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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Neue Literatur zur Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0247

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Neue Literatur zur Keramik

gestellt vzerden, die vom Hamburgischen
Museum für Kunst und Gewerbe aus dem
Handel vor einigen Jahren als Kopenhage-
ner Porzellan gekauft wurden, die aber mit
höchster Wahrscheinlichkeit, worauf uns
der verstorbene Direktor Emil Hannover
hinwies, Erzeugnisse der Petersburger Ma-
nufaktur sind. Die beiden mit einem einge-
ritzten P versehenen Figuren sind identisch
und nur in der Bemalung unterschieden.
Auf flachem Sockel mit Rocaillen steht vor
einem Baumstumpf ein Schiffer, den linken
Fuß auf einen Anker setzend, die linke
Hand an den Taschenrand der Pluderhose
haltend und den rechten Arm in die Seite
stemmend. Die flachen Rocaillen weisen
die Figur noch in die 70er Jahre. Ein drit-
tes uns bekannt gewordenes Exemplar be-
findet sich seit längerer Zeit in der Samm-
lung Wilhelm Schulz-Leipzig und wird auch
dort von seinem Besitzer als Petersburg an-
gesprochen.
Gelingt es Lukomskij nicht, die Bedeu-
tung der russischen Manufaktur im 18. Jahr-
hundert herauszuheben, so verflacht er voll-
ends durch die Überfülle die Qualität der
Arbeiten des ig. Jahrhunderts. Es war ein
glücklicher Gedanke der Kaiserlichen Ma-
nufaktur — und man wird ihr wohl gegen-
über der Fülle gleichstrebender kleinerer
russischer Fabriken die Führerschaft zu-
sprechen müssen —, anscheinend an die
Volkstypen der 70er und 80er Jahre an-
knüpfend, in den 30 er Jahren des ig. Jahr-
hunderts wieder zu volkstümlichen Figuren
zurückzukehren (Lukomskij, Abb. 78, 84).
Soweit die kleineren Fabriken wie Gardner,
Popoff, Korniloff, Gortoff u. a. (Lukomskij,
Abb. 76, 77, 83, 85, g4, gs) sich dieser Ten-
denz anschlossen, haben sie hervorragen-
des und eigenartiges geschaffen: es ent-
stand ein Stück Volkskunst! Was aber da-
neben hergestellt worden ist, geht nicht
über die Durchschnittsproduktion der übri-
gen europäischen Manufakturen hinaus; die
Erzeugnisse der 50er und 60er Jahre, denen
Lukomskij „glänzendste“ Qualität zuschrei-
ben möchte, sind doch allzu retrospektiv,
auch wenn sie prunkhafte Vasen darstellen
(Lukomskij, Abb. g2/g3), die sich letzten En-
des dem gleichzeitigen Tiefstand von Mei-
ßen allzu unverkennbar anschließen.
Alfred Rohde.
Karl Koetschau, Rheinisches Stein¬
zeug. Mit 73 Bildtafeln in Lichtdruck.
Kurt Wolff-Verlag, München.
Das von dem Verlage in der äußeren Er-
scheinung der Reihe monumentaler Ein-
zelbearbeitungen der deutschen Plastik ent-
sprechend mustergültig ausgestattete Werk
— „Den Rheinländern im Schicksalsjahr

1923“ gewidmet — ist aus dem Wunsche
entstanden, das reiche Material, das sich
seit bald zwei Dezennien als Vermächtnis
des letzten großen Sammlers rheinischen
Steinzeuges, Laurenz Heinrich Hetjens im
Besitz der Stadt Düsseldorf befindet, zu
veröffentlichen und damit den Dank der
Allgemeinheit für diese einzigartige Stiftung
zum Ausdruck zu bringen.
Diese Aufgabe konnte nicht schöner ge-
löst werden, als hier geschehen ist. Es han-
delt sich nicht um eine neue und umfas-
sende wissenschaftliche Behandlung des
weitschichtigen Themas, über das Otto von
Falke in seinem igo8 erschienenen zugleich
grundlegenden und in allen Wesentlichen
abschließenden Werk gehandelt hat, sondern
um den Versuch, diesem unserem gegen-
wärtigen Empfinden merkwürdig fern ge-
rückte Gebiet deutschen kunsthandwerk-
lichen Schaffens neue Freunde zu werben.
Die von Falke gezogenen Grundlinien blei-
ben dabei unverrückt, nur einzelne, glück-
lichen neuen Funden zu dankende, Ergän-
zungen erweitern seine Feststellungen: ein-
mal neue Beobachtungen über den Arbeits-
vorgang bei der Herstellung der Formen
für den Reliefschmuck des rheinischen
Steinzeugs, dann die nun endlich ge-
glückte Deutung der Signatur des bedeu-
tendsten Siegburger Monogrammeister F.T.,
auf den — wie schon Otto v. Falke ver-
mutet hatte, unzünftigen — Formstecher
F. Trac.
In der Hochflut der keramischen Litera-
tur unserer Tage gibt es wenige, allzu we-
nige Bücher, die zu lesen, Genuß und Freu-
de ist. Koetschaus Werk über das rhei-
nische Steinzeug gehört zu diesen seltenen
Vögeln. In einem sehr gepflegten und über-
legten, leicht aber nicht aufdringlich archai-
sierenden Stil wird nach einleitenden Be-
merkungen über Forscher und Sammler,
über die verschiedenen Arten des tech-
nischen Verfahrens und die Gattungen und
Formen der Steinzeuggefäße, die innere,
d. h. die künstlerische Entwicklungsge-
schichte der vier großen Produktionsge-
biete: Köln-Frechen, Siegburg, Raeren,
Westerwald und ihrer Hauptmeister darge-
stellt.
Während Publikationen dieser Art zu-
meist im Strome des eben gültigen Zeit-
geschmacks zu schwimmen pflegen, ist hier
— bewußt oder unbewußt? — ein Stück
wertvoller Pionierarbeit geleistet worden.
Die Hochflut der Begeisterung — und der
auf den großen Versteigerungen der 80er
und goer Jahre gezahlten Preise — für das
rheinische Steinzeug ist freilich wohl un-
wiederbringlich vorüber, diese Begeisterung,

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