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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 10
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0506

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Ausheilungen
Berliner Äusftellungen
Unter der an Initiative reichen Führung Lieber-
manns beftätigt auch in diefem Jahre die Früh-
jahrsausßellung der Berliner Akademie
der Künße ihre Erneuerung und läßt die bisher
veranftalteten 3ufammenfaßungen heutiger Ma-
lerei und Plaftik hinter fid) zurück, die „Sezef-
ßionen“ vornehmlich. Vom eigentlich „Akade-
mßchen“ im fatalen Sinne des Klorts weitgehend
befreit, fammelt diefe rege Äkademiefchau viel
Lebendiges, und man fpürt, wie die Beteiligten
pe als repräfentativ empfunden und ihr die
beften Klerke gegeben haben. Gegenwart iß
das Motto; die bare Vergangenheit, aber auch
die vage oukunft haben hier nicht Eingang ge-
funden. Eine ziemlich umfaffende „große Koali-
tion“ von etwa Otto Fj. Engel bis Dix läßt doch
die Nachklänge der Gründerzeitkunft und ftili-
perende Böcldinepigonik einerfeits, die oft nicht
minder „akademifchen“ konftruktiviftifchen und
abßraktioniftifcßen Neuerer andrerfeits aus, um
dann in ihrem Bezirk alle Engherzigkeit fahren
zu laßen. Fünf Kollektivausftellungen fammeln
die Aufmerkfamkeit wohltätig auf einzelne
Meifter, doch iß auch in den übrigen Sälen durch
gute Verteilung das Faßungsvermögen des Be-
obachters einigermaßen begünftigt worden, wie
denn auch die gebotene 3abl der Klerke gerade
zu bewältigen iß. Eine erfreuliche Äusftellung,
geeignet, dem weiteren Publikum eine Ahnung
des künftlerifchen Reichtums der 3eit zu ver-
mitteln, Kliderftrebende für Vorgefcprittenes zu
gewinnen; keine Fundgrube neu angemeldeter
Begabungen, aber auch keine Stützung reaktio-
närer Kunftgepnnungen. Die befondere Funktion
der Äkademiefchau prägt pd) überzeugend aus,
ohne daß doch eine programmatifcbe Beengung
pch geltend machte.
Nur die auffälligßen Erfcheinungen mögen in
Ergänzung des gefchilderben Gefamteindrucks
charakteripert fein, in hier unumgänglicher Spar-
famkeit der Klürdigung. 3wanzig merke Ed-
vard Munchs, aus allen Phafen feines Schaffens
von 1889—1923, krönen das Ganze, bilden fein
anziebungskräftigßes Moment. Man verfolgt
hier bewundernd die önabläfpgkeit, den inneren
Reichtum, dies 3ugleich tiefßer Gebundenheit
und kühnßer Befreiungen eines epochalen Genies,
deßen Klerk neben die fdjemenhafte Einfamkeit

des „Mannes am Fenfter“ die malerifche Über-
legenheit des „Cruthahns“ von 1913 und die
wunderbare Emphafe jüngfter Felderlandfchaften
geftellt hat, und neben fo vom Raum umfpülte,
vom eignen Kiefensklang erfüllte Geßalt wie
die Klalter Rathenaus (1909) die unendliche Me-
lodientiefe des „Kuß am Kläffer“. Ein andrer
Saal gehört Karl Fjofer, und er iß das ent-
deckerifche Ereignis der Veranftaltung. Man ift
durchaus im Banne diefer anacporetiphen Ge-
ftalten, ihrer inneren Beklommenheit und Äb-
fchüfpgkeit, des Ewigalten, Knerlößen in diefen
großßächigen Scheibengeßchtern, des Verwit-
terten eines gleichwohl leidenfchaftlichen Ko-
lorits, der Energie eines hart isolierenden, wie
mit Scheiten rahmenden Konturs. Gewaltiger
Gram fenkt pch aus bleichen Antlitzen mit ver-
femten 3ügen hsrab, redet pch in heroifche
Apathie, lindert pch in wehe Innigkeit. 3wi-
fchen einfacher Äbgefondertheit und dämo-
nifch erregter Verfchüttung eine reiche Stufen-
folge, deren jeder Äbfatj menfchlich ergreift. In
Aufbau und Durcbgeftaltung diefelbe karge
Straffung, diefelbe komprimierende Strenge. Den
Viponär diefer Gebilde zeigt ein fel)r einwärts
geformtes Selbftbildnis im Kreife dräuender
Masken. Dann haftet vor allem jener wild-
lethargifche „Crommler“ in dem verzweifelten
Rot feines Gewandes, ein „Disput“ lemurifch-
verfremdeter Köpfe und Gebärden, die leife In-
brunft von Mädchenpaaren und einfam lefenden
Mädchen, die bewegende Abgetrenntheit von
Menfchen in einer Cpeaterloge. Insgefamt legt
diefer Raum Fjofers Recpenfcbaft ernßeften künft-
lerifchen Ringens ab, und entläßt wohl kein
fehendes Fjerz unerfchüttert.
Das Nebenkabinett widmet pch dem Andenken
Fjans Loofchens, der zwifepen Crübner und
Stuck, Menzel und I^abermann anfäfpg war,
nicht ohne Gefchmack und malerifche Keckheit,
aber ohne Fülle oder Ciefe, durchaus gefällig.
Kleiter wird der Plaftiker KI. Gerßel gefchloßen
gezeigt, deßen Akte etwas Laues, fozufagen
eine trübe Körperlichkeit haben, auch durch
Attribute einen Mangel zentrierender Kraft ein-
geftepen, deßen mit der Leichtigkeit Slevogtfdjer
Federfkizzen gefcpnitjelte Fjolzßgürcpen jedoch
fehr einnehmend pnd. Im übrigen bietet gerade
das Kapitel Plaftik Anlaß zu mancher abfälligen
Kritik, vor allem ein abfcbeulich aufgeblähter
„Bergmann“ Lederers und 5inkeldey mit

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