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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 3
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0180

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Ausstellungen

stimmten Plan und Wollen sich ergeben-
den Ausstellungen höchst erzieherisch
wirkt. Dazu hilft auch ein von ihm dann
und wann herausgegebenes illustriertes
Blatt, das er „Art Lover“ nennt.
Moderne „Primitive“ pflegt St. Bour-
geois in seiner Privatgalerie. Das sind
Künstler, die sich mit ernstem Bemühen
mit den Urproblemen der Malerei, der
Form, dem Gewicht des dargestellten Ge-
genstandes, der Fläche usw. beschäftigen
und sie auf ihre Weise zu lösen suchen.
Letzthin sah man da Arbeiten eines Man-
nes, namens Friedmann, der sich als
Postsortierer seinen Lebensunterhalt ver-
dienen muß, dessen ganze Liebe aber der
Kunst gehört.
Wie er Form, Fläche und Gewicht
gleichsam beschwört, wie er klare, helle,
klingende Farbenflächen gegeneinander-
stellt, das hat alles im wahrsten Sinne
etwas Modernes und „Primitives“ zugleich.
F.
STUTTGART
Unter den letzten Veranstaltungen des
Kunsthauses Schaller verdienten beson-
ders die Ausstellungen von zwei schwä-
bischen Künstlern Beachtung. Zuerst kam
Reinhold N äge 1 e-Stuttgart, zu Wort,
von dem erstmals eine größere Kollektion
von Gemälden vereinigt war. Nägele ist
ohne Zweifel der originellste und am mei-
sten selbständige Stuttgarter Maler, wenn
sich auch nicht verhehlen läßt, daß seine
Begabung sich vielfach im Allzukleinen
oder im Suchen nach geistreichen Pointen
versplittert. Unter den zumeist im letzten
Jahr entstandenen Bildern kann als stärk-
ste Leistung eine Rauhreiflandschaft her-
vorgehoben werden; die italienischen
Landschaften bedeuten für ihn eine Er-
frischung und Belebung seines Kolorits,
während er sich in seinen phantastischen
Ausstellungs- und Volksfestkompositionen
zu sehr in eine Kleinheit verliert, die kei-
nen geschlossenen Bildeindruck zustande
kommen läßt. — Der mit Nägele zusam-
men ausstellende Friedrich Schütz, ein
Mitglied der bekannten Malerfamilie, hat
zuerst im Rheinland Beachtung gefun-
den. Der Künstler, dessen Stärke in der
Landschaft, weniger in den unerfreulichen
Kostümbildern liegt, bleibt in seinen Wer-
ken in der Tradition der Familie, die er
aber im Sinne einer fortgeschrittenen Far-
bigkeit weiter entwickelt. Eine weitere
Ausstellung war dem schon vor einem
Vierteljahrhundert gestorbenen Maler Otto
von Faber du Faur gewidmet, auf den
erst im vergangenen Herbst eine Ausstel-
156

lung des Münchner Kunstvereins wieder
aufmerksam gemacht hatte, nachdem er
seit seiner Nachlaßausstellung vom Jahre
igoß fast in Vergessenheit geraten war. Die
Reihe von 43 Gemälden brachte einen gu-
ten Überblick über sein Schaffen, in dem
neben dem Einfluß der Münchner Piloty-
schule viel stärker die Anregungen der
französischen Romantik wirksam werden.
Dieser Maler kann in der tiefen Schönheit
seiner Farben zuweilen einem Delacroix
und Monticelli nahekommen, besonders
bei seinen mehr skizzenhaften, das Tem-
perament durchblickenlassenden Gemäl-
den, die mit Vorliebe Reiterszenen und
Pferde darstellen.
BeiEberhard zeigt Gustav Jäger einige
seiner neusten Arbeiten. Der Künstler
sucht in seinen noch impressionistisch
empfundenen Bildern zu einer intensive-
ren, aber harmonischen Farbigkeit zu ge-
langen; dazu kommt ein deutliches Her-
auskehren der Stimmungswerte in der Land-
schaft, die seine stärkste Seite ausmacht.
B-l.
WIESBADEN
Der Nassauische KunstvereinimNeu-
en Museum bringt Kandinsky, vorwie-
gend Arbeiten jüngsten Datums. Kandin-
sky ist jetzt auf dem Pol der Abstraktion
ängelangt und seine Aufgabe ist erfüllt.
Sein Verdienst liegt weniger in dem, was
er uns gegeben, als darin, wovon er uns
befreit hat. Goethe trug Schiller einmal sei-
ne Pflanzentheorie vor. Schiller schüttelte
dazu den Kopf und sagte: „Das ist keine
Erfahrung, das ist eine Idee.“ So ungefähr
könnte man auch von Kandinskys Vier-
ecken, Dreiecken, Kreisen, Kurven, Stri-
chen und schönen Farben sagen. Sie sind
keine Erinnerungen an die Natur, keine
Augenerlebnisse, sondern Reflexe vonEmp-
findungen, die verstandesmäßig auf ein Mi-
nimum von Form gebracht werden. Dieses
Verstandesmäßige, mit dem „der reine in-
nere Klang der Linie“ gesucht wird, ist das,
was diese Kunst schwer verständlich und
dem Laien, für den sie doch schließlich
auch da sein sollte, ungenießbar macht.
Man mag von Klang und Ton der Farben
reden, so viel man will, letzten Endes bleibt
doch das Bewußtsein, daß Malerei keine
Musik ist und daß es nicht richtig ist, die
Verachtung der Programmusik auf das Ge-
genständliche in der Malerei zu übertragen.
Malerei ist Augenkunst. Das Auge ist der Ab-
straktion willig; es flieht gern von der Ba-
nalität der Photographie zur Struktur oder
zur Kultsprache der Symbolik des Orna-
ments. Wir wissen aus der Popularität des
 
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