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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 15
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Eberlein, Kurt Karl: Jacob Joseph Dambacher: ein vergessener badischer Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0714

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das aufgeklärte Bürgertum feit (Herders Tagen ein Afyl, in dem die Probleme fid)
veredelten, die 3eirbilder des gemeinen Älltags fid) verfd)önten, die Armut jener „guten
alten 3eit“ ßd) bereicherte und vergaß. Nod) arbeitete man an ßct) felbft als an einer
Aufgabe, erfeßnte Neigung und Beruf zu einem Ganzen zu geftalten, betrachtete fid)
in Briefen und Gedichten und bannte das Erlebnis mit Feder und Stift zu treuem Ge-
denken in Stamm- und Tagebüchern. Ein leister Anhauch jenes großen Traumes von
dem Kunftwerk der Perfönlicßkeit, von der Harmonie der menfchlidjen Natur in Geift
und Körper, weht aus folcßen Verfuchen diefer liebenswürdigen Dilettanten. Die Kalo-
kagathie der Seele war noch immer Klunfd) und Glaube der neudeutfcßen Jugend,
wenn auch neue Ahnungen und 3weifel vom romantifchen Norden her in diefe lebten
Bildungen der humaniftifchen Südkultur hereinwirkten. Dambacßers graphifcher Nach-
laß ift für dies alles belehrend genug. Schon der Knabe hatte fid) im 3eid)nen geübt,
hatte die buntbemalten Stiche der Reiterfd)lad)ten und Belagerungen, die Stadtanßcßten
und Flugblätter treulich kopiert, hatte [ich Iße und da vor die Natur gewagt und fid)
in dem ftrengen ümrißftil der klaffiziftifchen Linie verfucßt. Der junge Student, der
mit offenen Augen das bunte Treiben der geliebten üniverßtätsftadt fah, zeichnete bald
die Kommers- und Kneipfzenen, die Förmlichkeiten der Straßenhändel und Fechtböden
fogar in die Radierplatte. Dabei ift die fachliche Treue wie die kritifche Ironie gleicher-
maßen zu finden. Ein naiver Naturalismus fucßt in reinen und feinen Linien Ernft
und Spiel. Ein entfcßiedener Sinn für das Komifd)e verrät ßcl) in den Koftümkari-
katuren der verfdßedenen Studententypen, wie ße damals als wahre Nachkommen des
feligen „Renommiften“ in Alt-Fjeidelberg ihr Kiefen trieben. Das rohe Treiben jenes
teutfdjen Korpslebens findet ßd) in den ungefdßckten Radierungen und erften Verfuchen
der neuen Federfteinzeichnung. Die erfte größere Arbeit, die uns vorliegt, ift eine
Folge von 15 Steinzeichnungen, „das Buch Mollenkopf“, das ohne Text, — den wollte
Mone fchreiben — aus Scherz und Erlebnis geboren, für wenige Freunde einen ge-
meinfamen Bekannten verfpottet, deffen Studium, Liebe, Ehe und Beruf, grotesk-komifd)
in typifcßen Szenen dargeftellt wird. Das fehr feltene Quartheftchen erfdßen in Karls-
ruhe 1817 in der C. Klagnerfcßen Steindruckerey, deren wertvolles Inventar, das fid)
unverändert und unberührt in Raum und Schrank als ein 3eitkuriofum erhalten hatte,
erft im Kriege in alle Künde zerftreut wurde. Für die nächften Jahre fcßeint Dam-
bachers Talent bei glücklicher Arbeit und Ehe geruht zu haben, und er gefteht felbft,
erft im Jahre 1824 fid) wieder eifriger dem 3eid)nen gewidmet zu haben. Er faßte
damals in Raftatt den Plan, (Unterhaltung und Ausbildung mit einem wohltätigen
3wecke zu verbinden und mit dem Erwerb durch feine 3eid)nungen einen „Fond zu
gründen, aus welchem Gehaltsaufbefferungen, Gratiale, Belohnungen ufw. für gering-
geftellte und würdige Schullehrer beider Confeffionen gefchöpß werden könnten.“ Es
follte eine halbjährige Folge von Fjeften erfcheinen, die mit dem Sammeltitel „Der
Rheinländifche Bildermann“, Anekdoten und humoriftifche Erzählungen des Tyll-Eulen-
fpiegel, Bebels, Ittners, 3fd)okkes und anderer mit Original-Federzeichnungen auf Stein
von Dambad)ers Band umfaffen füllten. Das erfte Beft. Tyll-Eulenfpiegel, erfd)ien
nad) Subfkription im November 1827 mit einer befcßeidenen Vorrede, in der unfer
Künftler betonte, daß er niemals Stunden gehabt habe, und daß ißn die Aufmunterung
eines Frommei, Feodor, Baldenwang, Kunz und Klofe ermutigt habe, mit feinen 3eid)~
nungen in die Öffentlichkeit zu treten, fo daß er alle Nachficßt verdiene. Als zweites
Beft erfcßien 1829 Bebels Rheinländifcher Bausfreund mit 16 Steinzeichnungen, als
drittes Beft die Fortfetjung dazu 1833. Damit war diefe Folge abgefdßoffen und blieb
es leider auch. Der Bebel war als Einzelbuch käuflich. Im Jahre 1842 erfd)ien in
Stuttgart ein Neudruck, nach dem nun endlich der erfreuliche Neudruck gemacht wurde,
der in dem bekannten rührigen Mauritiusverlag zu Berlin crfdßen1. Dies ift alfo das
1 Die Schwänke des Rheinländifchen Bausfreundes von J. P. Bebel. Mit 32 Original-Litho-
graphien von Dambacher. Im Mauritius-Verlag zu Berlin. 1922.
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