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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 10
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Ehl, Heinrich: Ein deutscher Maler des 11. Jahrhunderts und sein Modell
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0471

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Ein deutfdjer Maler des 11. Jahrhunderts und
fein Modell Mit drei Abbildungen auf zwei Tafeln / Von HEINRICH EHL
Die fymbolifche Bedeutfamkeit der liturgifdjen Kunft des ottoni[d)-J)einrici[d)en
3eitalters h)öllt pch in eine Verfchwiegenljeit des Perfönlid)en, die untrennbar zu
[ein fdjeint von jeder tjieratifd) geführten und tjieratifd) empfindenden Menfd)t)eit.
Äuf diefer diftinguierten Anonymität, deren Gründe mit dem unfromm-kritifd)en Ver-
sande leidet in zeitlichen Umftänden der ge[ell[chaftlid)en Schichtung und der jenfei-
tigen Auffaffung des Da[eins — des Dortfeins — gefunden werden mögen, beruht
troß allen aufgeklärten üJiffens vom hptorifchen 3u[tande für ein fenpbles Empfinden
ein gut Teil des Ambiente ariftokratifcher Kulturen. Die Größe und das Exklupve, die
Entrückung und das 3wingende der Götter des Sung, die fid) noch der lebten kera-
mifchen Scherbe mitteilen, würden das Geheimnisvolle einbüßen, wenn wir uns ver-
führen laßen müßten, das Unbedingte diefer Geßnnung mit der banalen Kenntnis
men[d)lid)er Kreaturen zu verbinden. Beeinträchtigung im Beften wäre unvermeidlich- So
aber wird der Abftand gewahrt, ohne den Kunft zur zweckdienlichen Staffage eines Lebens
wird, von dem nur ahnungslofe Genußfüchtlinge eine „Verfeinerung“ verlangen werden.
Das Perfönlidje ift und bleibt fekundär und berührt in keiner (Ueife das (Uefentliche.
Es [chwindet vor der Kathedrale wie vor dem Kaffeier „Jakobssegen“. (Uenn tyzr der
Verfügung nicht widerftanden fein füllte, die Anekdote wichtig genommen zu haben,
fo verkenne man nicht, daß von ißr aus die Größe der Fjandlung jn ißrem gebüh-
renden Abftande erft recht erkennbar wird und an eindrucksvollem Relief gewinnt.
Die geringfte Angelegenheit des Künftlerifchen ift das Porträt. (Unter der hptorifchen
Einteilung wird es nicht bedeutend, aber wichtig. Das Geiftige der religiöfen Intenfität
des 11. Jahrhunderts und feine ftarke Verhaltenheit in der Sphäre des Gefühls ver-
weltlicht fid) in den agnoftizierbaren Porträts der gefellfchaftlichen Auslefe feiner poli-
tifd)en und kirchlichen Repräfentanten. In den Kaiferbildniffen vor allem phwäd)t fid)
das Symbolifd)e diefer Kunft, das von Lampred)t mit ftärkftem pfyd)ologifd)en Ver-
ftändnis als die Dominante der 3ßit herausgeftellt wurde, zum Gegenftändlid)en ab
mit fühlbar diesfeitigem Einfd)lag des literarisch Intereffanten. Die refervierte 3urück-
haltung vor dem künftlerifd) entfcheidenden (Uert, vor dem Bleibenden der allgemeinen
Geltung, hat Kemmerich in feinen kritifchen Unterfudjungen über die deutfcpe Porträt-
malerei des frühen Mittelalters bei einer methodifd) einwandfreien Behandlung des
fpröden Stoffes zu fepr exakten Ergebnißen geführt. Das Porträt exiftierte und lag
im (Dillen des Künftlers. Der Grad feiner €refffid)eri)eit wird lediglich begrenzt durch
die Genügfamkeit und vielleicht auch durch eine im Charakter der 3eit begründete Ent-
haltfamkeit von der Überfettung des Individuellen. Das Bezeichnende der Perfönlid)-
keit der großen Kaifer Otto II. und III., des II. und III. Fjeinrid), denen ßd) innerhalb
der rheini[d)en Malerei noch das Bildnis Heinrichs V. im Codex aureus von Prüm an-
[d)ließt, ift uns mindeftens mit der gleichen Prägnanz überliefert wie die anekdotifchen
3üge ihres Lebens. (Die hier werden auch dort nur die d)arakteriftifd)en Momente
betont, die den welthiftorifchen Schritt der Ereignipe markieren. An der gewaltfamen
Entladung der feeli[d)en Impulfe, die die Menfchen des Jahrhunderts zu 3eiten aus der
Gebundenheit des Lebens h^rausreißt zu erfeßütternden Bekenntnipen des Temperamentes
und Blutes pndet der Cßronift Gegenftände und Gelegenheiten, den Umfang der fee-
lißhen VerfaPung feiner 3ßit bis auf den Grund bloßzulegen. Von \)ier aus pnd die
Schilderungen des Fußfalles Konrads II. vor feinem Soßne und die Überfd)wenglicl)keit
des Erzbifcßofs Everger im (Uidmungsbilde feines Lektionars zu würdigen.
Der Afpekt der liturgifd)-hieratifcl)en Gefamtßaltung der monumental empfundenen
Miniaturen diefer 3eit erträgt die novelliftiphe Einführung eines Künftlers, der den
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Der Cicerone, XV. Jagrg., geft 10

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