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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 9
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Uphoff, Carl Emil: Christian Rohlfs
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0429

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Ct)riftian Rol)lfs

Von CARL EMIL UPHOFF / Mit
acht Abbildungen auf vier Tafeln

hriftian Rol)lfs, den 22. Dezember 1849 zu Niendorf in Fjolftein geboren. Leid-


volles Siechtum befd)werte fein Jünglingsalter; eröffnete ihm, der fonft wohl wie

feine Vorfahren zur bäuerlichen Fron gezwungen worden wäre, aber aud) den
[Heg zur Kunft, und erwies pd) alfo, wie fo oft das Unglück im Menfchendafein, als
ein im Verborgenen glüdcpapes Gefcpick.
Äls er, eben fünfundzwanzigjährig, endlich aus der Enge der Fjeimat ausbrechen
konnte, glühte im ttleften [chon die hohe Morgenröte einer neuen Epoche der Malerei.
Äber in Deutfcpland hieß noch das erfte Schickfal, das der Jungen wartete, Akademie.
Und für Rohlfs insbefondere: weimarifche Akademie, d. h- Epigonenhaftigkeit bis zur
Groteske. Arm wie er war und [iechen Körpers, fchwerfällig in feinem nordifdjen
Bauernblut und nicht leichter beweglich geworden durch jahrelange Stubenhaft, blieb
ihm keine KIal)l, zu bleiben oder nicht, zu wechfeln Ort mit Ort oder gar Land mit
Land. So bedeutete für ihn der Gang nach Uleimar im Grunde nur Ulechfel von Ge-
fängnis mit Gefängnis. Die Kunftferne \)ier war kaum weniger groß wie im Heimat-
dorf zwifdjen den beiden Seen. Rohlfs mußte ein gutes Vierteljahrhundert in CUeimar
ausharren. Mußte, denn nirgendwo fonft gab es für ihn aud) nur eine Dachftube —,
nirgendwo fonft Schaffensmöglichkeit.
Solches Gefd)ick konnte nur eine Kraft von befonderem Ausmaß ertragen —, folcße
jahrzehntelange, mit jedem unakademifchen Pinfelftrid) gefährlicher werdende Bedrohung
mit dem Verlufte großherzoglicher Gnadenfülle, aus deren Reichtum Rohlfs ein Frei-
atelier gewährt wurde. Aber immerhin ein Freiatelier —, ein Dach überm Kopf, zu-
famt mit dem bei den guten Bürgern etwas geltenden Ruf, fürftlicher Förderung für
wert befunden zu fein. (CUahrfcheinlid) war es fogar diefer Ruf, der ihm das Brot für
den Magen und die Farbe für die Palette wenigftens infoweit garantierte, daß kein
lebensgefährlicher Mangel an Beiden eintreten konnte.)
Aus diefer langen weimarifchen Prüfungszeit wurde Chriftian Rohlfs, als 3weiund-
fünzigjähriger, durch die Aufforderung von K. E. Ofthaus erlöft, nach Hagen zu kommen
und der zu gründenden Folkwang-Malfchule vorzuftehen. Ofthaus, von guten, für den
franzöpfctjen Impreffionismus begeifterten Beratern angeleitet, war gerade dabei, die
Folkwang-Galerie auszugeftalten, welche nachmals zu lüeltruf gedieh und in diefen
Cagen ein fo beklagenswertes Ende fand. Diefer Mäcen war voll guten Ulillens und
dies war gut. Als beffer aber noch ftellte es fiel) für den herbeigerufenen Rohlfs her-
aus, daß Uleimar ißm die Kraft zum Entfagen und zähen Ausharren nicht genommen
hatte; denn nun mußte fie fid) nod) tief bis in fein fiebentes Lebensjahrzehnt hinein
bewähren. Die Folkwang-Schule blieb ein nicht durchführbarer Plan; es fehlten alle
Vorbedingungen für ihr Gedeihen. Rohlfs war mit der entfd)eidenden Entfaltung feiner
Kunft —, Ofthaus mit der Verfolgung feiner kulturellen Ideen übermäßig befd)äftigt.
Obendrein durch Armut und Reichtum, Entbehrung und Fülle zu verfd)iedener Ge-
finnung gezwungen, gingen beide Männer verfd)iedenfte tüege, blieben fid) innerlich
fremd und trennten fid) fd)ließlid), indem Rohlfs nach München umßedelte. Dies ge-
fd)ah 1910. Aber zwei Jahre fpäter mußte er wieder zurück, weil er pd) in den
damaligen ganz veräußerlichten Münchener Kunftgeift nicht einzubürgern wußte. Es
war für den Heimatlofen eine fcßwere Rückkehr; doch es blieb ihm keine UIal)l, denn
nod) immer war fein Leben auf nichts geftellt und fein Können wurde ihm von den
Kunftpäpften nach wie vor beftritten.
ttlie es gefd)ah, daß dann endlich die Sd)ickfalswende für den Altgewordenen kam,
dies ift bislang im Unklaren geblieben; hier aber mag es nun aufgedeckt werden.
Das Leben würde einen Verrat an pd) felber 'begangen haben, wenn es diefem
Schaffenden und feinem merke verfagt haben würde, pd) durd)zufefeen und einen vollen
Der Cicerone, XV. Jal)rg., ßeft 9 22 405
 
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