg des wirkungsvollen
Unternehmens beweiß, daß man mit dem ge-
fdpoßenen Vorgehen durchaus den richtigen ttleg
eingefcßlagen hat.
Der „Künßlcrbund“, als Vertreter der älteren
Richtung, bewegt pd) auf der Linie eines
gemäßigten Impreffionisrnus. Das gilt für Rolf
Fried man ns Baut$ener Jahrmarktsbilder und
Stadtanfidhen, die farbig zum KIeid)lid)en, um
nicht zu fagen Süßlichen, neigen, während in
den herberen Gebirgslandfchaften von Karl
Sinkwitj etwas von der krißallnen Klarheit und
Kühle der Läufiger Bergluft zu verfpüren iß. Da-
neben geht Fjanns Lindner-Löbau in feiner
Naturßiliperung, die elegifche Stimmungen in
weid)ßüf]ige Rhythmen und verdämmerndeFarb-
töne zu bannen fucßt, leicht fo weit, daß feine
Bilder unter zu großer Gleichförmigkeit leiden.
15 a n s L i 11 i g - 3ittau erfreut durch ausgefprochen
feines Empfinden für in pch gefchloffene Farben-
akkorde, die aus eng miteinander verwandten
Conen und 3wßd)entönen zufammenfließen, wie
er es in der Abenddämmerung beobachtet, wenn
es fchummrig zwifchen alten Dächern und Mauern
hängt. Paftell und Kreide find ihm deshalb will-
kommene Ausdrucksmittel. Max Langers
überaus flotte Humoresken bringen einen frifchen
Äkzent in das Gefamtbild. Engelhardt-Kyff-
häufer zeigt fich in vielerlei Gepalt und deshalb
nicht durchweg cbarakterfeß. Seine „Schlangen-
tänzerin“ und „Sirenen“ pnd zu ßark auf den
Effekt hin konßruiert. Man wird an Stuck er-
innert, vermißt aber deffen Monumentalität.
Engelhardt wirkt da groß, wo er es nicht dar-
auf anlegt, z. B. in feinen Radierungen „Die
Bettler“ und „Cotentanz“. Max Arthur Stre-
me! mutet in feinen Blumenßücken etwas zu
„gefchmackvoll“ an.
Ein frifcherer fUind weht in den Ausßellungs-
räumen der „Freien Künßlervereinigung“! Hier
iß Fritj Kurth bei weitem der Stärkfte. Sein
„Chrißus am Kreuz“ verrät eine Perfönlichkeit,
die fähig iß, eine große Idee felbftändig zu ver-
arbeiten und mit ebenfo kühnen wie pcheren
Griffen in tiefaufglühemie Farbenwelten zu ge-
ßalten, wobei leife Anklänge an Nolde zu ver-
fpüren pnd. Sein Bildnis des Domdekaris S. iß eine
pfychologifcf) und kolorißifch fein abgewogene
Leißung. Ferner müffen ein männliches Porträt
und ein Selbßbildnis von Georg Neugebauer
hervorgehoben werden, wegen der pcheren Leich-
tigkeit ihrer Cedjnik, die die Cöne, meift Heil
in Hell, in größter Lockerheit, wie fpielend an-
einanderzu fetjen liebt. Freilichtfarben, impreßio-
nißifd) erfaßt, fpielen hierbei die Hauptrolle,
während andere Künßlcr ganz auf die Farbe
an pch gcßellt find, die fo viel Eigenwert und
formbildende Kraft entwickelt, daß fie allein den
Aufbau des Bildes bewerkßellägt. Hierher ge-
hört Georg Karl Heinidee. Seine Arbeiten
pnd nod> erfüllt von Sturm und Drang und dem-
950

nad) qualitativ ungleich. Die farbenßro^enden
Aquarelle fd)äumen oft über; feine Bilder, alte
Gaffen und Hexenwinke!, ßecken voll Geheim-
nistuerei und 3auberftimmung, die durch ver-
dunkeltes Ciefrot und -grün und fpukhsft auf-
blifjendes Orange ausgelöß wird. Am ficherßcti
zeigt er pd) in feinen Holzfchnitten. Motive aus
Alt-Bauden, ein paar ßott herausgeholte Köpfe,
gehören zu den gelungenßen Arbeiten.
Im ganzen genommen bezeugt die Kunfcbau,
daß aus dem alten Kulturboden der Lauptj, wie
ehedem To auch heute noch, künßlerifd) fd)öp-
ferifche Geißer ihre Kräfte empfangen und Blüten
und Früchte zeitigen, die den großen Erntekranz
des gefamten deutfhen Kunßßhaffens würdig
bereichern. v. Cüagdorf.
Dresden
Bei Richter beßndet ßd) eine [d)öne und um-
faffende Kollektion von Alex ej v. jawlenfki;
pe umfpannt die 3eit etwa von 1909 bis zur
unmittelbaren Gegenwart, von den Anfängen
feiner ßarkfarbigen Figurenmalerei bis zu den
verinnerlichten Köpfen des letßen Jahres. Jaw-
lenfki iß keine reiche Natur in dem Sinne wie
Mund) oder Chagall; er hat, ähnlich wie Kan-
dinfky, nur eine Saite auf feinem Inßrument,
aber er verfolgt die eine Linie feines ÖLlefens mit
der ganzen 3ählgkßit und „Lebensbreite“ des
Rußen, bis er ihr dasLe|te und Feinße an Aus-
drucksmöglichkeit abgerungen hat. Nur aus diefer
eindimenßonalen Richtung feines Sd)affens iß
es zu verftehen, daß er tatfächlid) faß fed)s Jahre
mit einem Motiv gerungen hat, dem Blick aus feinem
Fenßer in Ascona, dem er eine erßaunlid)e Anzahl
von farbigen Möglichkeiten und Nuancen derVer-
einfad)ung abgewann. Diefe Periode nimmt die
Mitte ein zwifchen dem Anfang und der jetzigen
Phafe feiner Malerei, die dem menfd)Hd)en Kopfe
galten. In München, bis zum Anfang des Krieges,
fud)te er mit geßeigerten Farbenviponen von
barbarifcher fUud)t — in dem viel Volksiümlid)-
Rußifches hervorzubrechen fd)ien — fein Aus-
drucksmittel; glasfenßerbafte füirkungen, wie pe
auf ganz anderen fliegen aud) Kandinfky
Schmidt-Rottluff, He<hd> ja Nolde in jenen Jahren
erreichten, waren die Folge, eine mehr materielle
als geißige Stärke der Expreßion, der damals
in Deutfchland nicht die Schledbteßen anhingen.
Gleichwohl, pebt man diefe fd)weren, faß dro-
henden Farbenmaßen, diefe riefenmäßigen Kon-
turen von Köpfen, Augen, Schultern neben den
fublimierten Erzeugnißen feiner Gegenwart, fo
wird man eine Gemeinfamkeit des [eelifeben Aus-
gangs nicht verkennen. Die vieljährige Gedulds-
probe jener !andfd)aftlid)en „Variationen“ wies
il)m der füeg; aus diefen und zugleich mit ihren
lebten Verfeinerungen pnd die Cflerke der lebten
Jahre erwachfen. Unendliche Nuancierung einer
fein und feelifd) gewordenen Farbe und die
leifen Stufungen der abgezogenen Linien, auf
 
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