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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 7
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0414

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DER KUNSTMARKT

STIMMUNGSPENDEL AUF DEM
HOLLÄNDISCHEN MARKT
Der Holländer von heute hat gegen ge-
wisse Kunststile und Künstlernamen Ab-
neigungen, die als unüberwindlich gelten
dürfen. Man hüte sich jedoch zu meinen,
diese Abneigungen seien Ergebnisse ras-
se mäßiger Fremdheits- und Ablehnungs-
gefühle. Die Holländer gehorchen, wie
vielfach in anderen Ländern, denjenigen,
die als die Sachverständigen angesehen
werden. Wird ein Maler von solch einem
Sachverständigen in Verruf getan, so ist
es diesem unmöglich, die Gunst des Publi-
kums zu erringen. P. C. Bremmer, der
Berater des Kröllermuseums, kann z. B.
P. Cezanne nicht ausstehen. Folge: Die-
ses am reichsten dotierte Privatmuseum,
das einen Durchschnitt durch die euro-
päische Moderne geben möchte, besitzt
kein Bild von Cezanne. Ebensowenig fin-
den sich bei anderen, von Bremmer be-
ratenen Privatsammlern Bilder dieses Fran-
zosen. Auch die öffentlichen Sammlungen
besitzen keins. Die einzigen Cezannebilder
in Holland besitzt ein Herr Bongers in
Aerdenhout bei Haarlem; er ist der Bruder
der Frau van Gogh-B ongers, der ehema-
ligen Gattin Theos van Gogh, Vincents
van Gogh Schwägerin; auf diesem Ver-
wandtschaftsumwege kam er zur Schätzung
und zum Erwerb Cezannescher Bilder. Er
kaufte sie beim Vater Taguy in Paris.
Auch van Gogh selber kann man nicht zu
denjenigen Malern zählen, für die die
Sammler glühen. Bremmer schätzt ihn.
Folge? Das Kröllermuseum erwarb nach
und nach die schönsten Bilder aus des
Malers letzter Zeit sowie eine große An-
zahl Zeichnungen aus der Anfangsperiode.
Auch in den sonstigen, von Bremmer be-
ratenen Privatkreisen findet sich das eine
oder andere Bild. Das Ryksmuseum in
Amsterdam besitzt nichts; das Gemein-
demuseum im Haag kleinere, nicht reprä-
sentative Stücke; das Museum Boymans
in Rotterdam eine große Landschaft, die
mehr entwicklungsgeschichtlichen als äs-
thetischen Wert hat. Man kann alles in
allem mit einiger Übertreibung sagen, daß
van Gogh nirgendwo weniger geschätzt
und begriffen werde als in seinem Vater-
lande. Die Explosion, die sich im Gefühl
und in der Technik dieses Rasse-Hollän-
ders vollzog, als er in der französischen
Provence sich ansiedelte, berührt den hol-
ländischen Kunstfreund als bedenklich,
maßlos, über das Wesen des Schönen ge-
waltsam hinausdrängend. Nicht nur des

geringeren Preises, sondern durchaus auch
der größeren Sympathie wegen werden
Bilder von heutigen Malern dritten Ranges
(Voerman, Tholen, Lissy Ansingh, de
Zwart) in Holland viel leichter abzusetzen
sein als Werke Vincents van Gogh.
Es versteht sich bei dieser Sachlage, daß
der andere nordische Dämoniker, Ed.
Munch, in holländischen Sammlerkreisen
ebensowenig begehrt ist. Irre ich mich
nicht, so ist eine Munchausstellung in
Holland überhaupt noch niemals gezeigt
worden; fände sie statt, so dürften die Un-
ternehmer eines bedeutenden Geldverlustes
sicher sein. Nicht nur, daß kein Bild ver-
kauft werden würde; es würde auch an
Besuchern fehlen, um durch die Eintritts-
einkünfte die Saal- und Reklamekosten zu
decken. Die Abneigung gegen Munch be-
rührt um so merkwürdiger, als die Hol-
länder im allgemeinen viel von der neuen
skandinavischen Literatur halten und auch
Skandinavien auf Nordlandreisen häufig
auf suchen. Schließlich müßte auch die
Bluts- und Gefühlsverwandtschaft für
Munch in Holland mitsprechen. Aber da
die offiziellen Kritiker von Munch nichts
wissen, auch nichts wissen wollen, so
tappt das Laienpublikum in Unkenntnis.
Das Tabu, das auf Ferd. Hodler gelegt
war, wurde erst in jüngster Zeit durch-
brochen. Der Assistent am Haager Ge-
meindemuseum, Dr. Knüttel, erreichte es,
daß ein Bild des Schweizers gekauft wurde;
es dürfte das einzige sein, das sich im
Lande befindet. Publikationen über Hod-
ler finden hier so gut wie keine Leser.
Überhaupt ist in Holland nicht das min-
deste Interesse für Schweizer Malerei, sei
es deutschschweizerische (Welti) oder
welschschweizerische (Pellegrini). Der in
seiner asketischen Strenge irgendwie mit
Hodler verwandte Thorn-Prikker be-
rührt, obzwar er Holländer ist, hierzu-
lande wie ein Fremder. Die mannigfachen
Versuche, Verständnis für seine Kartonen-
entwürfe zu Glasbildern zu wecken, haben
es hier lediglich zu Achtungserfolgen,
nicht zu Aufträgen gebracht. Die Auf-
träge, die vor zwei Jahren im neuen Rot-
terdamer Rathause zu vergeben waren,
gingen unter Ablehnung der Thorn-Prik-
kerschen Skizzen an einen anderen, weni-
ger heroischen Künstler über.
Was die deutsche Malerei angeht, so
waren die meisten Namen der letzten Zeit
dem hiesigen Publikum bis vor zwei Jah-
ren unbekannt. Damals führte eine sehr
gut zusammengestellte Auswahl von Mei-

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