[entlieh negative Vorgang wird vom weitficl)tigen Führer der Bewegung zu einem feßr
bedachten Eklektizismus umgebogen, der von außen annimmt, was fid) eigenem Form-
willen unterzuordnen [cheint, eine Internationale von Seß- und Vorftellungsformen, deren
alleinige Berechtigung der ariftokratifche Dakt der Auswahl ift.
So ßat [ich geschichtlich ein Paradox vollzogen. Tradition, die in Indien tatfäd)lid)
formkräftiger Faktor ift, wurde von außen her von einer Anarchie verdrängt, gegen
die von neuem eine Dradition [ich fdjaffen will, vorläufig aber an der Bewußtheit des
eigenen Mangels leidet. Sind demnach Seh- und Vorftellungsforrn getrübt, [o bleibt
doch der indifche Künftler der Gegenwart Inder, das heißt vom feelid) Bedeutfamen
zum Schaffen gedrängt oder auch nur beeindruckt. Gerade in diefer Beziehung aber
ift gewöhnlich Vergangenheit in ihm ftärker als Gegenwart. Das Preziöfe der Wieder-
geburt fpiegelt [ich im Illuftrationscharakter der Bilder wieder. Dl)ema und Form ver-
halten [ich dann wie Mythus zur Dl)eofophie.
Der Großftadtintellektuelle ift hier doppelt zerriffen in 3eit und Raum; Vergangen-
heit und Gegenwart werden ihm zum Dilemma von Often und Weften. Doch der
Genius einer kommenden Generation wird den Weg bereitet finden.
Die Aneignung indifepen Erbgutes war fomit Fjauptproblem der [ich formenden Maler-
fchule von Bengalen. Ähnlich ftand es um die Klaffik in europäifdjer Renaiffance.
Doch ihr war die fichtbare Form der Dinge und die Freude daran lebendigfte Wirk-
lichkeit und gleichzeitig Grund, rückzublicken. Der heutige intellektuelle Inder hingegen
fet^t kosmopolitifche Doleranz an ihre Stelle. Seine Renaiffance ift politifch-theoretifd),
feine Bindung an die Gegenwart noch ungeformt. In diefem Gärungsprozeß indifcher
Kunft tobt kein Sturm. Dagtraum, Sehnfucht und Erinnerung mahnen zur müden, ver-
feinerten Gefte. Erkenntnis gibt ihr Präzifion.
Die „India Society of Oriental Art“ hielt nun ihre fünfzehnte Jahresausftellung. Im
Lande felbft hat fie noch nicht die Anerkennung, die ihr gebührt. Denn niemand [teh't
indifcher Kunft und Kunft überhaupt verftändnislofer gegenüber als der heutige Durd)-
fchnittsinder. Ihm ift das „Kunftwollen“, das [ich ihm hier aufdrängt, aufreizend,
doch wagt er nicht feine Abneigung fo rabiat zur Schau zu tragen wie der weftliche
Bourgeois, denn fchließlid) ift er in feiner politifdjen Gefinnung gezwungen, die Be-
wegung als Ausdruck indifchen Nationalbewußtfeins anzuerkennen.
3ur ungewollten Anteilnahme des Weftens an der Neubelebung indifcher Malerei
gefeilt [ich, diesmal aber ganz bewußt, der japanifche Einfcßlag. Okakura Kakuzos
Aufenthalt in Calcutta brachte nicht nur japanifchen Malern das Dafein Ajantas zum
Bewußtfein, fondern ließ die Inder die Cecßnik japanifeßer Farbenwafcße allerdings mit
englifcßen Wafferfarben auf 3eid)enpapier fid) zu eigen machen. Japans Werk in
Indien ift auch die Mahnung zur Fläche, die nötig war in einem Stadium der
jungen Bewegung, das noch nicht ganz den Unterricht englifcher Kunftakademie ver-
geffen hatte.
Auf diefer fo unficheren Grundlage baute Abanindranath Dagore eine Kunft auf,
die troß aller gefuchten Anklänge an Ajanta und Moghulmalerei, trotj aller Japanismen
und gelegentlicher occidentaler Reminiszenzen, die zwifchen Fjiftorienmalerei und Whiftler
fchwanken, trotj aller Bewußtheit der Richtung, dod) ihre eigene Seele haL die fiel)
fd)eu in durd)[id)tig dünner Form verbirgt, erfcßreckt vom eigenen Klang.
Gewaltiger als die verftandesmäßig gefueßte, eklektifcße Belebung an das 16.
und 17. Jahrhundert, ift der Ablauf indifcher Kunftentwicklung, die trotj zeitweifer
Stagnation und fpäterhin gewaltfamen Abbruches in Abanindranath Dagore lebendig
weiterwirkt. Seine haarfd)arfen Umrißlinien, die alle Form fo rund umfaffen, doch
fpröde find an allen Gelenken, unwahrfcheinlid) biegfam, mit einem 3U9 empßnd-
famfter Gebrechlichkeit, find nicht nur perfönlid)e, fondern aud) von indifcher Dra-
dition gebilligte Form, die fid) nach dem 10. Jahrhundert bemerkbar machte, zwar
nicht in Bengalen, deffen Kunftcharaktere rund und üppig fid) biegen und keine Pro-
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bedachten Eklektizismus umgebogen, der von außen annimmt, was fid) eigenem Form-
willen unterzuordnen [cheint, eine Internationale von Seß- und Vorftellungsformen, deren
alleinige Berechtigung der ariftokratifche Dakt der Auswahl ift.
So ßat [ich geschichtlich ein Paradox vollzogen. Tradition, die in Indien tatfäd)lid)
formkräftiger Faktor ift, wurde von außen her von einer Anarchie verdrängt, gegen
die von neuem eine Dradition [ich fdjaffen will, vorläufig aber an der Bewußtheit des
eigenen Mangels leidet. Sind demnach Seh- und Vorftellungsforrn getrübt, [o bleibt
doch der indifche Künftler der Gegenwart Inder, das heißt vom feelid) Bedeutfamen
zum Schaffen gedrängt oder auch nur beeindruckt. Gerade in diefer Beziehung aber
ift gewöhnlich Vergangenheit in ihm ftärker als Gegenwart. Das Preziöfe der Wieder-
geburt fpiegelt [ich im Illuftrationscharakter der Bilder wieder. Dl)ema und Form ver-
halten [ich dann wie Mythus zur Dl)eofophie.
Der Großftadtintellektuelle ift hier doppelt zerriffen in 3eit und Raum; Vergangen-
heit und Gegenwart werden ihm zum Dilemma von Often und Weften. Doch der
Genius einer kommenden Generation wird den Weg bereitet finden.
Die Aneignung indifepen Erbgutes war fomit Fjauptproblem der [ich formenden Maler-
fchule von Bengalen. Ähnlich ftand es um die Klaffik in europäifdjer Renaiffance.
Doch ihr war die fichtbare Form der Dinge und die Freude daran lebendigfte Wirk-
lichkeit und gleichzeitig Grund, rückzublicken. Der heutige intellektuelle Inder hingegen
fet^t kosmopolitifche Doleranz an ihre Stelle. Seine Renaiffance ift politifch-theoretifd),
feine Bindung an die Gegenwart noch ungeformt. In diefem Gärungsprozeß indifcher
Kunft tobt kein Sturm. Dagtraum, Sehnfucht und Erinnerung mahnen zur müden, ver-
feinerten Gefte. Erkenntnis gibt ihr Präzifion.
Die „India Society of Oriental Art“ hielt nun ihre fünfzehnte Jahresausftellung. Im
Lande felbft hat fie noch nicht die Anerkennung, die ihr gebührt. Denn niemand [teh't
indifcher Kunft und Kunft überhaupt verftändnislofer gegenüber als der heutige Durd)-
fchnittsinder. Ihm ift das „Kunftwollen“, das [ich ihm hier aufdrängt, aufreizend,
doch wagt er nicht feine Abneigung fo rabiat zur Schau zu tragen wie der weftliche
Bourgeois, denn fchließlid) ift er in feiner politifdjen Gefinnung gezwungen, die Be-
wegung als Ausdruck indifchen Nationalbewußtfeins anzuerkennen.
3ur ungewollten Anteilnahme des Weftens an der Neubelebung indifcher Malerei
gefeilt [ich, diesmal aber ganz bewußt, der japanifche Einfcßlag. Okakura Kakuzos
Aufenthalt in Calcutta brachte nicht nur japanifchen Malern das Dafein Ajantas zum
Bewußtfein, fondern ließ die Inder die Cecßnik japanifeßer Farbenwafcße allerdings mit
englifcßen Wafferfarben auf 3eid)enpapier fid) zu eigen machen. Japans Werk in
Indien ift auch die Mahnung zur Fläche, die nötig war in einem Stadium der
jungen Bewegung, das noch nicht ganz den Unterricht englifcher Kunftakademie ver-
geffen hatte.
Auf diefer fo unficheren Grundlage baute Abanindranath Dagore eine Kunft auf,
die troß aller gefuchten Anklänge an Ajanta und Moghulmalerei, trotj aller Japanismen
und gelegentlicher occidentaler Reminiszenzen, die zwifchen Fjiftorienmalerei und Whiftler
fchwanken, trotj aller Bewußtheit der Richtung, dod) ihre eigene Seele haL die fiel)
fd)eu in durd)[id)tig dünner Form verbirgt, erfcßreckt vom eigenen Klang.
Gewaltiger als die verftandesmäßig gefueßte, eklektifcße Belebung an das 16.
und 17. Jahrhundert, ift der Ablauf indifcher Kunftentwicklung, die trotj zeitweifer
Stagnation und fpäterhin gewaltfamen Abbruches in Abanindranath Dagore lebendig
weiterwirkt. Seine haarfd)arfen Umrißlinien, die alle Form fo rund umfaffen, doch
fpröde find an allen Gelenken, unwahrfcheinlid) biegfam, mit einem 3U9 empßnd-
famfter Gebrechlichkeit, find nicht nur perfönlid)e, fondern aud) von indifcher Dra-
dition gebilligte Form, die fid) nach dem 10. Jahrhundert bemerkbar machte, zwar
nicht in Bengalen, deffen Kunftcharaktere rund und üppig fid) biegen und keine Pro-
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