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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 7
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Justi, Ludwig: Neu erworbene Bilder von Schnorr in der National-Galerie
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Wolfradt, Willi: Friedrich Ahlers-Hestermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0353

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blieben war: Siegfrieds Äbfcßied von Kriemßild (abgebildet Cicerone 1917, I^eft 10),
beim Aufbruch zu der verhängnisvollen Jagd; eine Nebenfrud)t alfo feiner fo langen
Befcßäfligung mit dem Nibelungenlied für (Hand und Bud), ähnlich dem ßolzfcßnitt
zur fecßzeßnten Aventure. „Sie wollten übern Rhein ... Da weinete ohnmaaßen das
viel wunderfchöne Weib“, fie erzählt ihm ihre ünßeil drohenden Cräume. Als Mal-
werk ift dies Stück mit jenen herben Bildern der frühen römifchcn Jahre nicht zu ver-
gleichen, die Farbe ift bläßlich, rafcß und reizlos ßingeftrichen, die Form gleichfam
verdünnt, hie und da flau, etwa in Kriemhildens Fjand. Aber man fieht die Übung im
Bildbauen: die Fresken zu Ariost und den Nibelungen, die zahlreichen Fjolzfcßnitte zu
den Nibelungen und der Bibel, und noch andere weitgreifende Unternehmungen, die
Entwürfe für die drei Kaiferfäle im „Feftfaalbau“ der Refidenz, hatten ihm eine außer-
ordentliche Sicherheit gegeben. Spielend leicht ift die Form hier in das Rund hinein-
gebracht: Geftalten, Bauwerk, Landjchaft und der Jagdhund, Wie ein leifes Echo ver-
nehmen wir noch etwas von der Melodie jener Jugendjahre.

Friedrid) Äl)lers-I)eftermann
Mit sieben Abbildungen auf vier Tafeln Von WILLI WOLFRADT

Mit dem Fjamburger Maler Aßlers-Fjeftermann betreten wir eine fülle Welt. Ein-
fach ftes gefehlt: ländliche FJäufer ftehen gelaffen ßügelßin geftreut oder zur
Straße gereiht, Bäume fchmiegen fid) in farbige Luft, eine flacße Brücke nimmt
den Fjeimweg mit, auf fpiegelnder Wafferfläcße treiben ein paar Segel, und felbft
die wirre Stadt baut fid) aus klarer Form parkhaft geruhfam hin. Das kontemplative
Grundelement aller Landfd)aftsma!erei breitet fid) durch diefe Bilder als eine leicht und
doch andächtig entfaltete Melodie, deren weicher Fluß an einer woßlgemeffenen Be-
gleitung bindenden Fjalt gewinnt, Wie gleitend dahinfpülende Flut, fo ftetig, fo eben,
fo empfänglich, fo fein fd)wankend und eine nicht mit bloßem Blidc ergründete Liefe
überwölbend läuft das feßweigfame Dafein diefer Fjäufer, Ulege und Bäume ab. Gleichfam
von einer Bank aus fd)eint da die Natur gefeßen, befinnlicß und aus der Innigkeit der
entfpannten Paufe heraus, ebenfo weit ab von kokettem Scßmachten wie von einer
ßinken Sachlichkeit. Verweilender Blick pndet zum Verweilen der Dinge, fpürt ißre
Ordnung auf, füßlt ißre verborgene Pendelung. Liegt man Bläue atmend im Grafe,
vermag man nicht fo unverfeßwärmt zu feßauen; durchwandert man die Lande, muß
man ißre Flucßt woßl fpüren. Fjier ift dem Stehen und Gehen ßalbnaßer, d. ß. erreich-
barer wenngleich diftanzierter Natur zugefd)aut, — lange, bedaeßtfam. Die Seele diefer
Landfcßaften ift nicht die Ferne, fondern die Kontinuität ißrer Exiftenz, ißre ünbe-
geßrlichkeit, ißr Frieden. Nid)t die Weite eines räumlichen Ciefenftoßes, fondern eine
ganz innerliche Weite beftimmt ißr Format. Ein idyllifcßer 3U9 ift in allem, was
Aßlers-Fjeftermann malt; oft pnden wir ein paar Fjüßner oder Gänfe auf der Dorfftraße,
ein Schwan gleitet auf dem Parkgewäffer, Fjunde blicken freundlich in den Lag hinein;
Menfdjen ftehen unbewegt in der breiten Stunde und laufcßen der Mufik fpäter Farben,
oder pe traben ftill durch ißre gewohnte Welt, — ftill vor dem ißnen Selbftverftänd-
licßen und gleicßwoßl auch ißnen Wunderbaren. Die Idyllik diefer Bilder ift nicht
oberßächlicß, fondern ift aufgelöfte Weßmut, ift fanftes Sicßbefcßeiden, ift eine Fjarmonie
naeß dem Konflikt. Das gibt ißr eine Sammetigkeit, einen Nachhall von FJerbfllicßem
als allereigenfte Schönheit. Sie ift weniger forglos-ßeiter als geduldvoll. Gleicßwoßl
durchheitert diefe idyllifcße Note die gefamte Welt unferes Malers, indem fie überall
das Gefüge der Flächen lockert, dem Geraden eine feine, wangenßafte Schwingung
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Der Cicerone, XV. Jabrg., geft 7

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