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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 13
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0645

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Sammlungen
Die F)edtel-Fresken in Erfurt
Eine befondere Überrafcbung bot die Eröffnung
des Pjeckelraumes, die am 16. Juni ftattfand. In aller
Stille ift hier ein Klerk berangereift, auf das Erfurt
mit Red)t ftolz fein kann und das in diefer Hrt
keine andere Stadt Deutfddands befitjt. Direktor
Kaesbad) batte Ericb Deckel einen größeren, an
die Große Halle im Erdgefdjoß anfcbließenden
Raum zur Verfügung geftellt, den der Meifter im
Laufe des vorigen und diefes Frübjabrs völlig mit
monumentalen Fresken ausgefcbmückt bat. Da-
feinsftufen möchte der Maler fein Klerk am
liebften nennen, wenn es überhaupt einen Namen
tragen foll, da alles Gedankliche und Symbo-
lifcbe ihm doch nur von fekundärer Bedeutung
ift. Betritt man den Raum, fo fällt der Blick
zunäcbft auf die große Kland links, die mit zwei
fcbmalen, angrenzenden Streifen zu einer Ein-
heit zufammengefaßt und als ßauptftück gedacht
ift. Über einem wundervoll lebendigen und
farbenreichen Blumenfries mit arbeitenden Ge-
walten erhebt pcb auf einem Kliefenbügel vor
ragender Fjocbgebirgswand in der Mitte die
Gruppe eines alten Lehrers mit jungem Knaben,
dunkel gegen fdjneeiges Firnweiß abgeftellt.
Rechts davon fteben zwei Jünglinge, links drei
reife Männer, in einfachem Dafein gegeben,
ohne befondere Äktion. Den drei Lebensaltern,
die hier verkörpert find, entfprecben die drei
Geftalten im Fries: fäend, grabend, erntend.
Diefer Kielt des Mannes gegenüber erhebt fid)
auf der entgegengefe^ten Kland das Reich der
Frau: in der Mitte die Mutter, eine große, ernfte,
feierliche Geftalt mit einem Knäblein an der
Fjand, das dem von den Bergen kommenden
Sturzbach fröhlich zujauchzt. In dem hellen
Klang von Rofa, Gelb, Kleiß und Hellblau ift
das Gefühl heiterer, ungetrübter Kindheit wun-
derfcbön eingefangen. Unten wird die Quelle
zum Strom, der an bunten Geftaden vorüber-
fließt — Erfurt mit Dom und Severi tauchen
auf — und ficb ins Meer ergießt. 3wei Frauen-
geftalten am Geftade links und eine junge Mutter
mit kleinem Mädchen im Klalde rechts fd)ließen
das Bild feitlicb ab. Lebensluft und Dafeins-
freude treiben ihr Spiel in dem kleinen Feld
über der Cür: Badende werden fichtbar, medi-
tierende Freunde, eine Bildbauerwerkftatt, eine
Kunftreiterin, ein Scblittfcbubläufer. Glück und

Höbe des Dafeins verkörpern zwei Geftalten von
Mann und Frau auf dem Hauptfeld gegenüber
der Fenfterwand, die ruhig und ßcber durch
fommerlicben Klald wandeln, von ßabn und
Cauben begleitet. Kläbrend gegenüber auf
dunkler Fläche zwifchen den beiden Fenftern
fcbmerzzerriffene Geftalten voll Qual und uner-
fülltem Sehnen umherirren. Ringeln fid) hier
am Sockelfries giftige und ftarkduftende Blumen
wie Nattern, fügen fid) drüben Rofen, Feldblumen
und Garben zu fröhlichem Kranz. In der an-
fcbließenden Nifche fchreiten zwei Jünglinge
einer düfteren Gebirgskluft zu, und unten ruht
ein dritter zerbrochen auf dem Hngeßid)t, neben
deffen Geftalt eine fcbneeweiße Lilie empor-
fprießt. Hier fchwingt dumpf das Erlebnis des
großen Krieges und einer opferbereiten Jugend
mit. Die beiden Fenfternifcben zeigen auf ftark-
farbigem Ceppicbgrund das Erfurter Klappen:
ein fed)sfpeid)iges Rad, von Männern gehalten
und von Blumen durchwach fen. Huf den KIöl-
bungen fpielt gelblid)leid)tes Gewölk.
Der Raummangel verbietet eine eingehende
formale Änalyfe des Klerkes, die an anderer
Stelle gegeben werden mag. Fjier fei noch kurz
folgendes bemerkt: wiederholt ficb im Blumen-
gerank bald mehr, bald weniger deutlich die
Kreisform des Rades, fo fteigen die Geftalten
darüber in ruhigem Vertikalismus empor, Glieder
einer boebftrebenden Flächenarchitektur, die den
hohen, fcbmalen Raum wunderbar zum Erklingen
bringt. Die Farbengebung ift edel und zurück-
haltend, in Blumenfries und Fenfternifcben leuch-
tender und bunter, in den großen Kompofitionen
auf die Harmonien von braunen, gelblichen,
grauen und grünen Cönen zurückgedämpft, die
[ich aus einem milden hellbraunen Grundton
entwickeln. Reftlos und ohne 3wang gelöft er-
febeint fd)ließlid) das Hauptproblem aller großen
Klandmalerei: die völlige Verfcbmelzung von
räumlicher Bildwirkung und fläcbenbafter Kom-
pofition. So ift hier eine Schöpfung entftanden,
die an Größe der Haltung, Ciefe des Äusdrucks
und Reinheit der Gefinnung zu den edelften
Klerken deutfeher Monumentalmalerei gerechnet
werden darf. P.
Kopenljagen
Das Danske Kunftinduftrimufeum ver-
fendet foeben wieder einen jener vorbildlichen
Jahresberichte, die feit langem die Direktions-
tätigkeit des erft kürzlich und leider zu früh
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