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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0298

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das Alte Reich stand dem Leben wie dem
Tode viel zu ruhig betrachtend gegenüber,
als daß es je seine sachlich schildernde
Heiterkeit verloren hätte. Wie tief muß
eine Welt, die jetzt Ausbrüche wilder Klage
schuf, das Grauen des Todes empfunden
haben, den sie doch nicht müde wird als
Eingang zur Seligkeit zu preisen. Einen
schreienden Tanz unter dem rasenden Ge-
dröhne der Handpauken führen die Wei-
ber vor dem Toten auf, während die Män-
ner starken, schnellen Schrittes entgegen-
gehend ihm zuwinken (419); kaum unter-
scheidet man, ob Jubel oder Schmerz die
Bewegungen immer stürmischer antreibt.
Vor dem Grabe stehen die klagenden Wei-
ber in dichtem Gedränge mit gelösten Haa-
ren und erhobenen Händen (8), und wenn
auch der Maler noch nicht gewandt genug
war, um in der Mitte des Bildes die nach
alter Weise gereihten Gestalten zu vermei-
den, so hat er doch das Durcheinander der
Bewegungen gerade im Gegensätze zum
Stehen der Körper wirksam herausgearbei-
tet. Diese Darstellung aus dem Grabe des
Ramose gehört in die Zeit Amenophis IV.
und verrät etwas von der freien Regung
dieser Jahre. Nicht alles daran war neu,
und nicht alles davon ist mit dem Falle der
religiösen Bewegung verloren gegangen:
wie an der Grabwand des Zai um 1220
vor Chr. die Weiber hocken und sich
schreiend die Stirne schlagen (123), das
reicht im Aufbau der Gruppe wie im Aus-
drucke der Leidenschaft an jenes Bild min-
destens heran. Nur selten ist den Ägyp-
tern der Ausdruck tiefer aber beherrschter
Trauer gelungen, dann freilich so groß-
artig wie etwa in dem Grabrelief eines Prie-
sters aus Memphis, jetzt im Berliner Mu-
seum, das zu den schönsten Werken der
Grabkunst aller Zeiten gehört.
Wer wagte zu behaupten, die Grabherren
von Saqqara unter der 5. Dynastie oder ihre
Flachbildner seien nicht fromm gewesen?
Aber wenn wir sie richtig deuten, so waren
sie harmlos heitere Verehrer der Götter,
denen Frömmigkeit so selbstverständlich
war wie ihr Leben. Anderthalb Jahrtau-
sende haben eine ganz andere Stimmung
geschaffen; das gesteigerte Leben in Kampf
und Genuß weckt von selbst seinen Gegen-
satz, innige Versunkenheit in Gott. Zu ihm
flüchtet sich die Seele aus dem Glück und
Leid der Welt, und tief zur Erde gebeugt
kniet der Beter allein am Fuße der Palme,
ergriffen und ergreifend in seiner schwei-
genden Andacht (m). Einfach und streng
hat der Maler etwas Innerliches in Form
und Farbe umgesetzt. Ich glaube nichts
Fremdes hineinzutragen, wenn ich einen

Hauch des Geheimnisses fühle vor dem
schlichten Bilde aus dem Grabe des Nefer-
hotep, wie der Tote und seine Gattin in der
Gestalt des Lebens dem Grabe entstiegen,
nur einmal noch im Vorhofe das kühle
Wasser trinken wollen (170); mag der Ge-
danke naiv sein, der Künstler füllte ihn
doch mit scheuer Verehrung vor dem
dunklen Wunder des Todes und mit einer
Andacht, die jedes Wort verstummen heißt.
Aus vielen Bildern habe ich wenige ge-
wählt, und ein anderer würde vielleicht an-
dere wählen. Aber wie auch immer: aus
dem ganzen Werke, das nicht Kunst offen-
baren, sondern das bunte Menschenleben
zeigen will, bricht überall die stark und an-
mutig gestaltende Kraft eines künstleri-
schen Volkes hervor, in ihrer Freiheit und
ihrer Liebe zum Wirklichen, wie in ihren
Fähigkeit, durch die Strenge des Stils ihre
Welt zu bändigen und endlich auch bis
an die Schwelle zu dringen, wo die Form
zur stummen Sprache der Seele wird.
Es ist der Prüfstein eines Werkes, ob
es Aufgaben stellt. Diese Tafeln drängen
zu der Frage: werden innerhalb der all-
gemeinen Entwicklung des Stils einzelne
Meister kenntlich? Um für Saqqara und die
5. Dynastie darauf zu antworten, müßte
man über diese Sammlung hinaus greifen;
aber aus den thebanischen Gräbern bringt
sie soviel, daß ein ernstlicher Versuch nicht
ins Leere zu gleiten droht. W. Schubart.
Arthur Weigall,Echnaton, König von
Ägypten, und seine Zeit. Deutsch von
Dr. Hermann Kees. XX, 165 S. Schwabe
& Co. Basel 1923.
König Echnaton (oder, wie er erst hieß,
Amenophis IV.) ist der Schwiegervater des
jetzt so viel genannten Tut-anch-amon. Er
verdient die Berühmtheit eher, als sein un-
bedeutender Schwiegersohn. Echnaton ist
zunächst, wie Weigall mit Recht hervor-
hebt, die erste Gestalt der altägyptischen Ge-
schichte und wohl überhaupt der Mensch-
heitsgeschichte, die wir wirklich kennen,
über deren Charakter wir etwas sagen kön-
nen. „Mit dem Namen des Echnaton taucht
aus dem Dunkel eine Gestalt auf, fester
umrissen als die anderer Pharaonen, und
mit ihm kommt das Singen der Vögel, Kin-
derstimmen und der Duft vieler Blumen.“
Und dieser Echnaton ist eine Persönlich-
keit, in die es sich zu vertiefen lohnt. Er
bringt eine Revolution in der Frömmigkeit:
er führt zwangsweise den Monotheismus
ein, die Verehrung des Sonnengottes allein,
als dessen Prophet er sich fühlt; eine Re-
ligion, die auch den Gegenwartsmenschen
anzieht wegen des starken Naturgefühls,

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