Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925
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Heft 6
DOI Artikel:Sprinz, Heiner: Ein neuer Hans Wydyz der Ältere
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Umschlag
e
and
Inhalts-Verzeichnis
III
Dörner, Alexander, Erwerbungen neuerer Kunst im Museum der Provinz Hannover . . 1157
…
— Das Städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Halle.973
V
Asiat. Museum in Berlin . 859
…
Ein neues Museum in Ve¬
…
Staatl. Museum Armeniens 749
…
Skulpturen-Museum, Das
Heft 1 / Puvis de Chavannes
Heft 1 / Die Neueröffnung der römischen Abteilung im Museum Wallraf-Richartz in Köln
Heft 1 / Die Galerie des 19. Jahrhunderts in Wien
Heft 1 / Rundschau
45
Das „Britische Museum“ hat dieBüste
…
Altertümer im „Britischen Museum“, hält
…
und das Museum wird zur Aufnahme der
…
Für das Museum bedeutet dieser Flügel
Heft 1 / Der Kunstmarkt
Heft 2 / Ein Altar vom Meister des Cadolzburger Altars
Heft 2 / Rundschau
99
Museum dieser Stadt aus wirklich eine le-
…
richte aus dem Freiburger Augustiner-Mu-
…
Vesperbilder im Augustiner-Museum; Cle-
…
Museum; Hertha Wes ehe r-Kaue rt, Ein
100
und Laes wurde das Moderne Museum
…
Seit seiner Wiedereröffnung hat das Muse-
…
Das Museum für alte Kunst erwarb ei-
…
nische König für das venezianische Muse-
101
Museum ist eine Privatsammlung von 300 Ge-
…
Das Provinzial-Museum stellt augenblick-
…
als erstes deutsches Museum, offiziell für
…
einer Sammlung zu legen, die dem Museum
…
Das Museum der Stadt Ulm erwarb neuer-
Heft 3 / Georges Rouault
Heft 3 / Mittelrheinische Scheiben in Amorbach
Heft 3 / Rundschau
145
wahrscheinlich dieses Museum eines der
…
tischen Museum Kümmels vereint. Und
…
Museum, die einmal nach der Idee des
…
Deutsche Museum auf der Spreeinsel, für
Heft 3 / Der Kunstmarkt
Heft 4 / Ein Kreussener Krug als Palimpsest
Heft 4 / Studien zum Werk des Töpfers MF
193
fach benutzt. Das Städtische Museum in Brieg bewahrt drei Reliefs aus ge-
…
Museum Carolino Augusteum in Salzburg befinden. Abgesehen davon, daß die
Heft 4 / Eine schlesische Schüssel mit dem Brustbild Kaiser Rudolf II. in London
Heft 4 / Eine Meißener Porzellanstatuette des Prager Jesukindleins
Heft 4 / Die Sammlung Darmstaedter-Berlin
Heft 4
Heft 4 / Neue Literatur zur Keramik
Heft 4 / Rundschau
Heft 4 / Der Kunstmarkt
Heft 5 / Neuentdeckte Meister der Basler Kunstsammlung
Heft 5 / Pariser Ausstellungen
Heft 5 / Rundschau
Heft 5
Heft 5 / Der Kunstmarkt
Heft 6 / Anton Kolig
Heft 6 / Zu der schlesischen Schüssel mit dem Brustbild Kaiser Rudolfs II. im Victoria und Albert Museum zu London
Heft 6 / Ein neuer Hans Wydyz der Ältere
Heft 6 / Denkmäler deutscher Kunst: Zu den Skulpturenveröffentlichungen des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft
Heft 6 / Eine unbeachtete Wurzel römischer und christlicher Baukunst
Heft 6 / Rundschau
Heft 6 / Der Kunstmarkt
Heft 7 / Das Museo Petriano in Rom
Heft 7 / Die junge Kunst in Belgien
Heft 7 / Rundschau
375
DAS NEUE SKULPTUREN-MUSEUM
…
licher Plastik konnte im Museum der Aka-
…
Das Museum steht unter Leitung. von
Heft 7 / Der Kunstmarkt
Heft 8 / Die Wandteppichmanufaktur von Aubusson
Heft 8 / Rundschau
Heft 9 / Die Wandteppichmanufaktur von Aubusson
Heft 9 / Eine Ausstellung niederländischer Malerei in Detroit
Heft 9 / Eine Flachlandschaft von Philips de Koninck
Heft 9 / Rundschau
476
ANTWERPEN. Das Königliche Museum
…
Museum, das kultureller Mittelpunkt eines
…
das Detroiter Museum ein Bulletin, das sich
…
dem die Notizen aus dem Museum, die
…
verwirrend wirkt. Er gibt dem Museum ei-
Heft 9 / Der Kunstmarkt
Heft 10 / Der Elfenbeinschnitzer Joachim Henne, [1]
Heft 10 / Pariser Ausstellungen
Heft 10 / Rundschau
Heft 11 / Der Elfenbeinschnitzer Joachim Henne, [2]
Heft 11 / Rundschau
Heft 12 / Leihausstellung in der Kunsthalle zu Hamburg
Heft 12 / Rundschau
Heft 12 / Der Kunstmarkt
Umschlag
n
and
Heft 13 / Hellenistisch-buddhistische Kunst in Nordwestindien
Heft 13 / Abstrakte Kunst
Heft 13 / Rundschau
Heft 13 / Der Kunstmarkt
Heft 14 / Meisterwerke deutscher Fayencekunst
Heft 14 / Frühmittelalterliche Kunst in Chinesisch-Turkistan
Heft 14 / Rundschau
Heft 15 / Oswald Achenbach
Heft 15 / Leihausstellung aus Privatbesitz im Städelschen Kunstinstitut
Heft 15 / Die internationale Ausstellung für Kunst und Gewerbe in Paris 1925
Heft 15 / Rundschau
Heft 15 / Der Kunstmarkt
Heft 16 / Die kirchliche Kunst auf der Jahrtausendausstellung zu Köln
Heft 16 / Die übrigen Jahrtausend-Ausstellungen im Rheinland
Heft 16 / Rundschau
Heft 17 / Der dritte Salon der Tuilerien
Heft 17 / Rundschau
859
DAS ASIATISCHE MUSEUM
…
kanischen Museumsverbandes „Museum'
…
ficant and important museum develop-
…
completion, and the whole world of art has
…
Scholar bent on serious workis harassed and
…
artifacts in the Ethnologische Museum and
…
from the sale of his private library; and
…
and that accordingly a purely Asiatic Mu-
…
museum on the grounds advanced by
…
scholars and museumists may quite pro-
…
world would feel the Stimulus and we
…
and to provide the amplest and most per-
…
modern museum. It is by such means that
Heft 18 / Die "Tocharische" Epoche der Kunst von Kutscha (Ostturkistan)
Heft 18 / Pariser Chronik
Heft 18 / Rundschau
911
binetts am Antwerpener Museum. Die
…
Museum befindlichen Graphiken, die in-
…
Heinz Braune konnte kürzlich das Mu-
Heft 18 / Der Kunstmarkt
Heft 19 / Die Bildteppichmanufaktur von Felletin
Heft 19 / Rundschau
Heft 19 / Der Kunstmarkt
Heft 20 / Das Städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Halle
Heft 20 / Rundschau
1002
ker Metropolitan-Museum und dem De-
…
Metropolitan-Museum allein Geschenke in
…
Das Metropolitan-Museum in New
…
an das Museum ist zu berichten. Mr. Ar-
…
J. Breck hat das Museum eine ganze
1003
Museum während des Jahres zugeflosse-
…
Das Newarker Museum, von dem letz-
…
Direktors, Mr. Danas, sein neues Museum
…
wähnt. Das Museum ist hauptsächlich auf
…
Boston-Museum .anvertraut, der an einer
1004
Museum, das über eine Million kosten soll.
…
spieliger werdende „Philadelphia Museum
…
Das. Museum der Universität von
Heft 21 / Die uigurisch-chinesische Epoche in der Kunst der Oase von Turfan
Heft 21 / Rundschau
Heft 21 / Der Kunstmarkt
Heft 22 / Ernst Fries
Heft 22 / Die Ausstellung altspanischer Kunst in Paris 1925
Heft 22 / Rundschau
Heft 23 / Rundschau
1134
derts, die bislang im Museum mit sicheren
…
Das Museum für Völkerkunde konnte
…
Das Britische Museum hat eine Sta-
1137
of Victoria in Melbourne das „Porträt
…
in Für Cap and Cuirass“ des Carei Fabri-
…
Neuerwerbungen sind im Victoria und Al-
…
gen an: „Madonna and Child, with Four
…
Museum zu Winterthur, d. h. zweier
1142
tish Museum fast völlig ignoriert worden.
…
London geschickt, um im British Museum
…
beschrieben hat, für das British Museum
Heft 23 / Der Kunstmarkt
1152
Amsterdam, Mauritshuis, den Haag, Boymanns Museum, Rotterdam, ferner Geheimrat
…
in der Literatur seit langem bekanntes Bild —, welches dem Museum in Detroit (Ame-
…
Drey (München) das Museum in Detroit für 40000 fl. Den kleinen Cornelius von Am-
…
25000 fl., an Museum Detroit; Nr. 63: Frans Hals, kleines ovales Männerporträt (aus der
Heft 24 / Erwerbungen neuerer Kunst im Museum der Provinz Hannover
Heft 24 / Rundschau
Ein neuer Hans Wydyz der Ältere
Mit fünf Abbildungen auf zwei Tafeln Von HEINER SPRINZ
Die fürstlich hohenzollerische Sammlung
in Sigmaringen1 besitzt eine kleine, nur
17 cm hohe Statuette aus Buchsbaumholz
(Abb. 1 und 2), die ein altes nacktes Weib
darstellt. Die Oberfläche des Körpers ist
glatt, stellenweise wie poliert. Der tief-
dunkle Glanz des Holzes bildet einen äußerst
reizvollen Gegensatz zu dem gedämpften
Weiß des altbemalten Kopfschleiers, den
die bleckende Alte über die Schulter zieht
und dabei versucht, ihre häßlichste Blöße
zu decken. Es ist keinesfalls ganz klar, ob
diese prächtig geschnitzte Statuette das
Specimen eines das Verjüngungsbad besu-
chenden alten Weibes sein soll, oder ein
Teil einer Allegorie der Vergänglichkeit —
vanitas vanitatum —, die man gewöhnlich
in mehrteiligen Gruppen zu versinnbildli-
chen liebte. Gegen beide Bedeutungen be-
stehen Bedenken inhaltlicher und formaler
Art. Die Verkörperung nämlich des Einen
oder des Andern verlangte entschiedener
die Erinnerung an bekannte Analogien.
Hingegen deckt sich eine gewisse Holprig-
keit des Schnitzmessers, die an einigen dra-
stischen Requisiten der Vergänglichkeit
fast etwas zu laut vordrängt, mit dem derb-
frischen Reiz der Idee, der sich aus der
Mischung kecker Sottisen mit dem subtilen
und anmutigen Linienspiel der Glieder er-
gibt. Es handelt sich, wie es scheint, eher
um eine skizzenhafte und mehr heitere Va-
riation eines der erwähnten Sinnbilder;
vielleicht ist ein altes Frauenzimmer ge-
dacht, deren Not die mutwilligen Räuber
ihrer Kleider belustigt. Dem sei wie es
wolle, für die Frühzeit des 16. Jahrhunderts
ist die poetische Freiheit dieses Werkchens
würdig einem Meister der schärfsten Profi-
lierung. Der allgemeine Charakter der Ar-
beit weist in das Gebiet des Oberrheins
und der Donau2 und die Hand des Verfer-
tigers ist aus der Reihe der Kollektivtypen
leicht spaltbar. Dieser Meister ist Hans
Wydyz der Ältere, der Sohn des Bartholo-
mäus Wydyz aus Meißen3. Die Zuweisung
geschieht auf Grund stilistischer und soma-
tischer Übereinstimmungen. Im Jahre 1505
hat Hans Wydyz seinen Dreikönigsaltar in
1 Vom Verfasser erscheinen demnächst: „Die Bildwerke
der Sammlung Sigmaringen.“ Photographien von Dr.
Lossen, Stuttgart.
2 Burckhardt (Hans Wydyz the Eider. Burlington
Magazine. Fol. XI. 1907. S. 212) hat irrtümlicherweise
unter anderem auch das Martyrium des hl. Sebastian, ein
bayrisches Werk im Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin,
Hans Wydyz zugeschrieben. Vgl. Vöge, Die deutschen
Bildwerke. 1910. S. 128.
3 Flamm, Repertorium f. Kunstw. S. 115.
Freiburg vollendet1. Es ist notwendiger-
weise auf den Kopf des knienden Königs
hinzuwe’isen, der eine ähnliche Bildung der
Nase, Nasenwurzel, der Stirnmuskulatur
und der wulstigen Bogen der Augenbrauen
besitzt (Abb. i und 5); diese gemeinsamen
Merkmale sind persönliche Eigenart. Im
übrigen liefern das Schamtuch des Schmer-
zensmannes der drei Aufsatzstatuetten und
das Kopftuch der Madonna am Freiburger
Altar2 das genaueste handschriftliche Ge-
genstück zum Schleiertuch der Alten; man
bemerkt dieselbe Schichtung der parallelen
Falten, dieselbe, in Sigmaringen eine Spur
weichere Wellenlinie und leichte Knitte-
rung des Saums (Abb. 1 und 2). Doch den
zwingendsten Beweis geben die Hände, mit
den zarten, grazilen Fingern, deren Enden
sich fein ausspitzen, die zuweilen aber
auch in kleinen platten Knoten endigen.
Die linke Hand des Mohrenkönigs zeigt die
ganze Individualität des Meisters. Endlich
erwächst das Standmotiv beide Male der-
selben Grundstellung, nämlich vorgesetz-
tes rechtes Bein und stark nach außen ge-
drehte Vorderfüße. Nur der Nabel der Al-
ten hat nicht die auffallende dreieckige
Schüssel wie der Schmerzensmann, ein
Umstand, der sich aus dem Wunsch der
Beibehaltung, des in der häßlichen Brust-
warze angeschlagenen Tones wohl erklä-
ren ließe. Indessen lassen gerade die ver-
senkten Teller der Brustwarzen mit die
Brücke schlagen zu der später, um 1510
entstandenen Adam- und Evagruppe im hi-
storischen Museum zu Basel (Abb. 3). Frei-
lich erhebt dort die Kunst des Meisters all
das zur höchsten Anmut, was er hier noch
herb, kleinkünstlerisch unvollendet zeigt.
Allein kein einziges typisches Merkmal der
Basler Akte fehlt bei der schämigen Alten.
Das gilt von dem eigenartigen, slawisch an-
mutenden System der Proportionen, bei-
spielsweise der eigenartigen Pyramide, die
Schlüsselbein-, Halswirbel- und Trapez-
muskel zusammen errichten; gilt auch von
dem Linienfluß und den Mulden der Mus-
keln — man denke an Hüft- und Wadenge-
staltung, an die schmale schwanke Fes-
sel —, von der Haut und den scharfge-
ritzten aphoristischen Falten an Oberschen-
keln, Glutäen, Achselhöhlen und von der
wollig und grob behaarten Scham.
Die Entstehungszeit der Alten ordnet sich
1 Die bis jetzt bekannten Werke des Meisters hat Otto
Schmidt (Oberrheinische Plastik im ausgehenden Mittel-
alter. 1924) in schönen Abbildungen publiziert.
Otto Schmidt. Oberrheinische Plastik usw., Taf.104
324
Mit fünf Abbildungen auf zwei Tafeln Von HEINER SPRINZ
Die fürstlich hohenzollerische Sammlung
in Sigmaringen1 besitzt eine kleine, nur
17 cm hohe Statuette aus Buchsbaumholz
(Abb. 1 und 2), die ein altes nacktes Weib
darstellt. Die Oberfläche des Körpers ist
glatt, stellenweise wie poliert. Der tief-
dunkle Glanz des Holzes bildet einen äußerst
reizvollen Gegensatz zu dem gedämpften
Weiß des altbemalten Kopfschleiers, den
die bleckende Alte über die Schulter zieht
und dabei versucht, ihre häßlichste Blöße
zu decken. Es ist keinesfalls ganz klar, ob
diese prächtig geschnitzte Statuette das
Specimen eines das Verjüngungsbad besu-
chenden alten Weibes sein soll, oder ein
Teil einer Allegorie der Vergänglichkeit —
vanitas vanitatum —, die man gewöhnlich
in mehrteiligen Gruppen zu versinnbildli-
chen liebte. Gegen beide Bedeutungen be-
stehen Bedenken inhaltlicher und formaler
Art. Die Verkörperung nämlich des Einen
oder des Andern verlangte entschiedener
die Erinnerung an bekannte Analogien.
Hingegen deckt sich eine gewisse Holprig-
keit des Schnitzmessers, die an einigen dra-
stischen Requisiten der Vergänglichkeit
fast etwas zu laut vordrängt, mit dem derb-
frischen Reiz der Idee, der sich aus der
Mischung kecker Sottisen mit dem subtilen
und anmutigen Linienspiel der Glieder er-
gibt. Es handelt sich, wie es scheint, eher
um eine skizzenhafte und mehr heitere Va-
riation eines der erwähnten Sinnbilder;
vielleicht ist ein altes Frauenzimmer ge-
dacht, deren Not die mutwilligen Räuber
ihrer Kleider belustigt. Dem sei wie es
wolle, für die Frühzeit des 16. Jahrhunderts
ist die poetische Freiheit dieses Werkchens
würdig einem Meister der schärfsten Profi-
lierung. Der allgemeine Charakter der Ar-
beit weist in das Gebiet des Oberrheins
und der Donau2 und die Hand des Verfer-
tigers ist aus der Reihe der Kollektivtypen
leicht spaltbar. Dieser Meister ist Hans
Wydyz der Ältere, der Sohn des Bartholo-
mäus Wydyz aus Meißen3. Die Zuweisung
geschieht auf Grund stilistischer und soma-
tischer Übereinstimmungen. Im Jahre 1505
hat Hans Wydyz seinen Dreikönigsaltar in
1 Vom Verfasser erscheinen demnächst: „Die Bildwerke
der Sammlung Sigmaringen.“ Photographien von Dr.
Lossen, Stuttgart.
2 Burckhardt (Hans Wydyz the Eider. Burlington
Magazine. Fol. XI. 1907. S. 212) hat irrtümlicherweise
unter anderem auch das Martyrium des hl. Sebastian, ein
bayrisches Werk im Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin,
Hans Wydyz zugeschrieben. Vgl. Vöge, Die deutschen
Bildwerke. 1910. S. 128.
3 Flamm, Repertorium f. Kunstw. S. 115.
Freiburg vollendet1. Es ist notwendiger-
weise auf den Kopf des knienden Königs
hinzuwe’isen, der eine ähnliche Bildung der
Nase, Nasenwurzel, der Stirnmuskulatur
und der wulstigen Bogen der Augenbrauen
besitzt (Abb. i und 5); diese gemeinsamen
Merkmale sind persönliche Eigenart. Im
übrigen liefern das Schamtuch des Schmer-
zensmannes der drei Aufsatzstatuetten und
das Kopftuch der Madonna am Freiburger
Altar2 das genaueste handschriftliche Ge-
genstück zum Schleiertuch der Alten; man
bemerkt dieselbe Schichtung der parallelen
Falten, dieselbe, in Sigmaringen eine Spur
weichere Wellenlinie und leichte Knitte-
rung des Saums (Abb. 1 und 2). Doch den
zwingendsten Beweis geben die Hände, mit
den zarten, grazilen Fingern, deren Enden
sich fein ausspitzen, die zuweilen aber
auch in kleinen platten Knoten endigen.
Die linke Hand des Mohrenkönigs zeigt die
ganze Individualität des Meisters. Endlich
erwächst das Standmotiv beide Male der-
selben Grundstellung, nämlich vorgesetz-
tes rechtes Bein und stark nach außen ge-
drehte Vorderfüße. Nur der Nabel der Al-
ten hat nicht die auffallende dreieckige
Schüssel wie der Schmerzensmann, ein
Umstand, der sich aus dem Wunsch der
Beibehaltung, des in der häßlichen Brust-
warze angeschlagenen Tones wohl erklä-
ren ließe. Indessen lassen gerade die ver-
senkten Teller der Brustwarzen mit die
Brücke schlagen zu der später, um 1510
entstandenen Adam- und Evagruppe im hi-
storischen Museum zu Basel (Abb. 3). Frei-
lich erhebt dort die Kunst des Meisters all
das zur höchsten Anmut, was er hier noch
herb, kleinkünstlerisch unvollendet zeigt.
Allein kein einziges typisches Merkmal der
Basler Akte fehlt bei der schämigen Alten.
Das gilt von dem eigenartigen, slawisch an-
mutenden System der Proportionen, bei-
spielsweise der eigenartigen Pyramide, die
Schlüsselbein-, Halswirbel- und Trapez-
muskel zusammen errichten; gilt auch von
dem Linienfluß und den Mulden der Mus-
keln — man denke an Hüft- und Wadenge-
staltung, an die schmale schwanke Fes-
sel —, von der Haut und den scharfge-
ritzten aphoristischen Falten an Oberschen-
keln, Glutäen, Achselhöhlen und von der
wollig und grob behaarten Scham.
Die Entstehungszeit der Alten ordnet sich
1 Die bis jetzt bekannten Werke des Meisters hat Otto
Schmidt (Oberrheinische Plastik im ausgehenden Mittel-
alter. 1924) in schönen Abbildungen publiziert.
Otto Schmidt. Oberrheinische Plastik usw., Taf.104
324