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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Parkes, William Kineton: Frühe englische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0055

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Frühe e n g 1 i f d) e Kunft

Von KINETON PARKES
Mit drei Tafeln

or einiger 3eit bahnte fiel) in England eine allgemeine Wertfchä&ung primitiver


Malerei, Plaftik und Dekoration an. Spezialiften, wie Prof. Lethaby und E. W.

v Criftram, gaben von 3eit zu 3e’-t ibre Funde bekannt und regten zu weiteren
Nachforfchungen an. Nun hat Viscount Lee of Fareham, ein Kunftliebijaber, die Sache
in die Fjand genommen. Ändere, wie der Rektor von Eton, bemühen fid) um folche
Werke, deren Vorhandenfein bekannt ift, und wieder andere [teilen ernfte Nach-
forfdjungen an, in der Hoffnung, neue Werke zu finden. Die Kathedralen, Kirchen
und 3d)löffer Englands und Schottlands werden nach neuem Material durchfucht, und
die Ärchive werden erneut auf Nachrichten über Standorte bisher unbekannter Werke
durd)gefehen. Die Wände alter Gebäude werden von Capeten, Cäfelungen, Cünd)e
und Mörtel befreit, und die Ergebniffe all diefer Cätigkeit kommen nun in der Royai
Äcademy in London zum Vorfchein, wo jefet die Äusftellung Britifcher Primi-
tiver ftattfindet. Es find 137 von ihnen da; der größte üeil davon find Originale,
der Reft Kopien; auch einige Photographien fleht man. Die Werke find von etwa
fünfzig Standorten hierher verbracht worden, unter anderem aus der Kgl. Sammlung,
der Gefellfchaft der Ältertumsforfcher, dem Viktoria und Älbert-Mufeum, der Weft-
minfter Äbtei, den Kathedralen und Kirchen der Dochfchulen von Norwich, Canterbury,
Cambridge, Eton ufw.
Die Äusftellung umfaßt Werke vom 10.—16. Jahrhundert, denn die Buchminiatur ift
als Vorläufer der Wandmalerei eingefchloffen. 3udem erreichte fie in England eine
f)öhe, die das Feftland nicht nur bewog, Proben davon zu erwerben, wo es nur konnte,
fondern fie fogar nachzuahmen. Die künftige Wandmalerei hatte alfo eine gefunde
Grundlage. Indeffen gab es noch andere Quellen: Gewebe und Stickereien. Erftere
waren britifch, die letzteren können nicht den Änfpruch erheben, es ganz zu fein. Die
Stickarbeit war britifch, aber fie wurde auf Seiden und Satins italienifchen oder anderen
Qrfprungs ausgeführt oder in anderer Verbindung mit folchen Brokaten und Damaftftoffen
benutzt. Die feftländifcljen Seidenftoffe waren zuletzt herübergekommen, aber nicht zu
fpät, um die primitiven britifchen Künftler zu beeinfluffen, die die fo erworbenen Mufter
in ihre Werke aufnahmen und zwar mit Gefchick. Darin waren fie von den früheren
Kunfthandwerkern und Malern Italiens und Frankreichs nicht vermieden.
Es gab in diefem Falle einen befruchtenden Äustaufd) wie mit den britifchen Fjand-
fchriften, die nach Frankreich gingen, und es gibt weiter Beweife dafür, daß nicht nur
die Fjandfdjriften ihren Weg ins Äusland fanden, fondern auch die Stickereien und
Glasmalereien als Modelle von den Malern und Kunfthandwerkern der Schule um
Bergen benutzt wurden, die zufammen mit anderen Schulen ihre auf dem genannten
Wege fo ftark von England beeinflußten Werke in die Kirchen der fkandinavifchen
Völker verftreute. Die britifche Kultur war in diefen Ländern auf einmal die angefehenfte.
In diefer Äusftellung ift kein tatfächliches Beifpiel der Decken- oder Wandmalerei
vor dem 12. Jahrhundert vorhanden. In Canterbury, Chichefter, Weftminfter find diefe
frühen Werke erhalten und zeigen den Einfluß der byzantinifchen Kunft, der auf den
zwei bis drei Jahrhunderte vorher ftattgehabten keltifdjen gefolgt war, der aber im
frühen 14. Jahrhundert einem „Geift größerer Ruhe und Einfachheit“ wich, wie &L G-
Conftable in feiner ausgezeichneten Einleitung zum Katalog der Äusftellung nachweift.
Von St. Älbans ift der erfte englifche Maler bekannt: Meifter Walter von Colchefter,
der zu Beginn des 13. Jahrhunderts Mönch in St. Älbans wurde. Er war Maler, Fjolz-
und Steinbildhauer und arbeitete auch in Metall. Er tyattz einen Bruder, Simon, und
einen Neffen (Simons Sohn), beide vielfeitige Künftler wie er felbft, und diefen dreien
ift das Wachstum des gotifchen Dekorationsftils zu verdanken. Ein aus St. Älbans

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