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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 6
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Salmony, Alfred: Die Plastik des hinterindischen Kunstkreises
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0306

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politifcß fo feh>r erftarkt, daß es die Nachbarn beßerrfcßen und den Formenbepß felb-
ftändig verarbeiten kann. Im äußerften Offen wäcßß neben Cambodgia im gleichen
Gefchicßtsraum Cßampa, das Reich der Cham. Qm die geograpßifcß nicht eng abgrenz-
baren Staatenkomplexe legt fid) ein Kranz von Stämmen geringerer Kulturßöße, denen
vorübergehend faßt die gleiche Bedeutung wie den Herden des Schaffens zukommt,
vor allem dem Hinterland der beiden indo-cßinefifchen Länder: Laos.
Die Probleme des ganzen Komplexes können Iper nur angedeutet werden, zumal
teilweife jede Vorarbeit der Denkmalbefchaffung fehlt. Klo pe überhaupt in Angriff
genommen wurde, befcßäßigte pe pch mit der Architektur. Es können für die Plaftik
daher nur an Hand einiger Aufnahmen Kunftwerte aufgewiefen werden, über deren
Ausmaß felbft die Apenforfcßung noch ungenügend unterrichtet ift. Diefer Vorftoß in
unbekanntes Gebiet foll gerade von der Plaftik ausgehen, von einer Kunft, die bei
fyftematifcher Erforfcßung den Kleg des Kunftfüßlens der hinterindifcßen Völker reftlos
veranfchaulichen muß, wenn nur die unangebrachte europäifche Äßhetik beifeite ge-
lapen wird.
Die Skulptur Hmterindiens wird von den zwei großen indifcßen Religionsfyftemen
gefcßaffen, vom Brahmanismus und vom Buddhismus. Mag auch ihre hiftorifcße Be-
deutung nach 3eit und Land wechfeln, fo bedienen fich doch beide Lehren völlig gleicher
Darftellungsmittel. Man darf von diefer Catfache nicht auf ein ftets friedliches 3U~
fammenleben der Religionen fcßließen. Sie beweift nur, wie felbftändig aus boden-
ftändigen Kräften heraus die Geftaltung der vom indifcßen Kleften übernommenen Sym-
bole erfolgt. Selbft das wenig gefcßulte Auge wird eine mit den überall gleichen
Anforderungen des Kanons ausgeftattete Plaßik der öftlichen Länder nicht mit denen
des übrigen Kontinents verwechfeln können.
Am dürpigften fteht es um unfer Kliffen um birmanifcße Plaftik. Gepcßerte und
wohlerhaltene Stücke der kunftbedeutfamen Frühzeiten fehlen noch völlig. Die moderne,
manchmal bemalte Alabafterplaftik, die man bisher fap allein zeigte — fcßäbige Maffen-
fabrikation —, verdient überhaupt keine Beachtung. Klas von Holzpguren bekannt
wurde (vgl. Cicerone, Jahrg. 13, Heft 23, Seite 677) dürfte nicht älter als das 16. bis
17. Jahrhundert fein, gibt aber Auskunft über die dekorativ-plaßifcße Ausgeftaltung,
welche gerade diefes Material in der birmanifchen Architektur fand. Bei dem Beifpiel
aus Parifer Privatbeptj (Abb. 1) dürfte es fich um eine provinzielle Arbeit handeln, die
aber trotj der fragmentarifcßen Erhaltung die Schmuckauflöfung der Plaftik gut vertritt.
Ausgefprocßen birmanifch ift die Reduktion der Augenpartie, die Kühnheit des ge-
fchweiften Konturs der Brauen, die Fortführung und Aufnahme in Gehänge und Schulter.
Die etwas abgeßacßte Nafe, den animalifchen Mund und das breite Kinn hat der birmanifche
Bildhauer aus feinem Volke genommen. Ebenfo auffcßlußreicß find die gleichzeitigen
Steinköpfe, die eine rohe Vergoldung und Bemalung unmittelbar auf dem Stein tragen
(Privatbepß Köln und Paris). Eine weitere Rüdedatierung erlaubt vielleicht ein rätfel-
haßer Cerrakottakopf in Dresdener Privatbepfe. Das dumpf Brütende, von geheimnis-
vollen Kräften Durchpulfte aller birmanifchen Skulpturen beweift, daß feßon im Grenz-
gebiet des rein tropifeßen Oftlandes eine andere Idealität lebte und Geftalt wurde als
in Kleftindien.
Für die Kßmerkunft ift das Dunkel dank der Fülle des Erhaltenen und der Arbeit
der franzöfifeßen Gelehrten wenigftens etwas gelichtet. Die franzöfifeße Forfcßung ßat
erft kürzlich eine gewaltige Belebung erfahren durch das umfaffende Klerk von G. Groslier
„Rechercßes sur les Cambodgiens“ (Verlag A. Cßallamel, Paris 1922), eine Leiftung, der
leider die unentbehrlichen Rückfcßlüffe auf die KunftentWicklung noch fehlen, gewiffer-
maßen erß Materialbefcßaffung. Derfelbe Autor leitet auch die Cambodgia gewidmete
3eitfd)rfft „Arts et Arcßeologie Khmers“ (im gleichen Verlage, 1922), deren erftes Heß
— mit Cafeln glänzend ausgeftattet — Hoffnungen auf eine wirkliche Auswertung des
herrlichen Materials weckt.

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