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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 8
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Goebel, Heinrich: Die Wandteppichmanufaktur von Aubusson
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0417

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Die Wandteppichmanufaktur
Ai Von HEINRICH GÖBEL / Mit
u ousson 15 Abbildungen auf 14 Tafeln
ES erscheint überflüssig, auf die Ausführungen (1783) des Herrn de Chä-
teaufavier, des Inspektors der Manufakturen Aubusson und Felletin, und
anderer älterer und jüngerer Autoren des näheren einzugehen, die den Ur-
sprung der Ateliers der Marche auf versprengte Sarazenen zurückführen, die
nach den Niederlagen bei Tours (732) und Narbonne (737) in den wenig zu-
gänglichen Gebirgstälern der Creuse Zuflucht suchten und ihre Kunst als
Wirker betätigten. Ebensowenig übten die bilderfeindlichen und bilderfreund-
lichen Strömungen im Anschluß an das zweite Konzil von Nikäa (787) auf
unsere Manufakturen auch nur den geringsten Einfluß. Es setzt schon eine
recht weitschweifende Phantasie voraus, die Werkstätten von Byzanz mit
ihren so außerordentlich feinen Seidenwirkereien mit den Ateliers im Herzen
von Frankreich, die zudem im achten Jahrhundert fast jeden Verkehrs mit den
Hauptorten des Frankenreiches entbehrten, in Verbindung zu bringen. Für
die Entstehung der Manufakturen der Marche gelten im wesentlichen die
gleichen Vorbedingungen wie für die Ateliers der Grafschaften des einstigen
Herzogtums Burgund. Hier wie dort kann von frühen östlichen Einflüssen nur
in sehr bedingter Form gesprochen werden, hier wie dort handelt es sich um
eine altüberkommene Kunstfertigkeit, deren Entfaltung von einer Reihe sozia-
ler und politischer Begleitumstände abhängig ist, die den betreffenden Ort ent-
weder zu einer, in der Hauptsache auf fürstlichen Gebrauch eingestellten
Luxusmanufaktur oder zu einer handwerklichen Zentrale, die ihre Tätigkeit
dem niederen Adel und dem vermögenden Bürgertum widmet, wandelt. Die
Werkstätten der Marche nahmen einen Entwicklungsgang, der mit dem Auf-
blühen und dem Sterben Oudenaardes, des flämischen Aubusson, eine unver-
kennbare Ähnlichkeit aufweist. Wenn den französischen Manufakturen die
schweren wirtschaftlichen Verwicklungen zum guten Teile erspart blieben, die
Oudenaarde in so reichem Maße auszufechten hatte, so liegt dies, abgesehen
von rein politischen Momenten, in erster Linie in der Abgeschlossenheit der
Landschaft begründet, deren Wirkerkolonien nicht unter dem ständig zer-
setzenden Einflüsse der großen, stets unzufriedenen Wollen- und Leinen-
webergruppen standen.
Gemeinsam ist beiden Manufakturen der fast ausschließlich auf Massen-
erzeugung eingestellte Betrieb, gemeinsam die Vernachlässigung der Technik,
gemeinsam das Nebeneinander guter und minderwertiger Ware, gemeinsam
die Verwendung grobkettigen Materials, das eine schnelle Arbeit gewähr-
leistete, gemeinsam der Mangel an guten Kartons. Typisch für die Ateliers
der Marche in der Spätzeit (seit 1665) ist die straffe staatliche Aufsicht, die ein
Herabsinken der Leistung unter ein gewisses Niveau nach Möglichkeit unter-
band. In erster Linie ist es den grundlegenden wirtschaftlichen Ideen Colberts,
des genialen Ministers Ludwigs XIV. — Entsendung des königlichen Malers
und Färbers, Lieferung geeigneter Kartons, scharfe Prüfung der Rohmaterialien
usw. — zu danken, daß die Werkstätten von Aubusson und Felletin mit dem
beginnenden 18. Säkulum eine Blütezeit erlebten, die in dem uneinheitlich ge-
leiteten Oudenaarde ausgeschlossen war; eine Blütezeit, die durch die ziel-
bewußte Handhabung der Aufsicht durch die „Inspecteurs“ und ihre Unter-
organe die Gewähr für das Weiterbestehen der Manufakturen auch in Zeiten

Der Cicerone, XVII. Jahrg., Heft 8

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