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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 2
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0126

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Ausstellungen

lichkeit findet. Szönyi, in dieserBeziehung
schon als Anreger bedenklich, zieht eine
ganze Schar vollends fragwürdiger Epigo-
nen nach sich. Abseits von diesem Pathos
der monumental gewollten, aber wulstig da-
nebengeratenen Großaktkompositionen, ab-
seits der so beliebten rhapsodischen Effekt-
malerei in Helldunkel steht Egry, vollkom-
men vereinzelt in der zart-tiefen Vergeisti-
gung des farbig entflammten Lichtes. Sucht
man weiter nach wahrhaftiger Verinnerli-
chung, so stößt man auf eine Tote, auf die
leider allzu früh verstorbene Anna Czil-
lich. Oder man muß sich mit anderen Er-
innerungen des vorigen Jahres begnügen,
mit der Ausstellung Czöbel z.B. Als vor-
läufig noch frommer Wunsch ist die Aus-
stellung von Werken eines leidenschaftli-
chen expressiven Temperaments vorgese-
hen: N emes-Lamp 6rth. Selbst diese Aus-
stellung jedoch wird, sofern sie überhaupt
zustande kommt, einen leider toten Maler
ehren. Die zahlenmäßig und qualitativ sehr
bedeutende Diaspora moderner ungarischer
Künstler zeigt immer noch wenig Neigung,
sich der Heimat anzuvertrauen. Bereny,
Tihanyi, Kernstock, Medgyes, Csäky,
Moholy-Nagy, Ferenczy, Peri, Ber-
näth, Kassäk, Bortnyik, Huszär, P6r
usw. leben und wirken in Deutschland,
Frankreich, Holland, Tschechoslowakei,Ru-
mänien. Kädär und Scheiber leben zu
Hause, stellen aber in Berlin aus. KeinWun-
der. Abgesehen von der wirtschaftlichen
Ohnmacht des zerstückelten Landes und
dem immer noch fühlbaren reaktionären
Druck der politischen Verhältnisse, ist es
kaum zu glauben, was an Indolenz und Ver-
ständnislosigkeit neuen Strömungen gegen-
über sich in der Budapester Presse und im
dortigen Kunsthandel breit macht. Heli-
kon, Alkotäs, Belvedere, Galerien, die
übrigens auch sehr vorsichtig versuchten,
dem Ausstellungswesen einen neuen Kurs
zu geben, gingen der Reihe nach ein. Blie-
ben das Ernst-Museum und Nemzeti-
Szalon (Nationaler Salon), wahre Heim-
und Brutstätten arrivierter Routiniers und
solcher, die es werden wollen. Von Paris
her kommen Anhänger nicht der früheren,
sondern nur der gegenwärtigen Derain, Pi-
casso usw. Also wird der Neuklassizismus
aufgepfropft, doch ohne die revolutionären
Anstrengungen, die dieser kleinbürgerlichen
Selbstbescheidung vorangingen und sie als
psychologische Ruhe- und Sammelpause
begreiflich machen. Schon triumphieren in
der Kritik etliche, als Ästheten überlegener
Geistigkeit kaschierte Bildungsphilister äla
Ignotus, die bei C^zanne und Gauguin an-
gelangt, eine chinesische Mauer um sich

erbaut haben und nun selbstzufrieden ru-
fen: ,,Seht, wir haben es immer schon ge-
sagt, der Umweg vom Picasso der blauen
Periode über Kubismus zum Picasso der
neuen, klassisch-organischen Naturfülle wä-
re zu ersparen gewesen.“ Eitel Freude bei
unfähigen Köpfen und Nerven. Scheint sich
doch ein -wahres Versöhnungsfest zwischen
rechts und links zu bieten! Eine ungarische
Zeitschrift existiert, die in diesen lauenFrie-
den heimatlicher Froschperspektiven kräf-
tig hineinfahren könnte. Es ist das MA
(Heute) von Ludwig Kassäk und erscheint
in — Wien. Diese Zeitschrift ist nämlich in
Ungarn verboten. Vor kurzem machte sich
ein Versuch bemerkbar, in Budapest etwas
Ähnliches anzufangen. Mit dem bezeich-
nenden Namen Csak azert is (Trotz alle-
dem). Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sie
von der gleichen zähen Energie beseelt ist,
wie MA durch Kassäks imponierendes Füh-
rertum. Eine andere, hier einmal schon er-
wähnte Zeitschrift (Ars Una) ging jeden-
falls ein. Trotzdem sie nur sehr mäßige An-
sätze zum Modernen zeigte. Übrigens:Viel-
leicht liegt die Ursache des Mißerfolges ge-
rade in dieser allzu großen Vorsicht, die na-
turgemäß mit Lauheit verbunden war. Eine
Ursache steht unter allen Umständen fest.
Die Zeitschrift war zu stark mit speziell
kunsthistorischem Material belastet. Un-
garn verfügt nicht über solch eine große Ge-
meinde kunstwissenschaftlicher Fachleute
wie Deutschland z.B., die eine von Spezial-
forschungsfragen derart durchsetzte Zeit-
schrift erhalten könnte. Und das Publikum
wünscht mehr lebende Anregung als muse-
ale Belehrung. Nun steht die künstlerisch
so begabte ungarische Kultur ohne jede
Zeitschrift da, die, nicht kämpferisch exklu-
siv, den geistigen Stoffwechsel nach allen
Richtungen moderner Kunst hin vermitteln
und klären könnte. Ein sehr bedauerlicher
Zustand, der dringende Abhilfe heischt.
Ernst Kdllai.
CHEMNITZ
Im Kunstsalon Gerstenberger zeigt der
einheimische Maler Gustav Schaffer eine
größere Kollektion von Gemälden undZeich-
nungen aus den beiden letzten Jahren. In
der vorangegangenen Ausstellung vor zwei-
undeinhalb Jahren sah es aus, als habe
Schaffer die letzten Möglichkeiten seines
linear gebundenen Stils gefunden und den
Spielraum seiner Mittel gefährlich Verengt.
Die gemalten Landschaften des Riesenge-
birges, im vergangenen Herbst entstanden,
geben eine Erweiterung nach der maleri-
schen Seite hin zu erkennen. Die Bildfläche
ist lockerer im zeichnerischen Zusammen-
hang geworden, die Farben klingen in ihrer

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