Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

DOI Heft:
Heft 24
DOI Artikel:
Schmidt, P. F.: Zu einem Gemälde von Dahl
DOI Artikel:
Studien und Forschungen
DOI Artikel:
Bombe, Walter: Ein vergessener Maler der italienischen Renaissance (Pietro Paolo Abbate der Ältere)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1168

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
STUDIEN UND FORSCHUNGEN

Vorbemerkung des Herausgebers. Diese neue Abteilung wird je nach Material höchstens
sechs- bis achtmal im Jahre erscheinen. Der Herausgeber bittet im Hinblick auf die Raumnot
um Zusendung nur solcher Beiträge, die wirklich unzweideutige und wertvolle Forschungs-
resultate enthalten und die eine rasche Veröffentlichung erfordern. Die kunstwissenschaftliche
Arbeit an sich hat sonst im „Jahrbuch für Kunstwissenschaft“ (Herausgeber Ernst Gail-
Berlin) ihr Organ.
Ein vergeffener Maler der italienifchen
Renaiffance (Pietro Paolo Äbbate der Ältere)
Mit einer Tafel Von WALTER BOMBE

Der Name Äbbate bat in der Gefchichte der
italienifchen Renaißancekunß einen guten Klang:
Fünf Generationen von Malern, Bildbauern und
Meiftern der 3ierkunft geboren diefer Familie
an, die ibren Namen von dem Geburtsort ibres
Stammvaters, dem Kaftell Äbbate Reggiano in
der Emilia, herleitet. Diefer Stammvater der
Familie ift der Maler und Stuckbildner Gio-
vanni dell’Äbbate, der am 1. Januar 1559
in Modena, feiner zweiten Fjeimat und der
fjauptßätte feines tflirkens, ftarb. Ärbeiten, die
ibm mit Sicherheit zugefcbrieben werden könn-
ten, find bisher nicht bekannt, mir wiffen nur
aus der Chronik feines 3eitgenoffen Lancilotto,
daß Giovanni als Bildner von Kruzißxen, deren
Cbriftuskörper mit großer Kenntnis aller ana-
tomifcben Einzelheiten in Stuck modelliert waren,
einen bedeutenden Ruf genoß. Die weitere
Überlieferung aber, daß Giovanni nicht nur
feinen Sohn Niccolo, fondern auch den großen
Cerrakottabildbauer Antonio Begarelli in der
Kunft des Stuckmodellierens unterrichtet l)abef
wird beftritten, foweit fie Begarelli betrifft,
tüobl aber war Niccolo dell’Äbbate, der Sohn
des Giovanni, Schüler feines Vaters und Be-
garellis. Nicht nur in feiner Vaterftadt Modena,
wo er 1512 geboren wurde, fondern auch in
Bologna und namentlich in Fontainebleau, wo
er zwanzig Jahre lang als der bedeutendfte
Mithelfer Primaticcios tätig war, hat Niccolo
dell’Äbbate Spuren feines Schaffens Unterlaßen.
Äm Fjofe König Karls IX. von Frankreich hat
er neben Primaticcio als ein wahrhaft könig-
licher Dekorator gewirkt, an Äuffaffung und
Geftaltungsfülle Primaticcio nahekommend, ein
erßndungsreicber Künftler von pcberem Ge-
fcbmack, einer der Mitfchöpfer der franzöpfchen
3ierkunft, die ficb dann über faß ganz Europa
verbreitete. Äls Erpnder neuer 3ierformen hat
er mit Primaticcio den Grund zu dem roge-
nannten Rollwerkßil gelegt. Er ßarb 1571,
ein Jahr nach Primaticcio, und mit ihm erlofcb
die erfte Malerfcbule von Fontainebleau. Sein
Sohn Giulio Camillo kam mit ihm um 1552

nach Frankreich und war als Maler von 1561 bis
1577 in Fontainebleau befcbäftigt. Äls Ver-
walter der Malereien im Schlöffe ftarb er kurz
vor 1582. Ein anderer Sohn Niccolos fdjeint
Chriftophe l’Abbe gewefen zu fein, deffen
Name fo überfetjt wurde, ein Maler, der in
Fontainebleau von 1561 bis 1562 und in Paris
1567 und 1585 urkundlich nachweisbar iß.
Vielleicht war auch der Maler Jean l’Abbe
ein Verwandter Niccolos. Von ihm wißen wir,
daß er von 1585 bis 1587 in Paris arbeitete,
und wir dürfen vermuten, daß er mit dem Maler
Jean Labbe, der 1593 große farbige Glasfenßer
für die Kirche S. Nicaise in Reims ausführte,
eine Perfon iß. Die vierte Generation der
Familie vertritt nicht unrühmlich Ercole l’Ab-
bate, ein Sohn des Giulio und Enkel des Nic-
colo, ein Künftler, der rafch durchs Leben
ftürmte, fchnell fchaßend, begabt, aber leicht-
pnnig. Ercole hat zahlreiche Altarbilder und
Fresken hinterlaßen, die von Correggio und
den großen Venezianern beeinßußt pnd. Seine
Cätigkeit befdjränkt ßd) auf Modena, wo er
1613 ßarb und im großen Sitjungsfaal des Rat-
haufes gemeinfam mit Bartolomeo Schedone
fein Hauptwerk, Freskenmalereien mit Dar-
ßellungen aus der Antike, gefchaßen hat. Mit
Ercoles Sohne, Pier Paolo dem Jüngeren
(1592—1630), endet die künßlerifche Cätigkeit
der Abbate in der fünften Generation. Eine
erftaunliche künßlerifche Fruchtbarkeit fürwahr
und ein feiten vorkommendes Beifpiel für die
Vererbung geißiger Anlagen!
Dasjenige Mitglied der Familie, dem diefe
3eilen gewidmet find, gehört der zweiten
Generation an. Es ift Pietro Paolo der Ältere,
ein Sohn Giovannis und Bruder des Niccolo
dell’Abbate. Sein 1555 verßorbener 3eitgenoße
Lancilotto erwähnt ihn im zweiten Bande
feiner Chronik, wo er von den berühmten
Modenefern fpricht. Aber er weiß von Pietro
Paolo nichts weiter zu berichten, als daß er in
der Darftellung einer „furia di cavalli“ (wild
kämpfender Pferde) nicht feinesgleichen hotte-

1142
 
Annotationen