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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Osborn, Max: Die junge Kunst in den russischen Museen und Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0931

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Die junge Kunft in den ruffifd)en Mufeen

Von MAX OSBORN / Mit
10 Abbildungen auf 5 Tafeln1


und

Man mag als Politiker und Nationalökonom zu der bolfcßewiftifchen Revolution
vom Fjerbft 1917 fteßen, wie man will — der Kunftfreund hat unter allen üm-
ftänden fe[tzuftellen, daß diefe gewaltigfte und gründlicßfte aller Staatsum-
wälzungen im Bezirk der Künfte mcßt zerftört, [ondern im Gegenteil Neues aufgebaut
hat. Hier zeigte es fiel), daß die ungeheure Bewegung [ich Hießt im Sozialen und
{Hirtfcßaftlicßen erfeßöpfte, [ondern daß die geiftigen Intereffen bei ißr als ebenbürtige
Elemente des erhofften Umfcßmelzungsprozeffes in Rechnung gestellt wurden. Die
enge Verbindung, die [eit einem Jahrhundert der revolutionäre Gei[t in Rußland mit
der Intellektualität des Landes eingegangen war, hat das zuwege gebracht. Sie legte
den Grund zu einer Erfcßeinung, die [ich bei keiner einzigen der großen weltgefcßicßt-
licßen Revolutionen beobachten läßt.
Mit mcßt geringem Staunen bemerkt der Fremde, der das neue Rußland bereift, daß
alle Erzählungen von mutwilligen Vernichtungen oder Befriedigungen künftlerifcßer
Denkmäler, die in ümlauf gekommen, [ich als Legenden erweifen. Nicht einmal die
Standbilder der 3aren und ißrer Getreuen haben die Volkswut allzu empfindlich ge-
[pürt. (Hohl ßad gelegentlich einige moderne Monumente entfernt worden. Äm
fcßlimmften ift es dabei dem Denkmal Stolypins in Kiew ergangen, das von [einem
Sockel geftürzt und an Ketten durch den Kreftfcßatik, die berühmte Fjauptftraße der
Stadt, gefcßleift wurde. Stand- und Reiterbilder der lebten Selbftßerrfcßer find gleich-
falls an verfeßiedenen Stellen entfernt worden. Darunter auch die Alexanders II. auf
dem Kreml und Alexanders III. vor der Erlöferkircße in Moskau. Aber niemand wird
behaupten, daß damit eigentlich künftlerifcße vierte zerfcßlagen wurden. Es war, wahr-
haftig, kein Verluft. Die leeren Sockel, die auf diefe GCIeife fteßen blieben, erwecken
vielmehr im Befcßauer den kefeerifeßen Gedarrten, ob nicht folcße Operationen dem
äftßetifcßen Eindruck moderner Denkmalsplä^e und -ftraßen zugute kommen ....
Aber alle Fürftenbilder, die durch ißre Qualität oder auch nur durch ißre ßiftorifeße
Bedeutung ein wenig ßößer [tanden, blieben verfeßont. Niemand vergriff ficß daran.
Nach wie vor [prengt Falconets Peter der Große in Petersburg am üfer der Newa
[einen Felfen hinan. Qnverfeßrt fteßt ebenfo das zweite Reiterbild des großen Peter
von Raftrelli, das Paul I. vor das Ingenieurfcßloß fetten ließ, um dem Peter-Denkmal
[einer Mutter Katharina II. ein Paroli zu bieten. Die große Katharina felbft wurde
gleichfalls refpektiert. nieder ißr Denkmal in Odeffa, bei dem der Architekt Dmitrenko
und der Bildhauer Popow die gefcßmackvolle Idee hatten, die Kaiferin aus einer Ver-
[ammlung ißrer am Sockel angebrachten Generalliebßaber auftauchen zu laffen, noeß
das in Petersburg, für das Mikefcßin und Opekufcßin den Entwurf lieferten, hatten zu
leiden. Sogar das bronzene Reiterbild Nikolaus I. in Petersburg, der doch zu Lebzeiten
waßrlich eine Verkörperung autokratifeßen 3arentums gewefen, blieb unbehelligt; waßr-
[cßeinlich weil man dies tüchtige ülerk des befonders als Pferdebildßauer gefcßäljten
Baron Klodt refpektierte. In Petersburg ließ man felbft das Reiterdenkmal Alexanders III.,
naße dem Baßnßof, auf [einem Sockel, obfcßon diefe plumpe und brutale Arbeit des
1 Die hier mitgeteilten perfönlicßen Beobachtungen des Berliner Kunftfcßriftftellers konnten in-
folge 3eümangels nicht die erwünfchte illuftrative Unterlage erhalten, [o daß wir uns diesmal
darauf befchränken, einige der fchönften und noch wenig bekannten Gauguin-Bilder aus den
Moskauer Sammlungen zu reproduzieren, die im lebten Jahr auf unfere Veranlaffung für den
Gauguin-Band der „jungen Kunft“ aufgenommen worden find, öüir ßojfen aber in nädjfter 3eit
einen wichtigen Geil der anderen Moskauer Kunftfcßä^e nachträglich veröffentlichen zu können.

Der Herausgeber.

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