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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 9
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0502

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Ausstellungen

Sehens wie der Transkription drängen ihn
nicht über sich, nicht über eine qualifi-
zierte Faßlichkeit hinaus. Wagner läßt sich
Zeit, zu sein, der er ist; aber er dankt sol-
cher Schein und Betrieb meidenden inne-
ren Bescheidung ein Wachstum, das viele
Radikalität und demonstrative Fortgeschrit-
tenheit überholen durfte. Seitdem ich in
unserer Zeitschrift (XV., 21) auf diesen
Künstler hinweisen konnte, hat er eine freie
Festigkeit der Motiverfassung, der Palet-
te, des malerischen Gewebes gewonnen, ne-
ben der Damaliges nun befangen, bemüht
und verschwommen sich ausnimmt. Wag-
ner hat gerade aus dem sonst vielfach blaß-
bunt aufgelösten Venedig kleine Ansichten
von lebendiger Kräftigkeit gezogen, die
Konzentration mit pulsender Regung, kla-
res Gefüge mit leuchtender Vibration auf
das Glücklichste vereinen und bezeugen,
wie frei diese ungesuchte Malerei sich hält
von den üblichen Vorstellungen. Der ihm
besonders vertraute märkische Scharmützel-
see erscheint in allen Deklinationen der
Jahreszeiten, und neben heiter funkelnden
Frühsommerbildchen sind es vor allem die
winterlichen Fassungen, die Wagners heu-
te nicht so häufige Fähigkeit bezeugen, ein-
fach, karg und gehalten zu sein, ohne sich
des malerischen Reichtums zu begeben und
künstlich zu simplifizieren und zu abstra-
hieren. Auch die neuen Radierungen haben
meist landschaftliche Themen zum Vor-
wurf, die sie, bei einer unverkennbaren
Schulung an Liebermann, strömend und
luftig gestalten. Als Blumenmaler wirkt
Wagner noch manchmal ein wenig ge-
hemmt, doch spürt man, wie ein liebevolles
Ringen daran ist, auch auf diesem Gebiete
die ganze Freiheit des Duftes und der schüt-
teren Blütenfülle sich zu erwerben. Ein
rotgelbes Asternstück etwa sucht schon
heute seinesgleichen. Wagner ist keine Per-
spektiven anreißende Persönlichkeit, aber
eine überaus wohltuende Erscheinung. (Bei
Gurlitt waren ihm ä la italienische Früh-
gotik stilisierte, doch zugleich nach Cha-
gall schielende, in Kupfer getriebene Re-
liefs von Marek Swarc, Paris, und Aqua-
relle von Josef Hegenbarth beigegeben,
der ein billiges Gewirr durch farbtechnische
Raffinements vielleicht interessanter, aber
nicht gestaltvoller macht.) —
In der Galerie Flechtheim waren Ar-
beiten von Loulou Albert-Lazard anzu-
treffen, malerische Flüchtigkeiten, die über
die Erscheinung nicht ohne legere Grazie,
aber doch etwas zu leichtfertig hinstreifen
und nur Zufällen der Fleckenverbindung da
und dort eine dichtere Stimmung oder Be-
ziehung danken. Ansichten aus Siena, Mar-

seille, Toledo, Paris heben sich nicht do-
kumentarisch gegeneinander ab, sondern
begnügen sich mit raschen Allgemeinheiten.
Wie etwa eine Palme flugs hingewischt ist,
das legt die Schematik der leichten Hand
bloß. Um so frappanter dann die Proben
einer eminenten graphischen Begabung.
Man sieht nur so nebenbei einige: die li-
thographischen Bildnisse Derain und Cha-
gall, mit elastischen und sicher erfassenden
Zügen individualisierte Antlitze, zeichne-
risch durchlebt bis in den Schlips, — und
vor allem die (bei Kiepenheuer erschienene)
Mappe „Montmartre“, zwölf durch wirbeln-
den Schwung und prickelnde Technik fas-
zinierende Blätter aus den Bereichen nächt-
licher Quartiere und Tanzlokale, amüsant
mit Akzenten der Unheimlichkeit, stimu-
lierend durch eine restlos in zeichnerisches
Tempo umgesetzte Frivolität. Hier scheint
die Künstlerin ganz in ihrem Element, hier
sprüht ihre Darstellung, hier wirkt die Leich-
tigkeit der Mittel nicht flüchtig, sondern
als geistreiche Zuspitzung. —
An gleicher Stelle debütierte ferner der
Rheinländer G. E. van Hauth, der in sei-
ner glatt und fein vermalenden, lüstrierten
Weise, sowie darin, wie er Bildnisköpfe
quattrocentistisch dressiert, einem Mense,
darin, wie er eine Tischecke mit Spielzeug
groß und genau abbildet, einem Davering-
hausen nicht fern steht. Aber die Blumen,
Hampelmänner oder Holztiere haben nichts
Ängstigendes oder Hyperbolisches an sich,
alle phantastischen Schärfen sind gemildert
im Sinne einer Freundlichkeit, die sich etwa
mit dem Namen Püttner bezeichnen ließe.
Das beste Bild stellt eine Sandgrube dar in
oszillierender Schwellung kupfriger Töne,
deren Bewegung die des Geländes, deren
Metallglanz die Brunst des Raumes auf-
nimmt, — eine Landschaft von magischem
Klang. In einigen nur dünn angefärbten
Stillebenzeichnungen ist dem Umherliegen
von allerhand Utensilien keine sonderlich
lebendige Beziehung, kein neuer Ausdruck
für das Miteinander der Dinge abgewon-
nen. Insgesamt ist Interesse erweckt für
van Hauth, aber noch keinerlei Gewähr ge-
boten. —
Trotz aller Ungunst der Zeiten und trotz
unleuglicher Überzahl von Kunsthandlun-
gen jeder Art finden sich immer noch Mu-
tige, die es wagen, die Konkurrenz durch
neue Unternehmungen noch zu vermeh-
ren. So hat sich am Schönebergerufer 41
Viktor Hartberg geräumig etabliert, wo
er erstmalig neben seinen Beständen an äl-
teren und zeitgenössischen Meistern sowie
einer Miniaturen-Sammlung mehrere Arbei-
ten von Artur Degner zeigte. Neben des-

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