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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 1
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Alten, Wilken von: Ernesto de Fiori
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0043

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Ernefto de Fiori

Von VV. v. ALTEN j Mit sechs
Abbildungen auf zwei Tafeln

ioris Kunft entwickelt fid) in fcpöner und feltener Folgerichtigkeit. 1911 wurde er


in Paris vom Analer, der bei Greiner in Rom gelernt und fpäter unter dem Ein-

A drucke FJodlers geftanden patte, zum Bildhauer. Von pjaller beraten, offenen
Auges für Maillol, entftand die Cerrakotta „Der Kauernde“ und kurz danach „Der
Leidende“, ein Jüngling mit fchmerzlicher Gefte. Der leidende Ausdruck, die fo be-
liebte „Gotik“ der Empfindung, die fiep mit einer fummarifchen Formbehandlung ver-
bindet, mit einem CLIorte „das Expreffioniftifcpe“ diefer Figur verfcpafften ihr damals
einen rafcpen, etwas billigen Erfolg. Dem Künftler felbft hatte fid) diefes Ausdrucks-
element wie von felbft aus dem plaftifd)en Problem der Verfd)iebung der Formen, aus
dem Körpergefühl, das ihm in einer ganz unmittelbaren und urfprünglichen Stärke
eigen ift, ergeben. Fiori wird Stehen und Liegen, Schreiten, Knien und Sid)-drel)en
zum zwingenden Erlebnis feiner eigenen Körperlichkeit, daß er im Kunftwerk aus fid)
heraus projeziert. Seine Figuren pnd nie verhinderte Reliefs. Auch ftepen fie nid)t in
einer, wenn auch nur gedachten, Architekturverbindung. Sie find felbftändige und reine
Rundfiguren wie die der Antike es waren, Leben, Sinn und Maß in ihrer eigenen
Körperlichkeit tragend, keiner Ergänzung bedürftig, aud) nicht der malerifcpen des
Spiels von Lid)t und Schatten.
Für Fioris eminent etpifcpe mit fanatifd)er Energie die eigenen 3'\e\e, und nur diefe,
verfolgende Perfönlichkeit hat es wohl die Gefahr fid) mit der Anerkennung zu be-
gnügen, die dem Stil des „Leidenden“ allgemein — verdächtig allgemein — gezollt
wurde, nicht gegeben. Jedes feiner fpäteren (Uerke geht über das vorhergehende, durch
das es bedingt wird, und deffen Bedingtheit es zeigt, ohne doch feinen Eigenwert zu
vernichten, in der Problemftellung ebenfo wie in der Qualität hinaus. Jedes ift ein
Beweis von Gewiffen, eine künftlerifche Notwendigkeit.
Die Reduzierung der Form auf das tüefentlicpe, das formal Äusfcplaggebende, auf
ihren kubifcpen Gepalt, wird für Fiori zunäcpft das Problem. Bei dem 1912 ent-
ftandenen „Anaftafius“, oder der wie eine Spirale fid) drehenden „ürfula“ desfelben
Japres, oder bei dem „Cänzer“ von 1914 bleibt, trotj der Behandlung der Formen als
Einzelkuben, der organifcpe Gefamtzufammenl)ang des Körpers gewahrt, und die
äußere Sd)ematifierung durd)ftrömt inneres Leben. Gerade von diefen „kubiftifcpen“
Figuren, fcpeinbar akademifch-nücptemen Gebilden, geht ein ftarker pnnlicper Reiz aus.
Krieg und Kriegserlebniffe bedeuten nur eine äußerliche FJemmung von Fioris Ent-
wicklung. Scpon 1917 war es ihm wieder möglich, zu arbeiten. Nad) einer etwas
matten „Badenden“ entftepen Figuren, die Endgültiges bedeuten, nicht mehr als Vor-
ftufen, wenn auch intereffante, gewertet werden müffen. „Der Mann“, wie gemauert
daftepend in der Architektur feiner mächtigen wagerecpten Schultern, pocp aufatmend,
wie ein der Ciefe enttaucpender Schwimmer, voll knappen gefpannten Ausdruckes. Äb-
ftrakte Form ift pier in Leben, in das pöpere Leben der Kunft verwandelt, (Heniger
monumental, naturnäher ift der „Jüngling“, ein erfcpütternder, nicpt nur äußerlich nackter
Adam, voll ftarken Ausdruckes, der gebändigt die Form fcpwingen, aber nicpt zer-
brechen läßt.
Von blumenpafter, rührender Anmut, mit einem ganz unmittelbaren Gefüpl für den
plaftifcpen Caftreiz weiblicher Formenrundpeit geftaltet, ift die „Suchende“ von 1918.
In ihr, wie in allen Schöpfungen der Japre 1917 bis 1918, lebt etwas von der erft-
menfcplichen Stimmung des „age d’airain“ Rodins.
Eine mepr prinzipielle Auseinanderfejjung mit der Form bedeutet dann wieder das
Mädchen von 1919, dem als fcpöne Früchte die beiden ftependen Frauen, die 1920
vollendet wurden, folgen. Es find ruhige Dafeinspguren. Von einer perben tüacppeit,

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