wirtschaftlicher und sozialer Wandlung, in den Tagen der großen Revolution,
in sich barg. Der Colbertsche Erlaß, der bis 1789 in Wirksamkeit blieb, ist die
eherne Grundlage Aubussons.
Die Patronin der Wirker der Marche ist Sankta Barbara. Cyprien Perathon,
der verdienstvolle Erforscher der Manufakturen von Aubusson und Felletin,
sucht zu Unrecht die orientalische Heilige für seine Theorie, die in den Arabern
die Begründer der heimischen Ateliers erblickt, in Anspruch zu nehmen. Sankta
Barbara war neben der heiligen Genoveva die prädestinierte Schutzherrin der
Wirker; ihre Altäre standen in weitaus den meisten flämischen und brabanti-,
sehen Wirkerstädten. Welches die Gründe waren, Sankta Barbara als beson-
ders geeignet erscheinen ließ — ob die Legende mit den in Heuschrecken
verwandelten Schafen mitspielt? —, entzieht sich zunächst meiner Kenntnis.
Nicht selten finden wir die Heilige als Wirkerin dargestellt, zur Seite einen
kleinen Turm, der auf den Ort ihrer Gefangenschaft deutet.
Zunächst schwebt die Frühzeit der Ateliers der Marche noch völlig im
Dunkel. Einen kärglichen Hinweis bringt Felix Leder in seinem „Album
historique et pittoresque de la Creuse“, dem zufolge Eleonore von Bourbon, die
Gattin Bernards von Armagnac, im Jahre 1461 Wirker aus dem Hennegau in
der heimischen Mark ansiedelte. Ob diese Maßnahme von einschneidendem
Einfluß war, ist zum mindesten zweifelhaft. Jedenfalls sind die Manufakturen
in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in vollem Betrieb; die Ateliers zu
Felletin und Riom sind durch Meisternamen urkundlich gesichert. Tatsache
ist ferner, daß bereits im 13. und 14. Jahrhundert ein ständiges Einfluten nieder-,
ländischer Wirker nach Frankreich und Italien zu verzeichnen ist. Mit starker
Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß diese im Großbetrieb erfahrenen
Meister und Gesellen dem in den Gebirgstälern altbäuerlich eingesessenen
Kunstgewerbezweig neues Leben einflößten, ihm, wenn auch nur vorüber-
gehend, zu einer gewissen Blüte verhalfen. Mit besonderer Vorsicht sind je-
doch die allzu leichtfertig für die Ateliers der Marche ins Treffen geführten
frühen Inventare zu behandeln, die mitunter Wirkereifolgen „ä le (la) marche“
erwähnen. Es handelt sich hierbei nur in den seltensten Fällen um die fran-.
zösische Landschaft; ä le Marche ist lediglich der terminus technicus für die
Arbeit am tieflitzigen Stuhl, die Basselissewirkereix. So verlockend es er-
scheint, die grobkettigen (de grox fille) Behänge des Inventars Karls VI. von
Frankreich1 2, die „tappis sur champ vert herbeux, et le chief noir, ä person-
nages de volerie et de plaisance et de duit“, die Bankwirkereien „ä connins et
arbres“, „ä compas et ä bestes“, „ä chappeaulx, connins et chiens dedens les
chappeaulx“, „ä espinettes“ (mit Weißdornblüten überstreuter Grund), „ä un
escu de gueules, ä six anneaulx d’or et une clef“ den Ateliers der Marche zu-
zuschreiben, so wenig läßt sich die reiche Folge, gleichfalls „faicte ä la marche“
„ä personnages d’enffans et autres, oyselez et rainceaulx, et ou milieu a une
fontaine et une Dame qui remue l’eaue a ung batonnet, sur champ vert“ mit
der Eigenart der Manufakturen von Aubusson und Felletin in Einklang brin-
gen, die in der Frühzeit sich zweifelsohne lediglich auf die Anfertigung der
einfachsten Kissenblätter, Verdüren und Wappenteppiche beschränkten. Das
gleiche Mißtrauen macht sich geltend bei der Mobilienaufzählung des Chateau
de la Bastille, vom 18. Juni 1420. Auch hier finden wir zahlreiche Behänge „de
grox fille fait ä la Marche“, zumeist Verdüren „sur champ vert herbeux“ und
Bankwirkereien in verschiedenen Mustern: „cinq banequiers vermeilz de grox
1 H. Göbel, Wandteppiche, 1. Teil, 1. Band. Abschnitt Technik.
2 J. Guiffrey, Inventaire des tapisseries de Charles VI., vendues ou dispersees par les
Anglais de 1422—1435, Paris 1887.
394
in sich barg. Der Colbertsche Erlaß, der bis 1789 in Wirksamkeit blieb, ist die
eherne Grundlage Aubussons.
Die Patronin der Wirker der Marche ist Sankta Barbara. Cyprien Perathon,
der verdienstvolle Erforscher der Manufakturen von Aubusson und Felletin,
sucht zu Unrecht die orientalische Heilige für seine Theorie, die in den Arabern
die Begründer der heimischen Ateliers erblickt, in Anspruch zu nehmen. Sankta
Barbara war neben der heiligen Genoveva die prädestinierte Schutzherrin der
Wirker; ihre Altäre standen in weitaus den meisten flämischen und brabanti-,
sehen Wirkerstädten. Welches die Gründe waren, Sankta Barbara als beson-
ders geeignet erscheinen ließ — ob die Legende mit den in Heuschrecken
verwandelten Schafen mitspielt? —, entzieht sich zunächst meiner Kenntnis.
Nicht selten finden wir die Heilige als Wirkerin dargestellt, zur Seite einen
kleinen Turm, der auf den Ort ihrer Gefangenschaft deutet.
Zunächst schwebt die Frühzeit der Ateliers der Marche noch völlig im
Dunkel. Einen kärglichen Hinweis bringt Felix Leder in seinem „Album
historique et pittoresque de la Creuse“, dem zufolge Eleonore von Bourbon, die
Gattin Bernards von Armagnac, im Jahre 1461 Wirker aus dem Hennegau in
der heimischen Mark ansiedelte. Ob diese Maßnahme von einschneidendem
Einfluß war, ist zum mindesten zweifelhaft. Jedenfalls sind die Manufakturen
in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in vollem Betrieb; die Ateliers zu
Felletin und Riom sind durch Meisternamen urkundlich gesichert. Tatsache
ist ferner, daß bereits im 13. und 14. Jahrhundert ein ständiges Einfluten nieder-,
ländischer Wirker nach Frankreich und Italien zu verzeichnen ist. Mit starker
Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß diese im Großbetrieb erfahrenen
Meister und Gesellen dem in den Gebirgstälern altbäuerlich eingesessenen
Kunstgewerbezweig neues Leben einflößten, ihm, wenn auch nur vorüber-
gehend, zu einer gewissen Blüte verhalfen. Mit besonderer Vorsicht sind je-
doch die allzu leichtfertig für die Ateliers der Marche ins Treffen geführten
frühen Inventare zu behandeln, die mitunter Wirkereifolgen „ä le (la) marche“
erwähnen. Es handelt sich hierbei nur in den seltensten Fällen um die fran-.
zösische Landschaft; ä le Marche ist lediglich der terminus technicus für die
Arbeit am tieflitzigen Stuhl, die Basselissewirkereix. So verlockend es er-
scheint, die grobkettigen (de grox fille) Behänge des Inventars Karls VI. von
Frankreich1 2, die „tappis sur champ vert herbeux, et le chief noir, ä person-
nages de volerie et de plaisance et de duit“, die Bankwirkereien „ä connins et
arbres“, „ä compas et ä bestes“, „ä chappeaulx, connins et chiens dedens les
chappeaulx“, „ä espinettes“ (mit Weißdornblüten überstreuter Grund), „ä un
escu de gueules, ä six anneaulx d’or et une clef“ den Ateliers der Marche zu-
zuschreiben, so wenig läßt sich die reiche Folge, gleichfalls „faicte ä la marche“
„ä personnages d’enffans et autres, oyselez et rainceaulx, et ou milieu a une
fontaine et une Dame qui remue l’eaue a ung batonnet, sur champ vert“ mit
der Eigenart der Manufakturen von Aubusson und Felletin in Einklang brin-
gen, die in der Frühzeit sich zweifelsohne lediglich auf die Anfertigung der
einfachsten Kissenblätter, Verdüren und Wappenteppiche beschränkten. Das
gleiche Mißtrauen macht sich geltend bei der Mobilienaufzählung des Chateau
de la Bastille, vom 18. Juni 1420. Auch hier finden wir zahlreiche Behänge „de
grox fille fait ä la Marche“, zumeist Verdüren „sur champ vert herbeux“ und
Bankwirkereien in verschiedenen Mustern: „cinq banequiers vermeilz de grox
1 H. Göbel, Wandteppiche, 1. Teil, 1. Band. Abschnitt Technik.
2 J. Guiffrey, Inventaire des tapisseries de Charles VI., vendues ou dispersees par les
Anglais de 1422—1435, Paris 1887.
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