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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 5
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Justi, Ludwig: Neu erworbene Bilder von Schnorr in der National-Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0230

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arbeitete und wonach er ftrebte. Die Quellen dafür find l)auptfäd)lid) die Briefe, die
er aus Rom an feinen Vater und einige Freunde richtete (herausgegeben von feinem
Sotm 1886). Äus den verfctnedenften Stellen diefer recht umfangreichen Sammlung
und aus einigen anderen da oder dort veröffentlichten Briefen, Vorträgen und Nieder-
fchriften ift das Nachlebende ausgezogen und in neuen 3ufammenhang gebracht. Äuf
Änführung der Seitenzahlen ift der Lesbarkeit halber verzichtet.
Schnorrs römifche Briefe geben reiche Kenntnis von dem Gun der deutfchen Künftler
in Rom, laffen uns in eine reine Seele blicken, von edelfter Gefinnung und ehrlid)ftem
Klollen, verfemen uns mit aller Lebendigkeit in den Vorftellungskreis, in das „ambiente“
der koftbaren Gemälde, die nun für des jugendlichen Meifters Kunft in der National-
Galerie zeugen, und fie enthalten viele Gedanken und Änfchauungen, die uns auch
heute beherzigenswert fcheinen. tüir wollen foldje Berührungen nicht unterftreidjen —
der aufmerkfame Lefer wird fie fchon bemerken und darum diefe Auszüge aus ver-
gilbten Briefen nicht nur mit gefd)id)tlichem Anteil hinnehmen.
Kürzlich nun wurde eines von den fo feltenen Bildern Schnorrs aus diefen frühen
römifchen Jahren für unfere Sammlung erworben, bisher unbekannt, in der kunft-
gefchid)tlichen Literatur fehlend; and) die Jahrhundert-Ausftellung hatte es nicht zu Gage
gefördert.
Im vergangenen Sommer fah ich bei einem Münchener Kunfthändler ein kleines reizen-
des Gemälde, Overbedt zugefchrieben, Bildnis einer jungen Frau in Renaiffance-
Grad)t, Guitarre fpielend (f. Abb.). Mein Eindruck war fo ftark, daß ich die Erwerbung
möglid)ft rafd) durchführte. Die 3ufd)reibung fchien mir allerdings zweifelhaft, obwohl
fie alt überliefert fein follte (die Herkunft des Bildes wurde mir nicht verraten) und von
„Kennern“ bekräftigt, einer wollte auch in der Dargeftellten durchaus die Gattin Over-
becks erkennen, obwohl fie in deffen 3eid)nungen ein viel breiteres Geficht hat. Die
Bildanlage, die Säulen hinter der Geftalt (an Schnorrs Nibelungen-Bilder erinnernd),
die Landfchaft (unferer Verkündigung ähnlich) ließen mich au Schnorr denken, aud) die
offenbare Freude am lebendigen Leben, die bei Schnorr mehr als bei den anderen
Nazarenern durch allen keufchen Ernft hindurch klingt. Ich bat daher den Kuftos am
Schloßmufeum, Profeffor Schnorr v. Carolsfeld, fid) das Bild anzufehen — er erkannte
es fofort als Ulerk feines Großvaters: „das ift Frau v. Quandt, ich habe das Aquarell
dazu, das werde ich Ihnen fd)enken“. fllenige Gage fpäter brachte er die köftliche
Studie, die nun in der Nähe des Ölbildchens hängt, das entzückendfte Blatt, das wir
von Schnorr befitjen (f. Abb.). Rafd) mit dem Stift hingefetjt, und dann mit dem Pinfel
das blumige Rot des Kleides darüber gebracht. Bezeichnet: d. 18 Febr 1820 (mit Cinte
nachgezogen) [in] de[r] ödohnung. In fpäterer Schrift: Frau von Quandt als Skizze
zur Ausführung in Oel.
Außer diefem Aquarell fcßenkteProfeffor Sd)norr nod) eineFederzeicßnung (f.Äbb.),
Frau v. Quandt in Seitenanficht, lefend, im felben Kleid, fein und frifd) gezeichnet,
mit freier Verwertung von Eindrücken Dürerfcßer Strichführung. Die Gefinnung des
Spenders ift der Anfd)auung feines Großvaters würdig, die überall aus deffen Äußerungen
über Kunftfcßaffen und Kunftpflege fprid)t.
In dem kleinen Gemälde ift die rafcße Naturftudie bildmäßig durchgeführt. Bauwerk
und eine ganz köftliche Landfchaft im Hintergrund, Gal mit Fluß, Felfen und Burgen,
feinftes Laubwerk, fo zart und fauber wie auf der Verkündigung, etwas farbiger nod),
taufrifd). Das Rot des Kleides klingt voller, als Hauptreiz der Farbigkeit. Die junge
Frau aus Sacßfen, Clara Bianca geborene Meißner — Schnorr nennt fie gewöhnlich
mit dem renaiffancehaften Namen Bianca — trägt ein raffaelifches Gewand mit weiten
gefehlten Ärmeln und paffender Kopfbedeckung, nach dem Louvre-Bildnis der Johanna
von Arragonien; die Haare find ebenfalls nach diefem Vorbild geordnet, nur die Ver-
zierungen am Hut ftimmen nicht überein, da fie hier noch nicht fertig find. Aud) die
nazarenifd)en Künftler gingen damals in befonderer „altdeutfcher“ Gracht. Quandt

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