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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 23
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Stettiner, Richard: Eine Schraubflasche aus der Kreußener Fayencewerkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1107

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ift ein gemalter hinzugefügt, in Dunkelblau auf der weißen 3innglafur, mit der das
ganze Stück bedeckt ift. Die Fjößen des Reliefs find fo in Dunkelblau betont, dann
find in den fed)s Feldern d)riftlid)e Symbole in Malerei eingefügt: ein Fjerz, von
zwei Pfeilen durchbohrt, und über demfelben ein Pelikan — das Jefuszeid)en aus
„IHS“ — ein Kreuz, umgeben von den Paffionswerkzeugen — „MARIÄ“ — „INRI“ —
drei Kreuze mit Sonne und Mond.
Die Form des Gefäßes ift eine für Kreußener Steinzeug typifcße, die etwa feit 1640
bis zur Spätzeit ftändig wiederkehrt. Bei den Steinzeugßafcßen ift die Form ftraffer
durch ftärkere Abflachung der Seiten geftaltet; die Bogen find meiftens gewölbter, das
begrenzende Ornament ift dann das bekannte Kettenmufter, das bei flacßeren Bögen
durch eine andere 3ierform erfeßt wird. Aud) bei unferer Fayenceflafcße fcßeint man
mit Rückficßt auf den flacßen Bogen an Stelle der für eine ftärkere Biegung berechneten
Kettenform die Perlenreihung gewählt zu haben.
Den engen 3ufammenfd)luß mit Kreußen ftellt die Karyatide her: fie ift aus einer
Model gedrückt, die zu dem alten Beftande aus Veftfcher 3ßit gehört und bei älteren
und jüngeren Stücken nicht all zu feiten wiederkehrt. So ift fie auch bei dem in
diefem Fjeft abgebildeten Lutherkrug mit den Dadlerfchen Reliefs verwandt. Die Form
des geßügelten Engelkopfes läßt fid) genau gleich nicht nad)weifen, die 3a\)\ der Ab-
weichungen ift groß; aber der Cyp diefer Form weift zweifellos nach der Kreußener
öderkftätte.
Befonders bemerkenswert wird die Sd)raubßafd)e durch die Ornamentik der Malerei
Ich kenne nur die Photographien und muß mich daher bei der Befpred)ung auf die
in den Abbildungen fichtbaren Seiten befchränken. Auf dem Felde mit dem Fjerzen
ift diefes mit Schuppen aus Fjakenlinien und mit in diefe Schuppen eingefügten Cupfen
gefüllt. Die beiden Pfeile, die das Fjerz durchbohren, haben ftatt der Federn „Culpen“,
teilweife gegittert, die Kelchöffnung durch eine gewellte Linie gefchloffen. Seitwärts
vom ßerzen eine Schmuckform, die eine barbarifche Fortbildung gerollten Blattwerks
darftellt. Auf dem MARIÄ-Felde ift oben und unten diefelbe Schmuckform zu einer
Art Blütenkelch aneinandergefügt. Unten fpringen aus der Mitte diefes Kelches zwei
fid) überfchneidende Spirallinien hervor, an deren Bogen fid) eine ftetig fich verjüngende
Strichelung anfchließt. Ähnliche Strichelungen, Punktreihen, längere oder kürzere
Spirallinien füllen auch fonft auf dem Felde die freien Räume über und unter der
Sd)rift. — Cechnifd) ift die Malerei in Linienführung und Farbenauftrag ungefchickt,
handwerklich roh- Die Farbe verfd)wimmt oft, man vergleiche befonders das Fjerzfeld.
Die Ornamentik gehört in allen ihren Elementen eng mit der in Jahrgang 15,
Seite 47 ff. — vergl. befonders Seite 60 — befprochenen Ornamentik der LS-<Herk-
ftätte zufammen, für jede Einzelheit läßt fid) ein Vergleichsmoment anführen. Ich ver-
weife auf die Abbildung 13—15 zu dem eben erwähnten Auffaß, auf die Abbildungen
66—87 in den Mitteilungen des Germ. Nat.-Mufeums 1911, auf „Fataburen“ des
Nordiska Museet, 1918, Seite 123—125.
Innerhalb diefer ganzen Gruppe fd)ließt fid) aber die Sd)raubflafd)e enger mit den
fpäteren, handwerklich verrohten Stücken zufammen, in Einzelheiten der Ornamentik
(z. B. in dem Gittermufter der Culpen) und in der Sorgloßgkeit der üed)nik, — alfo
mit jenen, die Emil Fjannover als die Gruppe der Fayencen mit den Spiralen von den
eigentlichen LS.-Fayencen loslöfen wollte. Aber mit diefer Sd)raubßafd)e ift nun
wohl für die Forfchung der Kreis gefchloffen: Die LS-Fayencen, die Arbeiten Lorenz
Speckners alfo, gehören ßd)er nach Kreußen und die bei der Scßraubflafche ver-
wandten Formen — die Form für die Karyatide beßndet pd) ebenfalls in dem Veft-
Speckner-Seilerfd)en Nachlaß — beheimaten auch diefe fpäteren Fayencen, deren
ßerftellung pd) bis zum Ende des 17. Jahrhunderts hinziel)t, nach Kreußen, nach der
ÜJerkftatt des Lorenz Speckner und feiner Nachkommen, der Seilers.

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