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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 7
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0399

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RUNDSCHAU

Sammlungen
DAS NEUE SKULPTUREN-MUSEUM
IM HAAG
In einem schönen Museumsgebäude auf
dem Carnegielaan 12 wurden die Skulp-
tursammlungen Lunsingh-Scheurleer, W.
von Bissing, E. von der Heydt der Öffent-
lichkeit übergeben. Die Eröffnung desMu-
seums hat die folgende Vorgeschichte:
Der Haager Kunstfreund und Antiken-
kenner C. W. Lunsingh-S cheurleer ist
einer der wenigen in Holland, der für an-
tike Plastik eine ursprüngliche, instinktive
Liebe besitzt. Dieser Liebe konnte er als
Vorsitzender des Verwaltungsrats der Haa-
ger Akademie dadurch Ausdruck geben,
daß er der Akademie die Anlage einer
umfassenden Sammlung von Gipsabgüs-
sen ermöglichte. Einen ersten Zuwachs
erfuhren die anfangs geringen und ver-
wahrlosten Bestände durch die Aufnahme
von etwa 2000 Gipsabgüssen aus dem
Haarlemer Kunstgewerbemuseum. 1919
wurde der größte Teil der Gipsabgüsse des
Düsseldorf er Kunstgewerbemuseums
erworben. Die Aufstellung dieser meistens
westdeutschen Reproduktionen mittelalter-
licher Plastik konnte im Museum der Aka-
demie 1920 abgeschlossen werden, wurde
jedoch aufs neue umgestülpt, als Mitte
1920 durchLunsingh-Scheurleer für die Aka-
demie die Kölner Gipsabgußsammlung
Gerber hinzuerworben wurde, die sowohl
den antiken wie den gotischen und den
renaissancemäßigen Abgußvorrat vergrö-
ßerte und endgültig ergänzte. So erhielt
1921 diese Gipsabgußsammlung endlich
den Charakter, den man von Anfang an
hatte erzielen wollen, nämlich einer Samm-
lung, die den gesamten Werdegang der
abendländischen Skulptur verdeutlicht.
Die Mittel zur Errichtung dieser Samm-
lung sind ausschließlich von privater Seite
zusammengebracht worden; um sie auch
für eine weitere Vergrößerung der Samm-
lung zu gewährleisten, wurde ig2o die
„Vereinigung von Freunden des Gips-
museums“ gegründet.
Für sich selber verlegte C. W. Lunsingh-
Scheurleer sich auf das Sammeln helle-
nischer und hellenistischer Kleinplastik.
Diese Sammlung wuchs dermaßen an, daß
daran gedacht werden mußte, ihr einen
eigenen Aufstellungsort zu schaffen. Den
Plänen des Sammlers kam der Umstand
entgegen, daß auch die Sammlung des
deutschen Ägyptologen Prof. W.von Bis-
sing obdachlos war. W. von Bissing hatte,

als er ig22 der Berufung an die Utrechter
Hochschule Folge leistete, seine auf 15000
Nummern bezifferte Sammlung von Mün-
chen nach Holland überführt; hier war sie
in einem Haager Schuppen vorläufig un-
tergebracht worden. Von Bissing teilte
in einem Zeitungsberichte mit, daß sein
Kunstbesitz in München niemals vollstän-
dig aufgestellt worden sei, und daß er erst
jetzt in Holland die Gelegenheit gefunden
habe, diesen recht zu übersehen und eini-
germaßen zu klassifizieren. Da die beiden
Sammlungen eine Menge stilgeschichtli-
cher Berührungspunkte miteinander auf-
wiesen, war anzunehmen, daß sie bei einer
gemeinsamen Aufstellung unter demselben
Dach sich harmonisch ergänzen würden.
Als das Museumsgebäude beinahe ein-
zugsfertig stand, schloß sich den beiden
E. von der Heydt, der Sammler ostasia-
tischer Plastik, an. Seine von Dr. Karl
With und anderen des öfteren beschriebe-
nen buddhistischen, chinesischen, afrika-
nischen Skulpturen standen ursprünglich
in einem, etwas winkeligen Patrizierhause
der Amsterdamer Keyzersgracht. Sie soll-
ten von hieraus nach Zandvoort überführt
werden, wo der Sammler einen eigenen
Aufstellungsraum zu errichten gedachte.
Der Entschluß aber, sich dem Haager Mu-
seums-Institut anzuschließen, sichert dem
Publikum die Möglichkeit, die Kunstwerke
zu besichtigen, ohne erst eine umständ-
liche Reise nach dem kleinen Küstenort
machen zu müssen. Obwohl das verbin-
dende Glied der Sammlung von der Heydt
mit den Kunstschätzen der beiden anderen
Sammler eben nur dieses ist, daß es sich
hier wie dort um Steinbildwerke handelt,
obwohl also die drei Kabinette der ost-
asiatischen Plastik die chronologische und
ethnographische Linie der heutigen Schau-
anlage geradezu durchbrechen, dürfte es
doch überaus zu begrüßen sein, daß diese
östliche Kunst gerade in diesem so west-
lichen Kulturrahmen eingefügt wurde. Ge-
rade durch diese Nebeneinanderstellung
wird ersichtlich, wie innig die Kunst des
Nillandes bis nach Äthiopien hin zum Le-
bensgefühle der Mittelmeerbewohner ten-
diert, wie also Ägypten, Palästina, Klein-
asien kulturell nicht als morgen- sondern
noch als abendländische Provinzen anzu-
sprechen sind.
Das Museum steht unter Leitung. von
Prof. W. von Bissing und der Archeo-
login E. F. Prins de Jong. Zur Stützung
des Instituts wurde eine „Vereinigung
zur Förderung der antiken Bildung“

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