Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

DOI Heft:
Heft 16
DOI Artikel:
Salmony, Alfred: Die Ausstellung chinesischer Keramik im Frankfurter Kunstgewerbe-Museum
DOI Artikel:
With, Karl: Marc Chagall
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0753

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vielmehr die Dynaftie gleichen Namens von 368 bis ins 6. Jahrhundert. Der Irrtum
ftammt von Hetßerington. Die Erfindung des Porzellans, d. ß. des glafierten klingenden
Scherbens, ift mit Läufer (Che Beginnings of Porcelain in China, Chicago 1917) in die
F>an~3eit zu fetten. Die Löfung diefes umftrittenen Problems hing mehr von der Deu-
tung der Schriftzeichen als von der Unterfucßung auf Kaolin-Gehalt ab. Leider habe
ich die Datierungen nicht an FJmnd des Katalogs nachprüfen können.

Marc CbagaU

Von KARL WITH / Mit zwölf
Abbildungen auf sechs Tafeln

In Chagalls Malereien manifeftiert [ich eine Getriebenßeit, die nicht fo [ehr die Erregt-
heit eines Künftlers ift, die feiner Kielt adäquate Form zu finden und zur letzten
Beßerrfcßtßeit über Mittel und Ausdruck zu gelangen, als vielmehr die Maßlofigkeit
eines menfchlichen Cemperamentes, die Kielt fich anzugleichen, und fiel) in folchem
Gleichen zurechtzufinden und zu Fjaufe zu fein. Diefe Kunft Marc Chagalls ift nicht
qualifiziert durch eine Meifterfchaft malerifcher Geftaltung, durch einen wählerifd)en
Inftinkt für das abfolut Notwendige geklärter Form oder durch eine philofophifche
Strenge gebändigter Konftruktionen. Kler ausfchließlid) folcße reinen Formwerte, wie
fie bei Cezanne, Picaffo, Derain beftimmend fein mögen, fueßt, dem wird Chagalls un-
meifterliche Ärt fremd bleiben müffen. Kloßl bietet auch feine Kunft einen Reichtum
formaler Probleme, die voll Kühnheit gegeben und voll Cemperament entwickelt find,
aber unbekümmert und oßne Befcßwer von Überlegung und denkender Kontrolle., Reine
Formwerte als folcße aber find bei ißm nur fekundär; meßt — icß möchte fagen —
von der leeren Fläcße der Leinwand diktiert, fondern von den Cßemen, von ißrer In-
ßaltlicßkeit beftimmt. Er ift kein Formalift; er ift im lebten Grunde nicht einmal durch-
aus Maler. Er ift Dichter, Erzähler, Realift, Pßantaft. Aber der durchaus bildhaft ge-
richteten Art feiner Pßantafie, und der vom Dinglichen afßzierten Art feines Gefühls,
feinem Verlangen zur Klirklicßkeit, feiner handgreiflich konkreten Sinnlichkeit und feinem
derben Kleltfinn entfprießt als adäquate Art der Äußerung das Bild. So ift feine Kunft
qualifiziert durch ißre Inßaltlicßkeit. Eine Inßaltlicßkeit, die das Scßickfal eines Men-
feßen darbietet, in dem eine Kielt gegenwärtig ift, die von der Enge irdifeßen Alltags
in die brennende Pßantaftik unterirdifeßen Mytßos ßinüberwäcßft. Diefes Scßickfal
eines kleinen Menfcßen, das zum ficßtbaren Scßaufpiel eines aufgefeßeueßten Lebens
wird, das aus uralter Vergangenheit kommend, in eine Klirklicßkeit von Enge und
Cßaos ßineingebannt ift und nun voll Furcht und üollßeit nad) Criumpß verlangt, aus
einer Seele einen neuen Mytßos und aus feinem Eros eine neue Kielt dem alten un-
erlöften Gott entgegenzubauen.
Chagall kommt von vornherein aus einem anderen Lebensbezirk als unfere weft-
europäifeßen Maler. Cßagall ift Ruffe; aus der Provinz, dem elenden Neft Liosno im
Gouvernement Klitebsk an der Düna. Er ift nicht überfättigt und klug, nicht beßerrfeßt;
ißm feßlt die Sicherheit des Überlegenen und die Reife der Konvention. Er ift unbe-
rührter, barbarifeßer, gereizter und maßlofer. Er fcßmeckt das Leben anders, gieriger,
derber, unmittelbarer, brutwärmer. Er weiß nicht viel von der Scßönßeit der Erde
und der Süßigkeit gepflegten Kloßlbeßagens. Klelcße Notdurft — gemeffen an den
feelifdßen Abenteuern unferer Großftadt — dureßfetjt die Umgebung, in der er aufge-
waeßfen und die ißm naße ift. In feßwerer patriard)alifcßer Blutenge; in Stall und
niedriger Kammer mit den blinden Fenftern; an feßmutjig fcßwerfälliger Straße. Vieß
und Menfcßen dießt bei einander, diefe Gewäcßfe der Erde, niedrig, feßwer und be-
dürftig. Kleine Handwerker des Lebens, die ißre Heimat müßfam zureeßtzimmern und
biegen. Da geßt es nießt um Scßönßeit und Salon. Cßagall ßat nießt viel mitzubringen
727
 
Annotationen